Nazi-Konzert in Berga
Stefan Vogt

Berga: Mit Trillerpfeifen gegen Nazi-Hetze

Am Samstag trafen sich in Berga etwa 800 Neonazis zu einem Rechtsrock-Festival. Die Teilnehmerzahl blieb damit zwar weit unter den Erwartungen, dennoch war die Veranstaltungen eines der größten Nazi-Events des Landes. Hunderte Menschen demonstrierten gegen das Treffen.

Von Redaktion

Eine Hüpfburg und ein Clown: Mit dem Neonazi-Event "In.Bewegung" sollte etwas für die ganze Familie geboten werden. Tatsächlich tummelten sich am Samstag bei der Veranstaltung in Berga (Sachsen-Anhalt) neben Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch viele Familien auf dem Festivalgelände im Industriegebiet.

Abgeschirmt feierten hier etwa 800 Neonazis ein "politisches Fest der Nationalen", angemeldet von Patrick Weber, NPD-Kreistagsmitglied im Kyffhäuserkreis. Journalistinnen und Journalisten sowie "Linken" und Nazis in "Szenekleidung" war der Zutritt zum Gelände von den Veranstaltern vorab verboten worden. Diese hatten mit bis zu 1.500 Besucherinnen und Besuchern gerechnet – gerade einmal gut die Hälfte fanden tatsächlich den Weg nach Berga. Dort erwartete sie ein Konzert mit fünf einschlägig bekannten Bands, darunter "Kraftschlag", den "Kinderzimmer Terroristen" und "Oidoxie". Eröffnet wurde das Nazi-Festival vom rechten Liedermacher Frank Rennicke, der laut "taz" gleich zu Beginn die richtigen Zeilen für das anwesende Publikum fand: "Deutschland, Deutschland über alles, über alles sei geliebt."

Hetze gegen "Demokröten" und "Ausländer"

Neben den Nazi-Bands bot das Bühnenprogramm Redner der NPD und aus der Kameradschaftsszene. Die "taz" beschreibt den Auftritt von Udo Pastörs, NPD-Bundevize und Landtagsfraktionsvorsitzende: "Pastörs, rief: 'Die NPD mag man verbieten, den naturgegebenen Nationalismus im Volke aber nicht.' Deswegen würde aber ein 'Euthanasie des deutschen Volkes' betrieben. Er hetzte gegen 'perverse Homos', 'Demokröten' und 'Ausländer'."

Nazi-Festival in Berga (Foto: Stefan Vogt)

So wirklich scheint das Bühnenprogramm beim Nazi-Festival nicht vom Hocker zu hauen ... (Foto: Stefan Vogt)

Doch nicht nur auf der Bühne wurde gehetzt und agitiert: Daneben boten rechtsextreme Gruppierungen wie die NPD-Frauen-Organisationen "Ring Nationaler Frauen", aber auch Gruppen aus der Kameradschaftsszene Infomaterial an, an anderen Ständen konnte einschlägige Szenekleidung gekauft werden.

Gegenproteste mit Ratschen, Trillerpfeifen und Vuvuzelas

Ursprünglich sollte das rechte Festival in Sangerhausen stattfinden – erst kurzfristig war bekannt geworden, dass das benachbarte, kleinere Berga Veranstaltungsort wird. Entsprechend wenig Zeit blieb für die Organisation der Gegenproteste. Dennoch machten hunderte Menschen sowohl am Tag vor dem Konzert als auch am Samstag selbst lautstark deutlich, was sie von dem Neonazi-Treffen in der Region halten: So demonstrierten in Sangerhausen etwa 200 Menschen mit Ratschen, Trillerpfeifen und Vuvuzelas. Dazu gab es Podiumsdiskussionen, an denen Vertreterinnen und Vertreter aller demokratischen Parteien teilnahmen. In Berga selbst kamen nach Polizeiangaben etwa 50 Gegendemonstrantinnen und –demonstranten zusammen. Außerdem wurden im Ort ein Infostand, eine Kaffeetafel am Bahnhof sowie ein spontaner Protestspaziergang und ein abschließendes Friedensgebet geboten. Der lautstarke Protestspaziergang, der in Sicht- und Hörweite des Nazi-Festivals seinen Anfang nahm, wurde von der Polizei abgeschirmt, so dass die Neonazis ohnmächtig zusehen mussten.

Demonstrationen gegen das Nazi-Festival (Foto: Stefan Vogt)

Demonstrationszug gegen das Nazi-Festival (Foto: Stefan Vogt)

Insgesamt heißt es in einer ersten Bilanz des Bündnisses "Sangerhausen bleibt bunt" zu den Gegenprotesten: "Klar ist dies ein ausbaufähiges Ergebnis, aber die Zufriedenheit, Gesicht gezeigt und wahrscheinlich auch den ein oder anderen Menschen wach gerüttelt zu haben, besteht dennoch!" Erstmals hätten sich Anwohnerinnen und Anwohner offen gegen rechts gezeigt. Und weiter: "Es ist abschließend noch einmal hervor zu heben, dass die Wertschätzung des Bündnisses vor allem auch auf den Aktionen in Berga liegt, denn dieser Protest ist erst sehr kurzfristig, aber dafür umso energischer geplant und durchgeführt worden."

Bereits am Freitag wurden in Sangerhausen und Berga ein Picknick, Konzert und Kerzengang gegen Nazis organisiert – mehrere Hundert Menschen hatten an den Aktionen teilgenommen.

Friedlicher und kreativer Protest

Die Polizei war am Wochenende mit etwa 500 Beamtinnen und Beamten im Einsatz. Sie bilanzierte nach dem Neonazi-Event, alles sei friedlich geblieben. Erfreulich ist, dass statt der erwarteten gut 1.000 Nazis "nur" etwa 800 die 18 Euro für ein Ticket lösten – auch, wenn das natürlich immer noch 800 zu viel sind. Die Gegenproteste scheinen auf den ersten Blick zahlenmäßig ernüchternd, doch blieb tatsächlich nur wenig Zeit für die Organisation nach der kurzfristigen Verlegung des Veranstaltungsortes. Zudem wurde für das rechte Festival vor allem intern mobilisiert. So hatte etwa Stefan Vogt  vom regionalen Beratungsteam Süd-West im Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus vorab im Interview mit netz-gegen-nazis.de erklärt: "Das wurde auch durch die Reaktionen auf der Bürgerversammlung in Berga am Montag bestätigt: Viele, die da waren, wussten nicht, dass am Wochenende bis zu 1.000 Neonazis im Ort einfallen wollen."

Umso erfreulicher, dass ein breites Bündnis eine ganze Vielzahl von Aktionen auf die Beine stellte, dass Anschlussmöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger bot. So passt denn auch das erste Fazit des Bündnisses: "Wichtig war und ist vor allem – es war ein friedlicher und kreativer Protest."

Pressestimmen zur Veranstaltung

Ausführlich berichtet die "taz" unter der Überschrift "Rock fürs Vaterland" in einem Artikel über das Festival. Auf die Gegenproteste konzentriert sich die "junge welt" in ihrem Beitrag "Protest gegen Neonazikonzert". Ähnlich berichtet auch der Artikel von "MDR Online" unter der Überschrift "Lautstarker Protest - aber keine Ausschreitungen". Auf die abgeschirmte Lage des Geländes geht der Beitrag "Neonazis bleiben isoliert" der "Mitteldeutschen Zeitung" ein. Das Bündnis "Sangerhausen bleibt bunt" schreibt in einer ersten Bilanz: "Er war bunt und er war breit – der Protest, oder besser die Proteste, die das Bündnis 'Sangerhausen bleibt bunt' auf die Beine gestellt hat."

Mehr zum Thema:

"Von Nazis für Nazis": Die größte rechte Veranstaltung in Sachsen-Anhalt - Vorab-Interview mit Stefan Vogt (netz-gegen-nazis.de)

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