Von Olga Wendtke
Die Nachricht aus Belgien ging vor einer Woche durch sämtliche Medien: Die rechtsgerichtete Partei "Vlaams Belang" hat im Internet eine „Meldestelle“ zu Denunzierung von Ausländer*innen eingerichtet. Mit einem Online-Formular können Menschen „gemeldet“ werden, die sich „illegal“ in Belgien aufhalten, gegen das Asylrecht verstoßen oder Straftaten begangen haben. Ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl folgte sie damit einer Idee der rechtsgerichteten niederländischen Partei "PVV". Deren Vorsitzender, Geert Wilders, rief im Februar dazu auf, Störungen durch Bürger*innen aus osteuropäischen Staaten zu melden. Diese Aktion war in den Niederlanden sowie im Europaparlament heftig kritisiert worden.
"Kopfgeld" für erfolgreiche Meldungen erinnert an Nazimethoden
Jetzt möchte auch die NPD in Nordrhein- Westfalen (NRW) mit einer solchen rassistischen "Meldestelle" Aufmerksamkeit auf sich ziehen und das Internet zur Stimmungsmache nutzen. Kurz vor der vorgezogenen Wahl im Mai in NRW versucht sie, auf Stimmenfang zugehen. Neben einer neuen optischen Veränderung ihrer "Weltnetzseite" soll in Zukunft auch ein „Meldeformular“ installiert werden. Claus Cremer, der den Landesvorsitz in NRW innehält, führt seine Motivation auf der Website konkreter aus. Er kann angeblich von mehreren Situationen berichten, in dem sich Anrufer in der Parteizentrale melden, die sich sicher sind, „daß der luxuriöse Lebensstil des ihm bekannten Ausländers nur durch Schwarzarbeit erwirtschaftet werden kann.“ Cremer erregt sich: „ Hier ist der Bürger nun gefragt konkreter zu werden, also Fakten zu sammeln und an unsere Meldestelle weiterzuleiten. Wir werden alle uns glaubwürdig vorkommenden Erkenntnisse an die Behörden weiterleiten.“ Eine interessante Doppelstrategie: Einerseits versucht sich die rechtsextreme NPD als „seriöse“ Institution darzustellen, die mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet. Andererseits nutzt sie die menschenverachtende Aktion, um rassistisch gegen vermeintliche „Ausländer*innen“ und ihre angeblichen "kriminellen Machenschaften" zu hetzen. Die NPD setzt aber noch einen drauf: Sie möchte nicht nur die „Abschiebung“ der „gemeldeten“ Personen forcieren, sodern versucht, die Denunziant*innen auch noch mit einer Kopfgeldprämie zu locken. „Ob wir für jede erfolgreiche Meldung eine Art 'Kopfgeld' zahlen dürfen, wird gerade rechtlich geprüft“ wird Claus Cremer von dem NPD-NRW-Landessprecher Markus Pohl zitiert. Ab dem 22. April soll die "Meldestelle" auf der NPD-Seite heiß geschaltet werden.
Denunzianten profitieren vom Leid
Wieder einmal setzt die NPD auf das Internet für eine rassistische Stimmungsmache, die jeglicher Realität entbehrt. Das Leben von Menschen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis ist nämlich schon alles andere als luxuriös - oft sogar alles andere als menschenwürdig. Personen, die sich ohne gültige Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhalten verstoßen gegen das Asylrecht. Ihre bloße Anwesenheit in Deutschland stellt somit schon eine Straftat dar. Ohne gültige Aufenthaltserlaubnis dürfen „Illegalisierte“ nicht arbeiten, können keine*n Arzt oder Ärztin aufsuchen und keinen Mietvertrag unterschreiben. Sie leben in ständiger Angst, entdeckt zu werden. Wenn die Polizei oder Ausländerbehörde davon in Kenntnis gesetzt werden, kommen diese Personen vor der Abschiebung in ein Abschiebegefängnis. Oftmals werden Menschen in Länder „abgeschoben“, deren Sprache sie nicht einmal sprechen. Nicht selten sind sie das erste Mal in dem Land und haben dort keine Verwandten oder Freund*innen. Menschen, die sich in Deutschland um ein Asyl bewerben, sind in Sammellagern auf sehr engem Raum untergebracht. In den meisten Bundesländern dürfen Asylsuchende nicht mit Geld einkaufen gehen, sondern bekommen Essenspakete oder Gutscheine, mit denen sie nur in bestimmten Supermärkten einkaufen gehen können. Nicht selten folgt auf die Abschiebung in den meist unbekannten Ländern Hunger, Verzweiflung und Tod. Die NPD propagiert diese Praxis nicht nur - besonders die Versprechung einer Kopfgeldprämie ist menschenverachtend. Asylbewerber*innen, die in tagtäglicher Angst in Deutschland leben, werden virtuell zum Abschuss frei gegeben - mit sehr praktischen Folgen.