Die "Alternative für Deutschland" hat in Stuttgart getagt, zum ersten Bundesparteitag, seit Frauke Petry Bernd Lucke im Juli 2015 als Parteivorsitzende abgelöst hatte. Damals stand Lucke für den gemäßigt-konservativen, Petry für den rechtspopulistischen Flügel der 2013 gegründeten Partei. Symptomatisch für den AfD-Kurs: Inzwischen gilt Petry als gemäßigte und relativ isolierte Stimme, dagegen stehen starke völkische, rechtsnationale, islamfeindliche Stimmen, deren Positionen vielfach mit dem bestehenden Grundgesetz nicht mehr vereinbar sind. Hier ein kurzer Überblick, was beim Bundesparteitag 2016 beschlossen wurde.
Das "Grundsatzprogramm", das die AfD nun diskutiert und beschlossen hat, ist das erste seit Parteigründung 2013.
Islam
- "Der Islam gehört nicht zu Deutschland."
- Ein "orthodoxer Islam, der unsere Rechtsordnung nicht respektiert oder sogar bekämpft und einen Herrschaftsanspruch als allein gültige Religion erhebt", sei "mit unserer Rechtsordnung nicht vereinbar".
- Minarette und Muezzinrufe werden abgelehnt.
- Islamische Organisationen sollen keinen Körperschaftsstatus öffentlichen Rechts erlangen.
- Verbot von Burka (Ganzkörperschleier) und Niqab (Gesichtsschleier) in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Dienst.
- Das Schächten von Tieren, wie es von Juden und Muslimen praktiziert wird, soll in Deutschland komplett verboten werden; nach AfD-Empfinden sei das für die Religionsausübung nicht notwendig (Muslimische und jüdische Verbände widersprechen).
- "Der Islam" gilt der AfD als nicht aufklärbar, entsprechende Tendenzen seien "nicht realistisch und nicht wünschenswert".
- Eine Konkretisierung auf deine Ablehnung des "politischen Islam", um den es laut Aussagen einzelner AfD-Mitglieder ja eigentlich gehen solle, wurde abgelehnt.
Einwanderung/Strafrecht
- "Ungeregelte Asylzuwanderung schadet Deutschland"
- Zuzug von Flüchtlingen soll gestoppt werden.
- Entscheidungen über Asylanträge "in den Herkunftsregionen"
- Grenzzäune
- Nur knapp wurde eine Formulierung abgelehnt, "Einwanderung, insbesondere aus fremden Kulturbereichen", sei grundsätzlich abzulehnen
- "Willkommen" seien "qualifizierte Einwanderer mit hoher Integrationsbereitschaft".
- Erleichterung der Ausweisung straffälliger Ausländer
- Strafmündigkeit ab 12 Jahre
Verhältnis zur EU
- Die AfD spricht vom "Europa der Vaterländer" - ein Duktus, wie ihn die "Neue Rechte" als Ethnopluralismus führt
- EU als politisches Bündnis abschaffen
- zumindest Reform der EU, zurück zu mehr Souveränität von Nationalstaaten
- nur eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (wie zuvor EWG)
- Euro abschaffen
- Volksabstimmung über Verbleib Deutschlands in der Euro-Zone
- Türkei soll kein EU-Mitglied werden
- Reform
Wahlen und Parteiensystem
- Mehr Volksabstimmungen, Vorbild Schweiz
- Bundespräsident soll direkt gewählt werden
- Abgeordnete sollen maximal vier Legislaturperioden regieren (Ausnahme: Direktkandidaten)
Familienpolitik
- Bekenntnis zur traditionellen Familie ("Vater, Mutter, Kinder") als Leitbild
- Krippenbetreuung und häusliche Erziehung sollen gleichberechtigt sein
- Kritik an Gleichstellungspolitik, Geschlechterquoten, "falsch verstandenem Feminismus"
- Förderung von Mehrkindfamilien
- Zahl von Abtreibungen sollen sinken - durch härtere Beratungsgespräche
Wirtschafts-/Steuerpolitik
- Steuerrecht vereinfachen, damit Mittel- und Geringverdiener entlasten
- Erbschaftssteuer abschaffen
- Gewerbesteuer überrüfen
- Mindestlohn beibehalten
Medienpolitik
Öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Rundfunkbeitrag abschaffen
Umweltpolitik
- Atomausstieg zurücknehmen
- AKW-Laufzeiten verlängern
- Gefahr durch CO₂ ist "Propaganda"
- Fracking erforschen
Verteidigungspolitik
- Wehrpflicht wird wieder eingeführt
- Nato-Mitgliedschaft ja, aber deutsche Interessen sollen mehr berücksichtigt werden
Online ist bisher nur der Entwurf zum Bundesparteitag:
Jetzt (01.06.2016) gibt es auch das offizielle Grundsatzprogramm:
Was ist die AfD denn nun?
Wieder einmal gibt es in der Berichterstattung viele Adjektive, mit denen die AfD belegt wird. Ihre Flügel werden als konservativ-liberal oder national-konservativ bezeichnet, AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry sprach in einem stern-Interview von "nationalkonservativ-sozial". Politikwissenschaftler_innen sprechen von "wertkonservativ" gegen "nationalkonservativ", was bis in völkisch-rassistische Argumentationen reichen kann. Rechtspopulistisch ist vor allem die Form, in die Argumente gegossen werden. Offenkundig ist nach diesem Bundesparteitag: In der AfD gibt es weiterhin verschiedene Strömungen, nur gewinnen die Rechtsaußen-Argumentationen mit Anknüpfungspunkte an rechtsextreme Ideologie zunehmend an Gewicht.
Lesenswerte Artikel zum AfD-Bundesparteitag 2016
- Petrys Macht schwindet (Süddeutsche Zeitung)
- Umfrage beim AfD-Parteitag: Ist die Partei rechts? (Video, Spiegel Online)
- Die Sprache der AfD (Deutschlandfunk)
- Parteitag in Stuttgart: AfD stimmt für Verbot des Schächtens (Huffington Post)
- "Die AfD verlässt den Boden des Grundgesetzes" (Die ZEIT)
- AfD spricht Islam Fähigkeit zur Aufklärung ab (Die ZEIT)