Presseschau ... 21.12.2016

+++ Schwedt: Messerangriff auf Geflüchteten am helllichten Tag +++ Altötting (Bayern): Flüchtling angepöbelt, geschlagen und aufs Gleis geschubst +++ Baden-Württemberg: Neonazi ruft in Postkarten zu Mord an Muslimen auf +++

 

Schwedt: Messerangriff auf Geflüchteten am helllichten Tag

Am vergangenen Freitag, dem 16. Dezember 2016 ist in Schwedt (Brandenburg) ein 24-jähriger Mann aus Afghanistan mit einem messerähnlichen Gegenstand attackiert worden. Der in Angermünde lebende Flüchtling war an diesem Tag auf dem Weg zu seinem Praktikumsplatz, als er von einem Unbekannten angesprochen wurde, woher er stamme. Als dieser wahrheitsgemäß antwortete, sei von dem Täter ein messerähnlicher Gegenstand gezogen worden sein. Damit griff er das Opfer an, das aber unverletzt blieb. Allerdings wurde dabei die Jacke beschädigt. Als sich Zeugen der Szene näherten, flüchtete der Angreifer.

 

Altötting (Bayern): Flüchtling angepöbelt, geschlagen und aufs Gleis geschubst

Am vergangenen Samstag Abend pöbelte ein betrunkener 30-jähriger Mann aus Mühldorf am Bahnsteig des Bahnhofs von Altötting (Bayern) vier Flüchtlinge aus Somalia (19 beziehungsweise 20 Jahre alt) an. Der 30-jährige beleidigte die Gruppe, gab einem 19-Jährigen eine Ohrfeige und stieß ihn so, dass er auf die Gleise fiel. Der 19-jährige wurde dabei leicht verletzt. Die Polizei nahm den 30-jährigen Angreifer fest.

 

Baden-Württemberg: Neonazi ruft in Postkarten zu Mord an Muslimen auf

Was am Montag im Briefkasten der Gewerkschaft IG Metall in Aalen (Baden-Württemberg) gelandet ist, ist menschenverachtend. Der Vorsitzende Roland Hamm zeigt die Postkarte, ein mit Naziparolen beschmiertes Foto aus dem Konzentrationslager in Dachau. Der Schreiber der Postkarte, der sich zur „alemannischen Verteidigungsarmee“ fordert: „Hängt die Moslems an den nächsten Baum, lasst sie dort verfaulen, das ist der Volkstraum.“ Gegen den Absender will er wegen Volksverhetzung Anzeige bei der Polizei erstatten.

 

Aggressive Stimmung bei Mahnwache in Dresden – Pegida, „Ein Prozent“ und „Identitäre“

Die Hintergründe des Attentats in Berlin sind noch nicht geklärt, da rufen in Dresden rechte Gruppierungen zu einer Mahnwache auf. Unter ihnen bekannte Namen wie Pegida-Vize Siegfried Däbritz und Mitbegründer René Jahn sowie sogenannte Identitäre und Vertreter der Ein-Prozent-Bewegung. Die Stimmung ist aufgeheizt, wie der Reporter am eigenen Leib zu spüren bekommt.

 

Antisemitismus und Holocaust-Leugnung: Schwere Anschuldigungen gegen bayrischen AfD-Kreisvorstand

 Die Vorwürfe sind gravierend: Nach Darstellung des Ex-Kreisvorsitzenden der Alternative für Deutschland in Bad Tölz, Mario Buchner, soll ein Antisemit und Holocaust-Leugner im Kreisvorstand der AfD sitzen – mit Wissen der Parteiführung. Die Person habe sich antisemitisch geäußert, den Holocaust geleugnet und dazu aufgefordert, eine Asylbewerberunterkunft unter Wasser oder in Brand zu setzen. Dem Bezirks- und Landesvorstand wirft Buchner Untätigkeit vor. Der Kreisvorstand weist die Anschuldigungen als „haltlos“ zurück.

 

Landtag Rheinland-Pfalz nimmt Fraktionsmitteilungen vom Netz – wegen AfD-Meldungen

Der rheinland-pfälzische Landtag wird auf seiner Seite keine Mitteilungen der einzelnen Fraktionen mehr vertreiben. Grund dafür sind nach Angaben von Landtagspräsident Hering einige offenbar fragwürdige Meldungen der AfD. Es habe vonseiten der AfD Erklärungen gegeben, "bei denen man Fragezeichen machen muss, ob sie strafrechtlich relevant sein könnten", sagte Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) am Dienstag in Mainz. Es gehe konkret um die Meldungen mit den Titeln  "Dreyer missbraucht Amt als Bundesratspräsidentin und verrät das deutsche Volk" und "Maas wollte Kindesmissbrauch legalisieren".

 

Piattos Handy

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages hat weitere Unterlagen des Landesverfassungsschutzes zum umstrittenen Brandenburger V-Mann „Piatto“ angefordert. „Wir wollen alles, was sein Handy und den Wechsel seines Handys betrifft“, sagte der Vorsitzende Clemens Binninger (CDU) in einer Anhörung im Potsdamer Landtag. Dort holte sich das Brandenburger NSU-Aufklärungsgremium am Montag nämlich Rat bei anderen U-Ausschüssen zur Aufklärung der Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle. In Brandenburg steht der V-Mann Zentrum, denn von ihm gab es bereits 1998 präzise Hinweise auf ein untergetauchtes Skinhead-Trio, das Waffen besorge und Überfälle begehen wolle.

 

NSU-Prozess: Zschäpes Verteidiger verzögern Vorstellung des psychiatrischen Gutachtens

Es war ein Tiefschlag für Beate Zschäpe: Die Hauptangeklagte im Münchner NSU-Prozess zeige deutlich „antisoziale Tendenzen“ und mit einer Änderung ihres Verhaltens sei auch nach einer möglichen Haft nicht zu rechnen. Das ist ein Fazit des Gerichtspsychiaters Henning Saß. Sein vorläufiges Gutachten haben die Verfahrensbeteiligten seit Ende Oktober in ihren Akten. Am Dienstag sollte der renommierte Psychiater seine Ergebnisse öffentlich darlegen und erklären, warum er nach einer möglichen Haftstrafe auch noch Sicherungsverwahrung für notwendig hält. Die Verteidigung von Beate Zschäpe hat daran naturgemäß kein Interesse. Und sie kämpft.

Sechs Personen aus dem Thüringer NSU-Unterstützer-Umfeld nahmen als Zuschauer ebenfalls an dem Prozess teil – teils im Thor-Steinar-Szene-Look beanspruchten sie Plätze im Journalistenblock. Offenbar wollten sie den Zeitungsleuten beim Mitschreiben in dem in die Schlussphase tretenden Prozess auf die Finger sehen. Unter diesen Neonazis befand sich der Altenburger Rechtsextremist Thomas G., dem ebenfalls Kontakte zu Zschäpe nachgesagt werden.

 

Reichsbürger-Rentnerpaar (73, 74) hatte ganzes Waffenarsenal in seiner Wohnung

Ein älteres Ehepaar aus Witten (Nordrhein-Westfalen) hatte 22 Waffen in seiner Wohnung. Beide Rentner sind Sportschützen und hatten bis dato eine Waffenerlaubnis. Weil sie sich selbst gegenüber einer Behörde als „Reichsbürger“ bezeichneten, hat die Polizei die Erlaubnis zum Waffenbesitz widerrufen und beschlagnahmte nun die Waffen.

 

Zwickau: Anklage gegen zwei „Reichsbürger“ wegen Betrug und Waffenrazzia bei Drittem

Die Staatsanwaltschaft Zwickau hat gegen eine inzwischen republikweit bekannte, selbst ernannte Reichsbürgerin Anklage wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen erhoben. Die Frau und ihr Lebensgefährte haben finanzielle Forderungen an Behörden verschickt und sich dessen auch vor laufender Kamera gerühmt. Birgit T. wird beschuldigt, gegenüber einer Rechtspflegerin und einer Gerichtsvollzieherin Schadenersatzforderungen in Höhe von 60 beziehungsweise 130 Millionen Euro geltend gemacht zu haben.
Bei einem weiteren mutmaßlichen Reichsbürger im Vogtland hat die Polizei am Montag Waffen und Munition beschlagnahmt. Es handle sich bei ihm um einen mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestraften Beschuldigten.

 

Arnsdorf: Anklage nach brutalem Übergriff auf Asylbewerber

Rund sieben Monate nach dem gewaltsamen Übergriff auf einen irakischen Asylbewerber im sächsischen Arnsdorf ist Anklage gegen vier Männer erhoben worden. Den Beschuldigten im Alter zwischen 29 und 56 Jahren wird Freiheitsberaubung vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft Görlitz am Dienstag mitteilte. Sie sollen den Iraker im Mai aus einem Supermarkt gezerrt und mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt haben. Von dem Vorfall am 21. Mai kursierte ein Video in sozialen Onlinenetzwerken.

 

AfD, Pegida und Identitäre mobilisieren heute zu Kundgebung vor Kanzleramt

Keine 48 Stunden nach dem Anschlag in Berlin mobilisieren für den heutigen Abend Rechte zu zwei Aktionen in Berlin, teils nur wenige Hundert Meter vom Breitscheidplatz entfernt. Dort mobilisieren Rechtsextreme zu einer Demonstration, auch die NPD ruft dazu auf. Vor das Kanzleramt wollen zeitgleich mehrere AfD-Politiker ziehen, darunter Björn Höcke und Alexander Gauland, Unterstützung kommt von den Identitären und Pegida.

Die AfD-Hardliner Gauland und Höcke wollen nach dem Weihnachtsmarkt-Anschlag eine Mahnwache abhalten - "im Gedenken an die vielen Opfer". Die antifaschistische Szene in Berlin hat wiederum zum Gegenprotest aufgerufen. Das "Berliner Bündnis gegen Rechts" plant am Mittwoch für 17 Uhr ebenfalls eine Kundgebung am Hardenbergplatz.

 

Pegida München: Eng vernetzt mit Rechtsextremen

Die enge Vernetzung von Pegida München mit der rechtsradikalen Szene tritt nach Ansicht der Stadt immer deutlicher zutage. Alleine die jüngsten Montags-Kundgebungen belegten diese Tendenz eindeutig, sagte ein Sprecher des Kreisverwaltungsreferats (KVR). Anfang dieser Woche sei als Redner der wegen Volksverhetzung verurteilte Neonazi Philipp Hasselbach aufgetreten. In der Woche davor hatte die Polizei einen antisemitischen Zeichentrick-Film gestoppt, der auf einer Großleinwand Adolf Hitler in Israel zeigte.

 

NPD will an Silvester am Kölner Hauptbahnhof demonstrieren

Die NPD will in der Silvesternacht neben dem Kölner Dom demonstrieren. Eine Privatperson habe für die NPD eine Demo zwischen 22 Uhr und 4 Uhr auf der Domplatte neben dem Eingang zum Hauptbahnhof angemeldet, teilte die Kölner Polizei am Dienstag auf Anfrage mit.

 

Thüringen will Demos an historisch sensiblen Tagen einschränken – Gesetz geplant

In Thüringen sind in diesem Jahr - noch intensiver als in Vorjahren - geschichtlich sensible Tage von rechtsextremen Gruppen genutzt worden. So versammelten sich etwa am 9. November, dem Jahrestag der Pogrome gegen jüdische Einrichtungen und Geschäfte 1938, rechtsextreme Anhänger des „Thügida“-Bündnisses, um in Jena mit Fackeln zu demonstrieren. Das Kabinett hat am Dienstag den Gesetzentwurf zur Änderung des Versammlungsrechts im ersten Durchgang gebilligt. Mit dem Gesetz wolle die Landesregierung zum Ausdruck bringen, dass sie gewillt sei, die historisch sensiblen Tage und Orte besonders zu schützen.

 

Hochkonjunktur für Fake-News und Propaganda

Der Kampfbegriff „Lügenpresse“ gehört mittlerweile zum festen Sprachgebrauch – und dürfte auch 2017 eine gewichtige Rolle spielen. Der Markt mit Propaganda und Fake News boomt in Deutschland – und lockt zum Bundestagswahlkampf neue Anbieter an.

 

Reaktionen auf Berlin-Attentat: „Nationalistische Idioten wollen simple Lösungen“

Während Deutschland trauert, warnen Politiker in Asien vor Fremdenhass und dem Schließen der Grenzen. Sie fordern mehr statt weniger Entwicklungshilfe

 

Kommentar zu dem Anschlag in Berlin: Deutschland ist nicht im Krieg

Am Breitscheidplatz hat ein Mörder gewütet, kein Gotteskrieger, Freiheitskämpfer oder Widerständler gegen das System. Wer dennoch vom "Kriegszustand" faselt, der folgt der Logik der Terroristen.

 

Patriotismus in Bronze: 100 Jahre „Dem Deutschen Volke“

Vor 100 Jahren wurde am Reichstag die Inschrift „Dem Deutschen Volke“ angeschraubt. Der Kaiser hatte das lange verhindert.

 

Fake News: „Alles hinterfragen!"

Facebook plant, Falschmeldungen mit Fact-Checking-Organisationen zu bekämpfen. Das Online-Magazin Slate hat ein ähnliches Projekt gestartet: Ein neues Plug-in für Googles Webbrowser Chrome namens "This Is Fake"verlinkt fragwürdige Geschichten direkt mit einem Artikel einer seriösen Quelle. Ein deutsches Onlineportal widerlegt Gerüchte bereits seit Februar. Ein Gespräch mit der Gründerin von „Hoaxmap“, Karolin Schwarz.

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