“Juden raus”-Rufe bei Landesligaspielen in Sachsen-Anhalt, “nationale Fußballturniere” mit Pokalverleihung und “Hooligans-Nazis-Rassisten"-Schlachtrufe bei Freefight und Box-Kämpfen. Längst ist der Rechtsextremismus im Sport angekommen. Sport gehört genauso zur rechtsextremen Erlebniswelt wie Aufmärsche, Parteiveranstaltungen oder Rechtsrock-Konzerte.
Indem Neonazis sich im Sport engagieren, versuchen sie sich nicht nur Sympathien in der örtlichen Kommune zu erarbeiten und als „ordentliche, deutsche Jugendliche“ zu geben, sondern auch, ihre rassistische und menschenfeindliche Ideologie als eine „ganz normale“ Meinung unter vielen zu präsentieren. Diese Intention ist Teil einer offensiven Normalisierungsstrategie der extremen Rechten.
Schwerpunkt Fußball
Bei Fußball und Rechtsextremismus denken Fans vielleicht an die Kampagne der NPD gegen Spieler der Fußballnationalelf mit schwarzer Hautfarbe während der Weltmeisterschaft 2006. Für einen NPD-WM-Planer, auf dessen Titelbild der Bremer Nationalspieler Patrick Owomoyela rassistisch beleidigt wird ("Weiß - Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte National-Mannschaft"), wurde der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt und NPD-Pressesprecher Klaus Beier im April 2009 wegen Beleidigung und Volksverhetzung zu Freiheitsstrafen von jeweils sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Frank Schwerdt, Leiter der NPD-Rechtsabteilung, bekam eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung. Außerdem musste jeder noch 2.000 Euro Geldstrafe zahlen. Erwartbar hat das an den Einstellungen wenig geändert: Im September 2009 beleidigte etwa Klaus Beier vor laufender Kamera Nationalspieler Mesut Özil rassistisch, u.a. als "Plaste-Deutschen".
Doch die NPD-Strategen haben sich seit einiger Zeit davon verabschiedet, unter Fans in Bundesligavereinen ernsthaft zu rekrutieren. In einem Bericht des WDR Magazins “sport inside” sagte wiederum NPD-Pressesprecher Klaus Beier: "Was sollen wir auf Schalke? Bei deren Fanarbeit bekommen wir ohnehin kein Bein auf den Boden." Im Visier der NPD und neonazistischer Kameradschaften sind stattdessen Amateurvereine sowie die Fanblöcke bei Regional- und Oberligaspielen. Und dort, wo die rechtsextreme Szene besonders gut organisiert ist, werden schon seit Jahren eigene, “nationale Fußballturniere“ ausgetragen.
In Mecklenburg-Vorpommern gehören “nationale Fußballturniere” seit Jahren zum Alltag. Zum Beispiel in Ueckermünde, wo sich im Sommer 2004 über 200 extrem rechte Zuschauer und 17 Teams aus der Region, aber auch aus Berlin und Neubrandenburg ungestört auf dem Platz des örtlichen Sportvereins austoben konnten. Die Sieger posierten am Ende mit den T-Shirts der Anti-Wehrmachtsausstellung und der rechtsextremen Botschaft "Opa war in Ordnung" fürs Gruppenfoto. Oder in Brandenburg, wo der Stützpunkt Oranienburg der “Jungen Nationaldemokraten“ (JN) zum Anti-Kriegstag am 1. September 2006 gemeinsam mit “Freien Kräften” ein „in erster Linie gegen die imperialistische Kriegspolitik der USA“ gerichtetes Fußballturnier mit sechs Teams und rund 50 Teilnehmern ausrichtete. Die Hemmschwelle für eher unpolitische Jugendliche, auf persönliche Einladungen hin zu derartigen Events zu kommen ist viel geringer als bei “Kameradschaftsabenden” oder illegalen Konzerten.
Dass Rechtsextremisten die örtlichen Sportplätze oder –hallen erhalten, kommt des öfteren vor. Schließlich spielen sie in Amateurligavereinen mit und sind in Fanclubs aktiv. In Gegenden, in denen Jugendkulturen durch die extreme Rechte geprägt sind, nimmt kaum jemand mehr daran Anstoß. “Wo Rechtssein zur Norm geworden ist und alle anderen als Minderheit gelten, muss sich das natürlich auch im Sport bemerkbar machen,” sagt Thorsten Hahnel von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V. in Sachsen-Anhalt. Und wenn offene Hakenkreuz-Tätowierungen doch einmal Anstoß erregen – zum Beispiel bei Auswärtsspielen -, werden sie eben schnell abgeklebt.
Eigene Vereine
Inzwischen gründen NPD-Funktionäre und “Kameradschaftsaktivisten“ auch gleich eigene Sport-Vereine, mit denen sie dann in die Mitte der kommunalen Sportszene drängen. Im thüringischen Hildburghausen beispielsweise rief der NPD-Kreisvorsitzende Tommy Frenck im Sommer 2007 mit anderen Gleichgesinnten die “Sportgemeinschaft Germania Hildburgshausen e.V.” ins Leben. Mittlerweile liegt dem Thüringischen Sportbund sogar ein offizieller Aufnahmeantrag des rechtsextremen Sportvereins vor. Bislang hatten Neonazis hier am Wochenende lediglich organisiert Fußball gespielt. Jetzt wollen sie auch im Handball und Volleyball mitmischen.
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