Soziale Frage und Sozialarbeit der Rechtsextremen

Seit Mitte der 1990-er Jahre betont die NPD die so genannte “soziale Frage” in ihren öffentlichen Auftritten und im Parteiprogramm und durch eigene Kampagnen. Im völkischen Weltbild der Rechtsextremisten wird die “soziale Frage” dabei immer mit rassistischen und fremdenfeindlichen Forderungen verbunden.

Ziel ist es, Anschluss an die gesellschaftlichen Proteste im Bereich Sozial- und Wirtschaftspolitik zu finden und sich als vermeintlicher Interessensvertreter der so genannten “kleinen Leute” darzustellen.

Wahlkampf-Propaganda

Im Vorfeld ihrer Mobilisierung zur bundesweiten Großdemonstration am 1. Mai in Nürnberg legte die NPD eine bundesweite Kampagne unter dem Motto "Sozial geht nur national" auf. Die Kampagne ist offenbar auch Teil des Wahlkampfes zu den Kommunalwahlen in Brandenburg im Herbst 2008 und den Landtagswahlen in Bayern im Sommer 2008 sowie in Brandenburg, Sachsen und Thüringen in 2009. In entsprechenden Erklärungen fordern NPD-Funktionäre neben der Abschaffung der so genannten Hartz IV-Reformen auch gleich Mindestlöhne von 8,80 Euro pro Stunde. Wie sich die NPD den Umgang mit Arbeitslosen vorstellt, konnte man schon im Jahr 2000 in einem programmatischen Artikel unter der Überschrift “Arbeitspflicht als Gemeinschaftswerk” in der Parteizeitung “Deutsche Stimme” nachlesen. Hier heißt es unter anderem: „Wer über Angebot und Nachfrage des freien Arbeitsmarktes keine Stelle bekommt, sollte vom Staat zur gemeinnützigen Arbeit verpflichtet werden.“ Konkret heißt das zwangsweise Arbeitspflicht und Arbeitsdienst. Die Nähe zum Programm und zur Politik der NSDAP ist hier unübersehbar.

Ebenfalls Teil des rechtsextremen Forderungskatalogs: Die Einführung eines sozialversicherungspflichtiges Müttergehalts von 1 000 Euro netto "für deutsche Mütter". Und eine Erhöhung des Kindergelds "für Deutsche" auf 500 Euro monatlich. Ginge es nach der NPD, würde Migranten von diesen und anderen Sozialleistungen komplett ausgeschlossen. Ohnehin strebt die Partei ihre “Rückführung” in die realen oder vermeintlichen Herkunftsländer an.

Bürgerbüros und Hartz IV-Beratungen

Seit dem Einzug der NPD in die Landtage von Dresden und Schwerin propagiert die Parteiführung zudem die Einrichtung so genannter “Bürgerbüros” durch die Landtagsabgeordneten und deren Mitarbeiter in den Wahlkreisen. Hier sollen, wie beispielsweise im mecklenburgischen Ludwigslust oder im vorpommerschen Anklam, sozial benachteiligte Bürger Hilfe erhalten, verspricht die Partei, Inwieweit dies im Einzelfall tatsächlich geschieht, wie fundiert diese “Beratung” ist oder ob es sich lediglich um vollmundige Versprechungen handelt, ist nicht immer leicht zu durchschauen. Wie beispielsweise bei der Ankündigung einer „Hartz IV Beratung“ im Stralsunder Szene-Laden „Sonnenbanner“.

Auch der NPD-Kreisverband Niederschlesien–Oberlausitz bietet in Görlitz seit Anfang März 2008 jeden Freitag ab 18.30 Uhr so genannte "Hartz IV-Sprechtage" mit einem “Erfahrungsaustausch von Betroffenen” an. Eine halbe Stunde später findet dann in den gleichen Räumlichkeiten der “politische Gesprächskreis” der Partei statt. Als Als Kontaktmöglichkeit wird die Handynummer von Torsten Hiekisch angegeben, Mitarbeiter der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Auch der NPD Landesverband Saarland hat eine wöchentliche Hartz-IV-Beratung sowie eine Bürgersprechstunde an Sonntagen angekündigt.

Unterwanderung von Protestbewegungen

Dass Protestbewegungen zu sozialen Fragen durch die offensive Unterwanderung und Beteiligung von Neonazis inzwischen erheblich unter Druck geraten können, zeigte sich während der so genannten „Montagsdemonstrationen“ gegen die „Hartz IV-Reformen“ im Jahr 2004. Neonazis kamen sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern offensiv zu Kundgebungen und Demonstrationen.

In den meisten Städten gelang es Gewerkschaften und den veranstaltenden Bündnissen, nach dem ersten Schock die ungebetenen Teilnehmer durch entschlossenes Auftreten und Absprachen mit Polizei und Ordnungsamt wieder los zu werden. Aber vor allem in ostdeutschen Städten wie Magdeburg oder Schönebeck konnten Neonazi-Kameradschaften ihre Teilnahme an den Protesten durchsetzen. In Köthen (Sachsen-Anhalt) gelang es den Republikanern sogar, sich als Anführer der dortigen Montagsdemonstration durchzusetzen.

Sozialarbeit

Neben dem Versuch, die „soziale Frage“ rechtsextrem zu besetzen, wiederholt sich derzeit ein Trend, der schon in den 1990er Jahre für Aufsehen sorgte. Beispielsweise, als sich herausstellte, dass einer der führenden Aktivisten der mittlerweile verbotenenen Kameradschaft „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS), Thomas Sattelberg, jahrelang unbehelligt als Sozialarbeiter bei der Arbeiterwohlfahrt in Pirna arbeiten konnte. Neonazi-Aktivisten und Aktivistinnen drängen derzeit verstärkt in Erzieherinnen-Ausbildungen sowie in Studiengänge der Sozialpädagogik und Pädagogik. Sie stellen damit nicht nur die Lehrenden vor bislang unbekannte Probleme – wie beispielsweise im Fall eines Aktivisten der hessischen Kameradschaft „Schwarze Division“, der an der Fachhochschule Frankfurt Sozialpädagogik studierte. Diese Entwicklung verlangt auch erhöhte Wachsamkeit von Wohlfahrtsverbänden und anderen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe.

Zum Thema

| Wie sozial ist die NPD wirklich? Ein Artikel von Gideon Botsch und Christoph Vogel

| Sozialarbeit: Ein Neonazi an der FH Frankfurt am Main

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