Presseschau...20.06.2016

+++Berlin: Frau reißt 13-Jähriger Kopftuch herunter +++ Wunstorf: Böller explodiert an Geflüchteten-Wohnung +++ Freital: Wieder Drohungen gegen Linken-Stadtrat +++ Bremen: Bewaffnete Rechte ziehen mit Fackeln über Uni-Campus +++ „Migration ist Völkermord“: Rechtsextreme entrollen Banner am Elbufer in Pirna +++ Verdacht auf Rassismus bei Polizisten in Grimma +++

 

Berlin: Frau reißt 13-Jähriger Kopftuch herunter

Eine Unbekannte beleidigte eine 13-Jährige am Sonnabend rassistisch in Berlin-Haselhorst. Den Aussagen des Mädchens und ihrer 14-jährigen Freundin zufolge soll sie eine unbekannte Frau auf der Rolltreppe am U-Bahnhof Haselhorst erst beleidigt und ihr anschließend das Tuch vom Kopf gerissen haben. Danach verließ die Frau den U-Bahnhof. Kurz zuvor war die Rolltreppe stehen geblieben, die Frau gab den beiden Mädchen die Schuld dafür.

 

Wunstorf: Böller explodiert an Geflüchteten-Wohnung

In der Nach von Donnerstag auf Freitag, gegen 03:00 Uhr, haben Unbekannte einen sogenannten "Polenböller" an dem Fenster einer von Flüchtlingen bewohnten Wohnung eines Mehrfamilienhauses in Wunstorf (Noiedersachsen) gezündet. Verletzte hat es nicht gegeben. Bisherigen Ermittlungen zufolge hatte die fünfköpfige Familie gegen 03:00 Uhr einen lauten Knall gehört. Am Morgen stellte der 26-jährige Vater dann Beschädigungen an zwei Fenstern fest und verständigte die Stadt Wunstorf. Außerdem hatten Unbekannte Steine gegen zwei weitere Fenster der selben Wohnung geworfen, eine Scheibe ging dadurch zu Bruch. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und Sachbeschädigung eingeleitet.

 

Freital: Wieder Drohungen gegen Linken-Stadtrat

Bereits in der Nacth zu Freitag, dem 10. Juni, wurden in Freital zahlreiche Aufkleber verklebt, die Drohungen gegen den Stadtrat der Linksfraktion, Michael Richter, enthalten. Mit Hakenkreuzen, Beleidigungen und damit verbundenen Androhungen wurde dem Stadtrat, als auch anderen Antifaschisten und Flüchtlingshelfer gedroht.
Diese Sticker wurden auf die Tür seines Hauses, als auch auf das Büro der LINKEN in Freital geklebt.
Weitere Sticker mit Aufschriften wie "N.S." oder "Wir wollen keinen Islam" wurden ebenfalls in Freital in der Nacht verteilt und stammen mutmaßlich von den selben Herstellern. Der Stadtrat hat bereits in der Vergangenheit Morddrohungen erhalten. Außerdem wurde gegen sein Auto bereits ein Sprengstoffanschlag verübt.

 

Bremen: Bewaffnete Rechte ziehen mit Fackeln über Uni-Campus

Die Bremer Polizei ist am späten Sonnabend mit einem Großaufgebot gegen eine Gruppe aus der rechten Szene vorgegangen, Die Polizei rechnet sie dem Umfeld der Gruppierung "Gemeinsam stark Deutschland" zu.
Die Beamten waren nach Polizeiangaben über Notruf alarmiert worden, dass sich im Bereich des Hochschulrings etwa 30 bis 40 Vermummte angesammelt hatten. Die Personen brannten Fackeln und Pyrotechnik ab und verteilten "Fuck Antifa"-Aufkleber. "Die Personen sind skandierend durch die Straßen im Bereich der Universität Bremen gezogen", sagte eine Sprecherin der Polizei Bremen.
Es wird vermutet, dass die Gruppe sich selbst inszenierte, um die Aufnahmen anschließend ins Internet zu stellen. Mitgeführt hatten sie neben einem Banner mit der Aufschrift "Anti-Antifa" auch Sturmhauben, Quarzsandhandschuhe und Baseballschläger.
Die Polizei beendete die Versammlung mit einem großem Aufgebot. Es wurden 44 Personen in Gewahrsam genommen. Laut Polizeiangaben sind sie der rechten Szene und dem Umfeld der Gruppierung "Gemeinsam stark Deutschland" zuzuordnen, das eine Abspaltung des rechten Hooligan-Netzwerkes "Hooligans gegen Salafisten (Hogesa)" ist.

 

„Migration ist Völkermord“: Rechtsextreme entrollen Banner am Elbufer in Pirna

Jugendliche haben am Sonnabend am Rande des Stadtfestes in Pirna (Sachsen) ein Transparent mit der Aufschrift "Migration ist Völkermord" entrollt. Auf einem über Twitter verbreiteten Foto ist zu sehen, wie neben dem Banner am Elbufer Bengalos abgebrannt wurden. Auf der anderen Elbseite applaudieren über ein Dutzend meist junge Leute.
Die Aktion wurde von Mitgliedern der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" organisiert. Auf der Facebook-Seite der "JN Sächsische Schweiz-Osterzgebirge" heißt es unter anderem: "Ein 30 Meter langes Transpi, Raucheffekte und unser Lautsprecher machten den Leuten klar, was wir von dieser Asylpolitik halten." Man habe den Besuchern des Stadtfestes Pirna eine Botschaft zeigen wollen. Am Ende des Eintrags heißt es: "Wir stehen gemeinsam, für Heimat, Volk und Vaterland!".
Das entrollte Banner ist nicht der erste Vorfall in Pirna in dieser Woche. Am Donnerstag wurde ein Büro der Grünen mit Deutschlandfahnen zugehängt. Auf der Facebook-Seite der "JN" heißt es dazu: "Heute gaben Aktivisten verschiedenster Gruppen den Grünen in Pirna eine Nachhilfestunde in Sachen Patriotismus."

 

Verdacht auf Rassismus bei Polizisten in Grimma

Polizisten des Reviers in Grimma sollen sich rassistisch verhalten haben. Der Leipziger Polizeipräsident Bernd Merbitz habe eine dienstrechtliche Prüfung veranlasst, erklärte die Polizeidirektion.
Den Beamten war bei einer Kontrolle am Fahrrad eines 17-jährigen Flüchtlings aus Syrien aufgefallen, dass die Lampe nicht funktionierte. Wohl um zu verhindern, dass der Mann ohne Beleuchtung weiterfährt, ließ einer der Polizisten die Luft aus den Reifen und nahm die Ventile mit. Als der Mann am nächsten Tag seine Ventile abholen wollte, waren diese angeblich nicht aufzufinden.
Das Handeln der Beamten habe zumindest "den Anschein der Fremdenfeindlichkeit", sagte Merbitz. Er soll den Revierleiter angerufen und gesagt haben: "Wenn so etwas noch einmal passiert, brennt die Luft."

 

Rechte Morddrohungen gegen Leipzigs Polizeichef Merbitz

Seit Jahren kämpft Leipzigs Polizeichef Bernd Merbitz (60) gegen Rechtsextremismus. Die Reaktionen bleiben nicht aus. Neonazis schrecken selbst vor Morddrohungen gegen den Beamten nicht zurück. Er an, sich nicht einschüchtern zu lassen.
„Seit vielen Jahren positioniere ich mich klar gegen Rechtsextremismus. Das passt vielen nicht. Sie verbreiten Unwahrheiten, wollen mich kaputtmachen. Aber ich lasse mir nicht den Mund verbieten“, sagte Merbitz. In regelmäßigen Hassbriefen wird Merbitz als „Ratte“ beschimpft, die „in der Kläranlage oder in der Jauchegrube“ entsorgt werden müsse. Jemand kündigte an: „Gebt mir ein Gewehr, bringt mich 100 Meter an ihn ran, und die Sache ist erledigt!“
Auch Merbitz' Familie werde angefeindet: „Auf einer rechten Internet-Seite hat man unsere Adresse und das Nummernschild des Autos veröffentlicht. Den Grund dafür muss ich Ihnen nicht erklären“. Merbitz beklagte in dem Interview zudem erneut die derzeit im Land herrschende „Pogromstimmung“, die sich in Ausschreitungen gegen nationale, religiöse oder ethnische Minderheiten zeigt: „Mit nichts anderem haben wir es in Deutschland derzeit zu tun! Schon nach den Anschlägen von Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen haben wir von Pogromstimmung gesprochen. Heute ist es noch viel schlimmer!“

 

28-jährger Bundeswehrangehöriger wegen Volksverhetzung zu Geldstrafe verurteilt

Im Internet hat sich ein 28 Jahre alter Mann herabsetzend und beleidigend über Flüchtlinge ausgelassen und dazu aufgefordert, sie auf grausame Weise zu ermorden. Jetzt wurde er wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt und muss 300 Euro an einen Asylverein bezahlen.
Ein Zeitungsbericht über die Unterbringung von 200 Flüchtlingen hat den Angeklagten im Juni vergangenen Jahres so auf die Palme gebracht, dass er den menschenverachtenden Eintrag auf seinem Facebook-Account öffentlich postete. "Jawohl, ich habe das geschrieben", gab der Angeklagte, der zurzeit bei der Bundeswehr ist, zackig-militärisch zu. Von seinem Arbeitgeber hat der junge Mann wegen seines Facebook-Eintrags eine Abmahnung erhalten. Der öffentlich sichtbare Kommentar erfülle den Tatbestand der Volksverhetzung, weil er zu Straftaten aufforderte, stellte das Gericht in der Urteilsbegründung fest.

 

Reichbürger: Der „Konsul“ schwänzt den Prozess

Wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz hätte am Donnerstag der "Konsul" eines Fantasielandes vor dem Amtsgericht erscheinen müssen. Er kam aber nicht. Das Land nennt sich "Terrania", in Albershausen befinden sich "Konsulat und Botschaft". Die Terranier eint vor allem eines, ähnlich wie die sogenannten "Reichsdeutschen": Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an, explizit heißt es auf der Homepage: "Seit 1949 hat Deutschland weder Friedensvertrag noch Währungshoheit (ist also nicht souverän)." So war es auch kein Wunder, dass der Bewohner des "Konsulats" am Donnerstag zum wiederholten Mal nicht vor Gericht erschien.
Um 16.15 Uhr erklärte Amtsrichter Heiner Buchele deshalb den Einspruch des Mannes aus Albershausen für abgewiesen. Dieser hatte sich gegen einen Bußgeldbescheid des Landratsamts gewehrt, es ging um einen Verstoß gegen das Waffengesetz. Ein Polizist hatte ihm in Uhingen ein verbotenes Messer mit einer Klinge, die länger als zwölf Zentimeter ist, abgenommen. Nun muss der selbsternannte Konsul das Bußgeld bezahlen.
Der Angeklagte betreibt eine Homepage, wo er schreibt, sein Haus in Albershausen sei Konsulat und Botschaft des Fantasiestaats "Terrania". Das "Bündnis Freie Erde", wie sich Terrania auch nennt, stellt diverse Dokumente aus, unter anderem eine Art Personalausweis, genannt "Reise-Karte", eigene Kfz-Kennzeichen und eine Art Geburtsurkunde, genannt "Urkunde Leben".

 

Identitäre Luftnummer in Berlin

Am vergangenen Freitag wurde ein Aufmarsch von Rechtsradikalen in Berlin nach Blockaden vorzeitig beendet: Statt der erwarteten 400 erschienen lediglich 100 Teilnehmer. Ein antifaschistisches Bündnis blockierte einen Teil der Aufmarschstrecke.
Sie erscheinen an symbolisch aufgeladenen Orten, an denen sie wenig Widerstand erwarten und verschwinden genauso so schnell, wie sie gekommen sind. So lautete die Einschätzung, die die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) im Vorfeld zur „Identitären Bewegung“ veröffentlichte. So kam es dann auch, als sich die völkische Gruppierung unter der Parole „Aufstand gegen das Unrecht“ zu ihrem Aufmarsch gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung am Freitagabend am Bahnhof Friedrichstraße traf. Statt der im Vorfeld angekündigten 400 Teilnehmer waren es am Ende gerade einmal 100 Anhänger, der ursprünglich aus Frankreich stammenden rechtsextremen Jugendbewegung.
Aus Wien angereist, war der als Hauptredner des Abends angekündigte Martin Sellner. Der Anführer der Gruppierung in Österreich gab vor allem Durchhalteparolen aus. Auch in Wien habe man einmal klein angefangen, versuchte er die Gekommenen zu motivieren. Mehr als zaghafte „Berlin ist unsere Stadt“-Rufe vermochte er ihnen aber nicht entlocken.
„Der groß angekündigte Aufstand ist ausgeblieben“, resümierte dann auch Martina Renner (LINKE) am Rande des Aufmarsches. Die Sprecherin für antifaschistische Politik begleitete den Aufmarsch durch Berlin-Mitte.

Zwischen Parlament, Medien und Straße: Wie die »Identitären« den aktionistischen Kitt der »Neuen Rechten« bilden und dabei die völkisch-nationalistische Radikalisierung vorantreiben

 

Im Allgäu gibt es viele Neonazi-Bands

In Bayern liegen die rechtsextremen Schwerpunkte eher im Münchner Raum und im Fränkischen. Aber auch das Allgäu habe durchaus seine Nazis, heißt es aus Kreisen des Verfassungsschutzes. Im Bereich von braunen Musikgruppen ist der idyllische Landstrich sogar eine Art Hochburg.
Neun solcher Gruppen gibt es im Freistaat. Allein drei davon sind im Allgäu daheim: Faustrecht in Mindelheim, Codex frei in Kempten und Hard as Nails. Bei letzterer Gruppe gibt es keine konkrete Ortsangabe. Eine weitere Skinhead-Band existiert etwas nördlich des Allgäus in Neu-Ulm. Sie nennt sich Natural born haters. In Wolfertschwenden im Unterallgäu sitzt ein rechtsextremer Versandhandel. Sein Name: Oldschool Records. Vor allem entsprechende Musik und Kleidung sind zu bekommen.

 

Peter Ohlendorf über Nazis in Hildburghausen: Wir müssen uns vor Ort klar positionieren

Ereignisse wie jüngst in Hildburghausen nennt Filmemacher Peter Ohlendorf ein Warnzeichen. „Da kommen 3000 Nazis und dürfen feiern.“ Ohlendorf ist der Meinung, „dass wir uns vor Ort klar positionieren müssen“. "Die Nazis suchen zunehmend den öffentlichen Raum, weil sie eine gewisse Akzeptanz in der Bevölkerung vor­aussetzen", so seine Einschätzung. "Es ist schwer zu akzeptieren, dass dort offenbar eine Zivilbevölkerung nicht in der Lage ist, mit eigener Kraft solchen Umtrieben entgegenzutreten." Es gab dort zwar - wie berichtet - eine Gegendemo, allerdings initiiert von einem Mann aus Eisenach.
Ohlendorf ist Filmemacher aus dem Badischen; sein Film "Blut muss fließen" aus dem Jahr 2012 hat seither viele Menschen aufgerüttelt. Es geht um die rechtsextreme Musikszene. Zu sehen sind vor allem geheime Konzerte, in die sich ein verdeckter Reporter einschlich, auch in Thüringen. In den vergangenen Jahren hat sich manches in dieser Szene weiter zugespitzt. "Wir sind immer noch ganz dicht dran".

 

Compact: Hauspost für die Wütenden

Jürgen Elsässer ist Chefredakteur, sein Magazin heißt Compact. Es positioniert sich gegen den Euro, in der Ukraine-Krise ergriff es Partei für Putin. Es enthält krude Theorien zum rechtsextremen NSU und zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York. Seit 2015 dominiert vor allem ein Thema das Heft: der Umgang mit den Flüchtlingen. Auch dafür findet Compact scharfe Zeilen. "Asylflut" oder "Merkel, die Königin der Schlepper". Anfangs verteilte Elsässer sein Heft auf den Parteitagen der AfD. Heute kann man es an fast jedem Kiosk kaufen.
Hunderttausende Deutsche haben sich in den vergangenen Jahren von den etablierten Medien abgewandt, vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, von Magazinen und Zeitungen. Sie informieren sich anderswo, vor allem im Internet. Über Seiten, die vermeintlich unabhängige Informationen versprechen. Zum Beispiel Nachrichtenportale und YouTube-Kanäle wie Kopp Online, KenFM oder RT Deutsch.
Seit das Magazin vor fünf Jahren gegründet wurde, bricht Compact nicht nur Tabus, sondern auch mit einem wichtigen Trend der deutschen Medienlandschaft: Seine Auflage sinkt nicht, sie steigt. Von null auf mittlerweile 80.000. Gut die Hälfte der Hefte wird nach Insiderangaben aus dem Verlag auch wirklich verkauft.

 

Heiko Maas: „Wir müssen reden, Leute“

Überall im Land spüre ich derzeit diese Spaltung in der Gesellschaft. Unruhe und Unsicherheit sind groß, dabei sind die Flüchtlinge eher Anlass als Ursache. Wenn wir die aktuelle Vertrauenskrise stoppen wollen, müssen wir endlich aufhören, Politiksimulation zu betreiben und Nischenthemen zu bedienen.
Finden Familien auch in Großstädten eine bezahlbare Wohnung? Gibt es genug gute Jobs, die anständig bezahlt sind? Haben wir ausreichend Kitaplätze für Alleinerziehende? Ist nach vierzig Jahren harter Arbeit meine Rente größer als die Sozialhilfe? Wie sicher sind wir vor Kriminalität und Terror? Das sind einige der Fragen, die die Menschen wirklich bewegen.
Wer diskutieren will, muss allerdings zuhören können und Widerspruch aushalten. Viele Wutbürger diskutieren nicht mehr; ihr Zorn macht sie dialogunfähig. Viele Rechtspopulisten haben mittlerweile die gezielte Provokation zur Kommunikationsstrategie erhoben. Je größer der Tabubruch, je infamer die Attacke, desto größer die Aufmerksamkeit, die sie bekommen. Im Netz gilt für den Umgang mit solchen Trollen die Devise: "Bitte nicht füttern". Aber für einen Offline-Troll wie Herrn Gauland gibt es wochenlang Schlagzeilen und TV-Präsenz zur besten Sendezeit. 
Das Internet ist ein zwiespältiger Faktor der politischen Kultur geworden. Weil der Kontakt zum Gesprächspartner fehlt, sinken Empathie und steigt die sprachliche Verrohung.

http://www.zeit.de/2016/26/streitkultur-diskussion-argumente-rechtspopulismus

 

Das Europa der Nationalisten

Am Donnerstag stimmen die Briten darüber ab, ob das Vereinigte Königreich in der europäischen Gemeinschaft bleiben soll. 1973 war Großbritannien in die damalige EWG eingetreten, nur Deutschland und Frankreich haben heute in der EU mehr Einwohner, ein Brexit wäre ein schwerer Schlag für die EU – aus wirtschaftlicher Perspektive, wie derzeit oft erwähnt wird, aber noch viel mehr aus politischer Sicht.
Die Idee eines vereinigten Europas kippt. Wer bei Europas Wählern punkten will, grenzt sich von den Nachbarn ab und setzt auf nationale Alleingänge. Wer profitiert politisch von einem möglichen Zerbrechen der EU? Vor allem die Nationalisten, die zurück wollen in eine idealisierte Vergangenheit, als kleinstaatliche Egoismen und nationale Neurosen die Tagespolitik Europas beherrschten – und den Kontinent mehr als einmal verwüsteten.
Schon vergessen scheint: Auch der Treibstoff für die Kriege im ehemaligen Jugoslawien war vor allem eine gezielte ethnonationale Mobilisierung. Aktuell ist es der russische Nationalismus, der in der Ukraine tobt. Aber auch in der Ukraine selbst kämpfen wiederum Rechtsextreme gegen Russland.

 

Innenministerkonferenz: Bitte nicht rempeln

Die Länder wollen die Gewalt gegen Polizisten künftig schärfer ahnden. Doch nehmen diese Taten wirklich zu und werden immer schlimmer? Die Statistik bietet da erstaunliche Aufschlüsse.
Die Aggressivität gegen Polizisten nehme zu, so liest und hört man immer wieder. Beamten würden immer häufiger bespuckt, getreten, geschlagen. Um sich vor die Polizisten zu stellen, präsentierte die Konferenz der deutschen Innenminister am Freitag eine gemeinsame Initiative für eine Verschärfung des Strafrechts - was zwar zunächst nur ein Vorschlag ist, gerichtet an den Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), aber auch ein bemerkenswerter Erfolg der Polizeigewerkschaften, die seit Jahren stets dasselbe wiederholt haben: Die Gewalt nehme zu. Die Polizei sei zum Prügelknaben der Nation geworden.
Die Politik schaue weg. Schon einmal, 2009, forderte die Innenministerkonferenz daraufhin, dass man den Tatbestand des "Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte" (Paragraf 113 Strafgesetzbuch) verschärfe; damals mit Erfolg. Nun legt sie nach. Die Minister, die sich im Saarland trafen, wollen den Paragrafen zugleich weiter verschärfen und ausweiten. Verschärfen, indem eine Mindeststrafe von sechs Monaten eingeführt wird. Das klingt nach wenig, wäre aber viel - denn der Begriff des "Widerstands" umfasst nicht nur Gewalt, sondern auch alles mögliche andere, was Polizisten die Arbeit erschwert, vom lautlosen Sitzenbleiben über das Gegen-die-Laufrichtung-Stemmen. Für all das gäbe es sechs Monate Haft Minimum, wenn der Innenminister-Vorschlag Gesetz würde.

 

Bundesweite Aktion gegen Rassismus: Zehntausende bilden Menschenketten

In mehreren deutschen Städten haben sich Zehntausende Demonstranten unter dem Motto "Hand in Hand gegen Rassismus" an Menschenketten beteiligt. Organisiert wurde die Aktion von einem breiten Bündnis aus Verbänden und Organisationen. Insgesamt nahmen rund 40.000 Menschen teil.
Vor dem internationalen Gedenktag für Flüchtlinge haben sich am Wochenende Zehntausende Demonstranten in mehreren deutschen Großstädten an Menschenketten beteiligt. Die Aktionen fanden am Samstag in Bochum und am Sonntag in Berlin, Leipzig und München statt. Den Abschluss bildete eine Kundgebung in Hamburg.
In Berlin, Bochum, Leipzig und München verbanden nach Angaben der Veranstalter mehr als 33.000 Demonstranten in langen Ketten kirchliche und soziale Einrichtungen. Bundesweit kamen an diesem Wochenende rund 40.000 Menschen zu den "Hand in Hand"-Aktionen. Allein in Berlin bildeten 9000 Menschen eine knapp sieben Kilometer lange Menschenkette vom Stadtteil Kreuzberg bis zum Roten Rathaus.

 

Gewalt gegen LGBTI-Demo in Istanbul

Die türkische Polizei ist am Sonntag gewaltsam gegen Teilnehmer einer Demonstration für die Rechte Homosexueller vorgegangen. Die Beamten setzten in Istanbul nach Angaben eines AFP-Fotografen Gummigeschosse und Tränengas ein, um die Kundgebung aufzulösen.
An der Demonstration in der Nähe des Taksim-Platzes im Zentrum der Millionenmetropole nahmen etwa 50 Menschen teil. Sie sahen sich einem Sicherheitsaufgebot von mehreren hundert Spezialkräften gegenüber.

 

Auschwitz-Wachmann zu fünf Jahren Haft verurteilt

Das Landgericht Detmold hat einen früheren SS-Wachmann im Konzentrationslager Auschwitz zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sprach den 94 Jahre alten Reinhold Hanning der Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen schuldig. „Sie waren knapp zweieinhalb Jahre in Auschwitz und haben damit den Massenmord befördert“, sagte Richterin Anke Grudda zu Beginn der Urteilsbegründung.
Der Angeklagte hatte im Prozess zugegeben, Mitglied der SS-Wachmannschaft in Auschwitz gewesen zu sein und vom Massenmord gewusst zu haben. Die Verteidigung hatte Freispruch beantragt, weil keine Beweise für die direkte Beteiligung an konkreten Taten vorlägen. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft gefordert.

 

Gewalt gegen Flüchtlinge: "Man muss schon aufpassen"

Ein Flüchtlingsheim in Berlin-Buch war seit Baubeginn Ziel von mehr als einem Dutzend fremdenfeindlicher Übergriffe. Wie leben Personal und Bewohner mit dem Gefühl der latenten Bedrohung? Eine Videoreportage.

 

Junge Abgeordnete über Drohungen und Hetze: „Ich mache mir Sorgen“

Politiker werden beschimpft, sie erhalten Morddrohungen – ein herausgepöbeltes "Ich knall' dich ab" via Facebook oder auch ein Galgenfoto per Mail. Jetzt wurde in Großbritannien die Labour-Abgeordnete Jo Cox, 41, von einem Mann erschossen. Cox engagierte sich für Flüchtlinge und war gegen den Brexit, den Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union. Dafür wurde sie angefeindet. In der Vergangenheit war Cox bereits einmal zur Polizei gegangen, um "bösartige Mitteilungen" zu melden.
Der Fall hat Parallelen zum Angriff auf die jetzige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Ein Täter war in aller Öffentlichkeit mit einem Messer auf sie losgegangen. Was macht das mit unseren Abgeordneten? Wie erleben sie Hass im Netz? Und haben sie Angst davor, dass sie ihm auf der Straße begegnen?

 

Cox-Attentat: „Ein Faschist ermordet eine Sozialistin“

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping erklärte zu dem Attentat, „sagen wir, wie es ist: Ein Faschist ermordet eine Sozialistin in einem Referendum, das unter rassistischen Vorzeichen stattfindet.“ Der Tatverdächtige habe die Labour-Abgeordnete „aus nationalistischem Hass“ getötet und sei kein isolierter Einzeltäter gewesen. Kipping verwies auf Fotos, die den mutmaßlichen Täter Thomas M. bei Aktionen der rechtsextremen ‚Britain First‹’ Partei zeigen. Kipping zeigte sich bestürzt über den Tod von Cox. Mit ihr habe „die britische und europäische Linke eine sehr mutige, warmherzige und engagierte Genossin verloren“.
Nach dem Attentat auf die linke Politikerin Jo Cox in Großbritannien geht die Such nach weiteren Hinweisen auf einen rechtsradikalen Hintergrund des Mordes weiter. Renommierte US-Rassismusforscher hatten bereits frühzeitig auf die Verbindungen von Thomas M. zur einst größten Neonazi-Gruppe der USA hingewiesen - der National Alliance. Die rechtsradikale Szene habe in den USA auf das Attentat „mit einer Mischung aus blutrünstigem Vergnügen“ und „unglaublichen Beschimpfungen des Opfers“ reagiert. Die Polizei hat in der Wohnung des Verdächtigen zudem Nazi-Symbole und rechtsextreme Schriften gefunden. Thomas M. habe auch Schriften einer südafrikanischen Rassisten-Vereinigung bezogen.

 

Antisemitismus in Breslau: Weltoffenheit als Mythos

Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit würden bisher in Polen verkannt, kritisiert der polnische Publizist Kamil Majchrzak, der Mitglied des Internationalen Komitee Buchenwald/Dora ist. Bei der rechtsradikalen Demonstration auf dem Breslauer Rathausplatz im November 2015 habe es sich nicht etwa um einen Einzelfall gehandelt, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagt Majchrzak im Deutschlandradio Kultur. "Die traurige Wahrheit ist auch, dass Polen das empirische Beispiel dafür ist, dass der Antisemitismus auch ohne die Juden funktioniert", sagt er. "Es leben nur wenige Juden in Polen." Majchrzak betont, dass Breslau nicht nur eine deutsche Stadt gewesen sei, sondern auch eine jüdische Kultur gehabt habe.

 

Englische Fans werfen Münzen nach bettelnden Roma-Kindern

Neue Bilder zeugen von der Rohheit vieler Fußball-Anhänger jenseits der Spiele. Ein Video aus Lille zeigt englische Fans, vor dem Restaurant „Les 3 Brasseurs“. Grölend werfen sie Centstücken in ihre Mitte, wo sich vier Roma-Kinder auf das Geld stürzen. Teilweise stürzen sich die Kinder aufeinander, um sich das Geld gegenseitig streitig zu machen.
Zwischendrin werden Kronkorken geworfen. Große Erheiterung, als die vier bemerken, dass sie sich um Wertloses balgen. Die Meute singt, lacht, tanzt, filmt, feiert sich. Einer im weißen Rooney-Trikot geht zu den vier Jungs hin, deutet mit der Faust, an, die Kinder zu boxen. Ein alter Bekannter. Er war involviert, als britische Anhänger sich in den Straßen von Lille am Dienstag eine Schlacht mit russischen Hooligans lieferten.

 

 

Hausbesuch bei Anti-Nazi-Aktivistin: Sie kann nicht anders

Seit 30 Jahren entfernt Irmela Mensah-Schramm rassistische Schmierereien und reißt Nazi-Aufkleber ab. Das sei eine „staatsbürgerliche Pflicht“.
Was macht sie? „Hass vernichten“, so fasst die pensionierte Heilpädagogin ihre Mission zusammen. Seit 30 Jahren entfernt sie fremdenfeindliche Graffiti von Hauswänden, Stromkästen und S-Bahn-Sitzen. Über 70.000 Schmierereien hat sie vor dem Beseitigen fotografiert. Diese Dokumentation des Hasses füllt besagte 80 Ordner. Zum Hausbesuch serviert Mensah-Schramm – Bubikopf, Kleidung in gedeckten Farben, 70 Jahre – grünen Tee und ein Schälchen Marzipan-Walnuss-Pralinen.

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