Presseschau ... 31.05.2017

+++ SEK-Einsatz in Garching (Bayern): Reichsbürger begeht Suizid +++ Mehr als 400 Wehrmachtsandenken in Kasernen gefunden +++ Sinti und Roma werden in Berlin häufiger diskriminiert +++ Heidelberg: „Wolfsangel“ vielfach gesprüht +++

 

SEK-Einsatz in Garching (Bayern): Reichsbürger begeht Suizid

Ein SEK-Einsatz in Garching ist beendet. Der 43-jährige Reichsbürger wurde tot in seiner Wohnung gefunden. Am Dienstagmorgen hat er den Großeinsatz der Polizei ausgelöst, weil er damit gedroht hatte, sich das Leben zu nehmen. Besonders brisant war der Einsatz deshalb, weil bekannt war, dass der Garchinger ein größeres Waffenarsenal gebunkert hat.

 

Mehr als 400 Wehrmachtsandenken in Kasernen gefunden

Bei der Durchsuchung der Kasernen der Bundeswehr nach Wehrmachtsandenken sind mehr als 400 Devotionalien entdeckt und gemeldet worden. Gefunden worden sei ein „sehr breites Spektrum vom zulässigen wissenschaftlichen Exponat im Rahmen einer gültigen militärhistorischen Sammlung bis zur verbotenen Devotionalie mit Hakenkreuz“, heißt es in einem Schreiben des Verteidigungsministeriums an den Bundestag.

 

Sinti und Roma werden in Berlin häufiger diskriminiert

Sinti und Roma in Berlin werden nach Angaben des Vereins Amaro Foro immer häufiger wegen ihrer Herkunft benachteiligt. Wie der interkulturelle Jugendverband von Roma und Nicht-Roma am Dienstag mitteilte, wurden im vergangenen Jahr 146 Vorfälle gemeldet - mehr als in beiden Jahren zuvor. 2015 waren es noch 118 gemeldete Vorfälle gewesen, im Jahr davor 107.

 

Heidelberg: "Wolfsangel“ vielfach gesprüht

Sie findet sich an Stromkästen und Laternenpfählen, an Brücken und Hauswänden: Die Wolfsangel macht sich in Heidelberg breit. Der Stadtteil Bergheim scheint besonders betroffen zu sein. Dort wurde das Symbol sogar direkt an den Eingang des ehemaligen Rechtsamtes gesprayt. Was dieses Zeichen von gewöhnlichen Schmierereien unterscheidet: Es dient in der rechtsextremen Szene als Erkennungssymbol – und ist daher potenziell strafbar. Zwar ist es – meist vertikal abgebildet – auch heute noch in vielen Wappen zu finden, wird die Wolfsangel jedoch in einem rechtsextremen Kontext verwendet, ist das rechtswidrig. Schon zu NS-Zeiten wurde sie - meist horizontal, wie bei den Schmierereien in Heidelberg - von rechtsextremen Organisationen genutzt. Später diente sie der neonazistischen Jugendorganisation "Junge Front", die 1982 verboten wurde, als Kennzeichen.

 

Gießen: Rechtsextreme Parolen gesprüht

In Gießen werden derzeit immer wieder Spielplätze und Hauswände mit rechtsextremen Parolen beschmiert. „Das Ganze hat solche Ausmaße angenommen, dass nicht nur die Polizei, sondern auch der Staatsschutz eingeschaltet wurde“, erzählt Bürgermeister Dirk Haas.

 

Neonazi-Prozess gegen "Aktionsbüro Mittelrhein" wegen Überlänge geplatzt

Es ist einer der größten Neonazi-Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik. Genauer: Vermutlich war er das. Die 12. Große Strafkammer des Landgerichts Koblenz hat am Dienstag mitgeteilt, das Verfahren gegen zuletzt noch 17 Angeklagte sei mit Beschluss vom Montag eingestellt – „wegen des Verfahrenshindernisses der überlangen Verfahrensdauer“. Rechtskräftig ist die Entscheidung noch nicht. Zwei Angeklagte sollen entschädigt werden, da sie mit einem Freispruch rechnen konnten.

Kommentar: Einer der größten Prozesse gegen Neonazis in Deutschland endet mit einer krachenden Niederlage für den Rechtsstaat. Dazu hätte es niemals kommen dürfen.

 

Anti-Asyl-Demo in Cottbus mit deutlich rechtsextremer Beteiligung

Rund 400 Teilnehmer einer Demonstration gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland sind am Dienstagabend zum Cottbuser Oberkirchplatz gekommen. Etwa ein Drittel der Teilnehmer gehörte offensichtlich dem Neonazi- und Kampfsport-Milieu aus Cottbus und dem Spreewald an. Außerdem beteiligten sich Mitglieder der AfD und der „Identitären Bewegung“ an der Aktion. Hauptredner war Andreas Kalbitz, AfD-Chef in Brandenburg. Er lief bei einem kurzen Marsch der Versammelten durch die Innenstadt in der ersten Reihe neben Siegfried Däbritz, einem der Organisatoren der Pegida-Aufmärsche in Dresden.

 

Erlangen: Schausteller unter "Reichsbürger"-Verdacht

Zwei Tage vor dem Start der Bergkirchweih hat die Stadt Erlangen am Dienstag die Zusammenarbeit mit einem Schausteller beendet, weil dieser mit der "Reichsbürger"-Bewegung sympathisieren soll. Der Mann wurde aufgefordert, seinen Stand abzubauen. Es handelt sich um einen Künstler aus Niedersachsen, der auf dem Volksfest schon in den vergangenen Jahren Porträts der Besucher angeboten hatte.

 

Reichsbürger bedrohen vermehrt Gerichtsvollzieher in Berlin

Die rund 300 Berliner Gerichtsvollzieher haben zunehmend Kontakt zu sogenannten Reichsbürgern – und ihre Schwierigkeiten mit diesen Menschen, die den Staat als unrechtmäßig ansehen und seine Justizbeamten als nicht befugt, ausstehende Geldforderungen einzutreiben oder zu pfänden. Besonders subtile Drohungen wie fotografieren oder filmen würden zunehmen.

 

Rechtspopulist in grünen Gefilden: Herrn Sarrazin mal reden hören

Eigentlich gilt Thilo Sarrazin nicht zuletzt für Grüne als rotes Tuch. Nicht wenige sehen in ihm schlicht einen geifernden Rassisten. Aber der frühere Berliner Finanzsenator mit dem SPD-Parteibuch hat auch seine Fans. So sieht der Mitgründer des neurechten Instituts für Staatspolitik, Götz Kubitschek, in ihm einen „Rammbock“ für seine völkischen Ideen. Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer, schwärmt über Sarrazin als „süßeste Versuchung für die alternde BRD“. Jetzt ist der umstrittene Bestsellerautor für Dienstagabend als Gast bei de DROM im mecklenburg-vorpommerschen Kröpelin angekündigt. Der eingetragene Verein versteht sich als „Gesellschaft zur Förderung von Kultur, Bildung und Gemeinwesen in der Regiopole Rostock“. Das Bemerkenswerte: den leitenden Vorstand stellen Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen.

 

Berlinerin wegen Volksverhetzung auf Facebook verurteilt

Eine 62-jährige Berlinerin wurde am Dienstag vom Amtsgericht Tiergarten wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 1350 Euro verurteilt. Sie hatte auf Facebook ein Foto mit Text zum Thema Flüchtlinge geteilt. Vor Gericht erklärte sie: „Ich leizte gern spaßige Sachen weiter“. Was die Frau für Spaß hielt, betrachtete die Staatsanwaltschaft als "Äußerung, die geeignet ist, zum Hass anzustacheln und die Menschenwürde anderer zu verunglimpfen". Denn der Text, verfasst als fiktives Gespräch in Frage- und Antwort-Form, war an Deutlichkeit nicht zu überbieten: "Frage: Haben Sie etwas gegen Flüchtlinge? Antwort: Ja, Maschinenpistolen und Handgrananten." Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren ein, die Polizei beschlagnahmte bei einer Hausdurchsuchung den Computer der Angeklagten. Und beharrte weiter darauf, dass die Verbreitung des Textes nur ein dummer unbeabsichtigter Fehler und keine gewollte Verbreitung von Hassbotschaften gewesen sei. Rassistische Äußerungen und rechtes Gedankengut seien "absolut nicht mein Ding", beteuerte sie zudem.

 

NSU & Verfassungsschutz: Ein mörderisches Biotop geschaffen

Mittlerweile sind mehr als 40 Spitzel deutscher Sicherheitsbehörden bekannt, die zwischen 1998 und 2011 im näheren und weiteren Umfeld des untergetauchten NSU-Trios positioniert waren. Darunter sind viele durchschnittliche Informanten gewesen, aber auch eine größere Zahl hochkarätiger Spitzenquellen mit weitreichenden Verbindungen in die Szene. Dennoch beharrt der Verfassungsschutz weiter darauf, erst mit der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 von der Existenz der mörderischen Terrortruppe erfahren zu haben. Ist das zu glauben?

 

Homophobie im AfD-Programm: Diskriminiewas?

In einem Interview spricht Alice Weidel, lesbische Spitzenkandidatin der AfD, über Homophobie ihrer Partei. Sie sagt, dass sie sich nie diskriminiert gefühlt habe und ihre sexuelle Ausrichtung innerhalb der Partei nie zum Thema gemacht wurde. Auch sei es „weit hergeholt“, Diskriminierung „spezifisch in der AfD zu verorten“. Schön für ­Weidel – vor allem, weil sich das im Grundsatzprogramm ihrer Partei ganz anders liest.

 

AfD-Sachsen-Anhalt: Poggenburgs Truppe vor Dominoeffekt?

Die AfD in Sachsen-Anhalt ist vom Lauf der Dinge überrumpelt. „Unsere Fraktion unter Vorsitz von André Poggenburg besteht aus 25 Abgeordneten“, hieß es auch am Dienstag im Internet. Die Aussage stimmt indes nicht mehr, seit Sarah Sauermann ihren Austritt erklärte. Die 28-Jährige, die bei der Wahl im Frühjahr 2016 ein Direktmandat in Bernburg gewonnen hatte, sagte, sie könne die Zustände in der Fraktion nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren.

 

AfD-Mann Andreas Kühn: Der Bundestagskandidat und die Wehrmacht

Andreas Kühn kandidiert für die AfD in Sachsen-Anhalt um ein Bundestagsdirektmandat. Das bisher kaum bekannte Parteimitglied hat im Kreisverband Börde das Amt des Schatzmeisters inne und arbeitet als Versicherungsfachmann. Auf Facebook lässt sich Kühn zu mehr als grenzwertigen Kommentaren hinreißen. So kommentiert er unter ein Bild eines deutschen U-Bootes, das gegen Ende des Krieges vom Stapel lief: „[..] fabelhaftes Stück deutscher Technik. Leider auch zu spät.“  – also ein eindeutiges Bedauern, dass mit dieser Technik der Krieg nicht mehr gewonnen werden konnte. Er hat u.a. die rechtsextreme Bekleidungsmarke „Erik & Sons“ gelikt.

 

AfD-Abgerodneter Fiechtner zieht gegen die eigene Partei vor Gericht

Immer wieder ist Heinrich Fiechtner auf der politischen Bühne als Außenseiter aufgefallen. Nun zieht der baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete vor Gericht – gegen die eigene Partei.

 

Neonazis planen "Fackelmarsch“ an KZ-Gedenkstätte in Braunschweig

Die NPD-Jugend „Junge Nationaldemokraten“ hat nach Informationen des Bündnis gegen Rechts für den 31.05.2017 direkt auf dem Gelände einer KZ-Gedenkstätte in Braunschweig einen „Fackelmarsch“ angemeldet. Die Neonazis wollen sich am dort befindlichen Schilldenkmal zu einer „Heldenehrung“ zum Todestag des antinapoleonischen Freikorpsführer Ferdinand von Schill versammeln. Die Stadt soll eine stationäre Versammlung der Neonazis an der KZ Gedenkstätte – allerdings ohne die Nutzung von Fackeln – bereits bestätigt haben.

 

Kolumne "Minority Report“: Wer bist du eigentlich und wer legt fest, was Rassismus ist?

Henning Sußebach ist einer dieser Namen, die ich ständig höre, aber mir nie merken kann. Vielleicht weil er so unfassbar deutsch ist. Jedenfalls höre ich den Namen ständig von Kolleg*innen jüngeren Jahrgangs, die davon träumen, mit Magazinjournalismus viel Asche zu verdienen. Sie sagen, er sei „der Überjournalist“ (kann ich mir schon besser merken). Jetzt habe ich zum ersten Mal einen Text von ihm gelesen in der Zeit. Und ja, er schreibt echt okay. Für eine Kartoffel. Das mit der Kartoffel ist wichtig. Das mit der Kartoffel ist nämlich der Kernpunkt, um den sich seine Argumentation in besagtem Text dreht. Unter der Überschrift „Wo kommst du eigentlich her?“ beschäftigt sich der Überjournalist mit der Frage, warum Menschen mit Migrationshintergrund eben diese Frage als rassistisch empfinden und kommt zu dem Schluss: weil sie keine Ahnung haben.

 

TV-Doku "Europas Neue Rechte“: Ritter des Kokolores

Nicht nur religiöse Eiferer, auch radikale Nationalisten halten die Vermischung von Traditionen für den Sündenfall. Worauf stützen die smarten, internetaffinen Neurechten in Europa ihre Ansichten? Der deutsch-griechische Allroundjournalist Manuel Gogos wollte das herausfinden und hat sich mit dem Regisseur Jakob Kneser auf eine Reise durch Deutschland, Österreich und Frankreich begeben, um die Anführer neurechter Strömungen wie der „Identitären Bewegung“ in Gespräche über ihre Thesen, Ziele und Methoden zu verwickeln. So ist erstaunliches Material zusammengekommen, das frappierend deutlich zeigt, wie wenig diese gern als rechtsintellektuell überhöhten Reinheitsfanatiker in Sachen Identitätsdiskurs anzubieten haben. Sie flüchten in die immer gleichen Phrasen vom angeblich drohenden „großen Austausch“ und verwickeln sich rasant in Selbstwidersprüche. Das kann man nicht wirkungsvoller demonstrieren, als es Gogos tut, der stets freundlich bleibt, aber punktgenau nachfragt.

 

Interview mit Konfliktforscher Andreas Zick: "Hate Speech breitet sich immer mehr aus"

Verwechseln öffentlich-rechtliche Medien Hate Speech mit Kritik? Wird Hassrede aus dem linken Spektrum verschwiegen? Im Interview räumt Andreas Zick von der Uni Bielefeld mit derartigen Vorurteilen auf und berichtet von den Folgen für Betroffene.

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