Presseschau ... 26.07.2017

+++NSU Prozess: Bundesanwaltschaft fordert Verurteilung der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe als Mittäterin +++ 57-Jähriger aus Nidda wegen Volksverhetzung zu Bewährungsstrafe und Geldbuße verurteilt+++Anzeige wegen Aufklebern - Rechtsradikale verunstalten Wahlplakate der SPD+++Identitäre Bewegung in NRW - klein, aber aktiv+++Die Bayern-AfD bietet Hilfe an, wenn du aus der Antifa "aussteigen" willst+++

 

Noch mehr Hakenkreuze in Bad Nenndorf

Es scheint, als haben Neonazis die Stadt Bad Nenndorf längerfristig ins Visier genommen, um dort Hakenkreuzschmierereien zu verbreiten. Nach den neun NS-Symbolen, die zwischen Freitag und Montag unter anderem am Sitz der jüdischen Gemeinde und an einem Flüchtlingsheim aufgesprüht worden waren, entdeckten Gewerbetreibende am Dienstag ein weiteres am Kolonnadenhaus.

 

NSU Porzess: Generalstaatsanwalt erklärt Zschäpe zu Mittäterin

Der letzte Akt vor dem Urteil hat begonnen – wie es im NSU-Prozess üblich ist. Mit stundenlanger Verzögerung, mit der Andeutung eines Befangenheitsantrags, der die Prozesswoche gesprengt hätte. Mittags, es ist 11.55 Uhr, stellt der Vorsitzende Richter Manfred Götzl die entschiedende Frage: ob es noch Anträge gebe? Die Zuhörer im vollbesetzten Saal A 101 im Oberlandesgericht München halten die Luft an. Dann schütteln die Verteidiger von Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben kurz die Köpfe. Die Angeklagte nestelt an ihrem Leopardenschal. Die Hauptangeklagte Zschäpe ist die einzige Überlebende des NSU-Trios. Sie ist wegen Mittäterschaft angeklagt. Dem Nationalsozialistischen Untergrund werden unter anderem zehn Morde und zwei Bombenanschläge zur Last gelegt.

Die Bundesanwaltschaft bezeichnete Beate Zschäpe als Mitgründerin und Mitglied einer terroristischen Vereinigung. Ihre Rolle sei essentiell für den NSU gewesen. Die Bundesanwaltschaft fordert eine Verurteilung der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe als Mittäterin an allen Morden und Anschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Bundesanwalt Herbert Diemer sagte am Dienstag in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht München, mit der Beweisaufnahme habe sich die Anklage in allen Punkten im Wesentlichen bestätigt. Zschäpe sei "Mittäterin" bei den zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und den weiteren Taten des NSU. Sollte das Oberlandesgericht in seinem Urteil dieser Argumentation folgen, droht Zschäpe lebenslange Haft wegen Mordes.

Eva Högl: NSU-Geschichte wird noch lange nicht aufgeklärt sein

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und Vize-Vorsitzende im NSU-Ausschuss, Eva Högl, hat Zweifel geäußert, ob bislang alle möglichen Straftäter im NSU-Komplex ermittelt worden sind."So ganz aufgeklärt wird die Geschichte des NSU noch lange nicht sein. Was mich vor allem beschäftigt und viele Kolleginnen und Kollegen, ist: Hatte der NSU nicht noch mehr Unterstützer und Unterstützerinnen, und wie breit ist das rechts-terroristische Netzwerk in Deutschland?"

 

57-Jähriger aus Nidda wegen Volksverhetzung zu Bewährungsstrafe und Geldbuße verurteilt

Ein inzwischen 57-Jähriger aus Nidda, der Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt hatte, ist auch nach der Hauptverhandlung am Amtsgericht Büdingen zu einer Bewährungsstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er im August und September 2015 zum Hass gegen eine "durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe" angestachelt habe. Der Angeklagte wies die Vorwürfe zurück.

 

Anzeige wegen Aufklebern - Rechtsextreme Aufkleber verunstalten Wahlplakate der SPD

In Allach und Untermenzing sind zahlreiche Aufkleber rechtsextremer und rassistischer Gruppierungen aufgetaucht. Die unbekannten Täter hatten es vor allem auf Wahlplakate der SPD und ihres Bundestagskandidaten im Wahlkreis West/Mitte, Bernhard Goodwin, abgesehen. Die Sozialdemokraten kündigten Anzeige wegen Sachbeschädigung an. "Ob andere Delikte in Frage kommen, muss die Polizei beurteilen", sagt Goodwin, "etwa wenn einzelne Aufkleber einen volksverhetzenden oder beleidigenden Charakter haben". Die Aufkleber und Parolen stammen einerseits aus dem Fundus der Neonazi-Kleinstpartei "Der III. Weg", andererseits tragen sie das Lambda-Logo und Slogans der Identitären Bewegung ("Gegen die moderne Welt"). Diese ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtete Gruppierung behauptet immer wieder, sich von Rechtsextremisten abzugrenzen. Dass dennoch Aufkleber beider Gruppen nebeneinander in Allach auftauchen, ist aber wohl kein Zufall. Denn daneben finden sich auch Anti-Europäische-Union-Aufkleber der Gruppierung "Revolte auf Beton". Experten sehen in ihr den Versuch, ein Netzwerk von Neonazis und Vertretern der so genannten Neuen Rechten zu knüpfen.

 

AfD-Politik in den Kommunune: "Inszenierte Bürgernähe"

Sie sitzen in unzähligen Kreistagen, Stadtparlamenten und Gemeinderäten: die Lokalpolitiker der AfD. Mit effektiver politischer Arbeit beschäftigen sie sich aber kaum. Viele Rechtspopulisten machen lieber Show – und zeigen dabei ihre Ahnungslosigkeit. Im Gegensatz zur „großen Politik“ im Bundestag, geht es in den deutschen Kommunalparlamenten meist um die kleinen Dinge des Alltags: Kommt die neue Umgehungsstraße? Wo entsteht eine Unterkunft für Geflüchtete? Wird das Schwimmbad noch vor dem Ferienbeginn saniert? Bei Fragen wie diesen dürfen inzwischen auch Lokalpolitiker der AfD mitreden. Hunderte Kommunalmandate haben die Rechtspopulisten in den vergangenen zweieinhalb Jahren in ganz Deutschland errungen. Allein: Wirkliches Interesse an politischer Arbeit scheinen sie nicht zu haben.

 

Gewerkschaften: Klare Haltung gegen Rechts

Das politische Klima in Europa ist durch einen dramatischen Rechtstrend gekennzeichnet, der alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst. Auch Gewerkschaftsmitglieder sind anfällig für rechtsextreme Ideologie. Dem entgegenzutreten, sind die Gewerkschaften besonders gefordert. Sie müssen deutlich machen, wofür sie kämpfen, sagt der Berliner Politikwissenschaftler Richard Stöss. Für Richard Stöss sind Gewerkschaften nicht nur Akteure im Kampf der demokratischen Kräfte gegen den Rechtsextremismus, sondern auch Objekte des Rechtsextremismus: Sowohl, weil sie sich im Visier extrem rechter Gruppen befänden, als auch, weil ihre Mitglieder anfällig für die von der extremen Rechten angebotenen Ideologien, Programme und Forderungen seien.

 

Gewalttäter unterlaufen Fanszene in Cottbus

Im April randalierten rechtsextreme Anhänger_innen von Energie Cottbus beim Auswärtsspiel in Babelsberg. Dafür wurde der Verein hart bestraft. Eine aktuelle Studie des Innenministeriums besagt nun offiziell, dass sich mehrere Dutzend gewalttätige Hooligans unter die Fußballfans des Vereins mischen. Der Verein hat bereits reagiert und richtet eine „Toleranzstelle“ ein.

 

Grote will Waffenverbot für "Reichsbürger"

Die Reichsbürger_innen sind in Schleswig-Holstein auf dem Vormarsch. 264 Menschen rechnet der Landes-Verfassungsschutz aktuell der Bewegung staatsfeindlicher Verschwörungstheoretiker zu. Von Anfang 2015 bis Oktober 2016 waren es lediglich 22. Weil Reichsbürger_innen zunehmend gewaltbereit auf Behördenvertreter reagieren, lässt Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) einen Erlass erarbeiten. Er soll Anhänger_innen den Waffenbesitz verbieten.

 

Wie sich Themar auf das nächste Nazi-Konzert vorbereitet

Der Flyer, mit dem für dieses Hass-Konzert geworben wird, sieht aus wie so viele andere Flyer, mit denen Neonazis zu dem einladen, was sie als »politische Kundgebung« tarnen. Mit dem Segen von Verwaltungsgerichten, was viele Menschen - gerade im südthüringischen Themar - kaum noch nachvollziehen können. »Rock für Identität« steht nun also oben auf diesem Stück Papier. Direkt darunter sind die Namen der Bands aufgelistet, die bei diesem Festival spielen sollen, unter anderem »Sturmwehr«, »Frontkraft« und »Faust« - Neonazi-Gruppen also, deren Namen schon nahelegen, dass keine romantischen Balladen dargeboten werden. Es wird wieder einmal um den angeblichen Untergang Deutschlands und den möglichst brutalen, weißen Widerstand dagegen gehen.

 

Aktivistische Szene in der Hauptstadt

Dem aktuellen Verfassungsschutzbericht von Berlin zufolge liegt die Zahl der Rechtsextremen in der Hauptstadt unverändert bei 1450 Personen. 700 davon wird eine Gewaltbereitschaft attestiert. Rückwärtsgewandte Geschichte und nationalsozialistische Gesinnung üben dem Bericht zufolge weniger Anziehungskraft aus, dafür umso mehr das Feindbild von Muslimen. Aufmerksamkeit durch spektakuläre Aktionen haben diesbezüglich vor allem Aktivisten der „Identitären Bewegung“ (IB) erregt. Sie verfügen für ihre regionale Gruppe Berlin-Brandenburg vor Ort gerade einmal 30 Mitstreiter, schaffen es aber regelmäßig, Potenzial aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland zu mobilisieren. Gewaltfreiheit und Provokation sind die IB-Maxime, dazu eine professionelle eigene Medienbegleitung. Die Transparent-Aktion am 27. August 2016 am Brandenburger Tor war das wohl augenfälligste Beispiel für durchdachte „Agitprop“.

 

"Identitäre Bewegung" in NRW - klein, aber aktiv

Sie werden als "Nazi-Hipster" bezeichnet, sind gegen die Vermischung von Ethnien und werden der Neuen Rechten zugeordnet. Die Identitäre Bewegung (IB), die in Frankreich entstand und in ganz Europa Anhänger hat, ist auch in NRW aktiv. Das NRW-Innenministerium teilte auf eine Kleine Anfrage der Grünen im NRW-Landtag konkrete Zahlen mit. Danach gibt es in NRW circa 50 Personen, die der IB zuzurechnen sind. Darunter sei ein "Kreis überregional mobilisierbarer Aktivisten", der "nicht mehr als 20 Mitglieder" umfasse. Zu 16 Personen liegen dem Innenministerium polizeiliche Erkenntnisse vor. 22 Delikte gehen auf ihr Konto, 18 davon wurden allein von einer Person begangen. Dazu gehören "Beleidigung, Hausfriedensbruch, Nötigung, Bedrohung, Volksverhetzung sowie Körperverletzung."

 

Die Bayern-AfD bietet Hilfe an, wenn du aus der Antifa "aussteigen" willst

Trägst du gerne schwarze Klamotten? Juckt es dich in den Fingern, wenn du an einer Deutschland-Fahne vorbeigehst? Kriegst du erhöhten Blutdruck, wenn dir ein Polizist entgegenkommt? Dann hast du vielleicht ein Antifa-Problem. Aber keine Sorge! Die AfD kann dir helfen. Das ist zumindest das Versprechen, das der bayerische Landesverband der AfD auf seiner neuen Webseite antifa-ausstieg.de macht. "Deutschland lieben lernen!" steht da in großen Lettern und darunter "Mein Weg zurück zur Demokratie". Ein kurzer Text erklärt, was aus Sicht der AfD das Problem mit Antifaschismus ist. "Bei der Antifa mitzumachen scheint zunächst nicht verwerflich", heißt es da. "Doch erfahrungsgemäß führt die weitere Entwicklung meist in die Kriminalität." Später wird es dann noch etwas persönlicher: "Wenn du betroffen bist: Übernimm Verantwortung in der Gesellschaft. (...) Nimm dein Leben in die Hand und nicht den nächsten Pflasterstein."

 

Neue deutsche Medienmacher kritisieren besorgten Wissenschaftler

Mit Verärgerung nehmen die Neuen deutschen Medienmacher die Berichte über eine Studie des Kommunikationswissenschaftlers Michael Haller zur Kenntnis, nach der die deutschen Medien in der sogenannten Flüchtlingskrise versagt hätten. Indirekt redet Haller all jenen Verschwörungstheoretikern und Rassisten das Wort, die der „Lügenpresse“ pauschal vorwerfen, mit den Mächtigen unter einer Decke zu stecken und die Probleme bei der Integration von Geflüchteten und Migranten bewusst zu verschweigen.

 

Gewerkschaft kontra AfD-Kreisvorsitzenden als Rektor

Der Kreisvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hof-Wunsiedel (GEW) übt scharfe Kritik an der Ernennung des AfD-Kreisvorsitzenden Gerd Kögler als neuer Rektor der Oberkotzauer Schule. Der Neuzugang habe "hohes Problempotenzial", heißt es in einer Mitteilung. Als Nachfolger von Rektor Siegfried Müller habe die Regierung von Oberfranken den Kreisvorsitzenden der Rechtspartei ausgewählt - "und das an einer Schule mit dem Prädikat Schule ohne Rassismus". Dies sei nicht nachzuvollziehen.

 

Wie die Mär von "Bussen voller Afrikaner am Brenner" entstand

Nacht für Nacht werden Tausende Migrant_innen über den Brennner gebracht. Eine Falschmeldung. Doch sie verbreitet sich. Die Spurensuche. Die Resonanz hat die "Nachrichtenseite" zum Absturz gebracht. "Afrikaner werden in Bussen klammheimlich nach Deutschland verbracht" meldete die Seite Newsblitz am Dienstag. Es ist die neue Variante einer erfundenen Geschichte aus dem vergangenen Jahr. Da waren es heimliche Flugzeuge aus der Türkei, nun sollen es Busse am Brenner sein. Eine Suche nach Spuren und Erklärungen für solche Falschmeldungen und ihre Zutaten.

 

Meldestelle für Hate Speech startet - Jugendstiftung Baden-Württemberg startet neues Angebot im Demokratiezentrum

Ab Dienstag, den 25.07.2017 können dann unter www.respect.demokratiezentrum-bw.de Fälle von Online-Hassrede gemeldet werden. Die Jugendstiftung setzt dabei vor allem auf junge User, die sich im Netz auskennen. Junge Menschen erhalten mit der Meldestelle eine kompetente Ansprechpartnerin, die zu einer besseren, respektvolleren Kommunikation im Internet beitragen möchte. Die Meldestelle setzt sich dafür ein, dass internationale Unternehmen deutsches Recht ernst nehmen.

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