Presseschau ... 23.05.2016

+++ Brandanschlag auf bewohnte Flüchtlingsunterkunft in Zwickau +++ Lippstadt: Zu zehnt, vermummt und mit Waffen in Flüchtlingsunterkunft eingedrungen  +++ Brand auf Baustelle einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin +++ Mit 2,75 Promille – Nazi-Wahn im Zug nach Osnabrück +++ AfD in Sachsen-Anhalt: Jetzt erst rechts

 

Brandanschlag auf bewohnte Flüchtlingsunterkunft in Zwickau

In der Nacht zu Sonntag haben Unbekannte mit Molotowcocktails einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Zwickau verübt. Laut Polizei hatte der Wachschutz in der Nacht den Brand in einem der Unterkunftgebäude des Heims bemerkt, konnte das Feuer jedoch mit dem Feuerlöscher rasch löschen. Laut Polizei blieb es bei Rußschäden im Gebäude. Bei dem Anschlag waren 15 Geflüchtete im Haus. Ein 36-Jähriger rutschte beim Verlassen des Gebäudes aus und zog sich Schnittverletzungen an der Hand zu. Die Polizei ermittelt unter anderem wegen schwerer Brandstiftung. Wie die Brandsätze in das abseits der Straße gelegene Gebäude gelangt seien, müssten weitere Untersuchungen klären.

 

Lippstadt: Zu zehnt, vermummt und mit Waffen in Flüchtlingsunterkunft eingedrungen

In Lippstadt ist in der Nach auf Sonntag eine Gruppe von zehn unbekannten Personen auf das Gelände einer Notunterkunft eingedrungen. Der Sicherheitsdienst bemerkte die schwarz gekleideten und teilweise vermummten Personen gegen drei Uhr. Als die Gruppe die Mitarbeiter sah, flüchtete sie vom Grundstück. Hierbei soll einer der Tatverdächtigen mehrfach mit einer Schusswaffe in Richtung ihrer Verfolger geschossen haben. Anschließend flüchtete die Gruppe in unbekannte Richtung. Vermutlich handelte es sich um eine Schreckschusswaffe.

 

Brand auf Baustelle einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin

Bei einem Feuer auf der Baustelle für eine zukünftige Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Marzahn wurden in der Nacht zum Sonntag Baumaterialien und der Zaun beschädigt. Gegen 0.20 Uhr hörte ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes zweimal einen lauten Knall und sah unmittelbar nach dem zweiten Knall einen Stapel Styroporplatten, der in der Nähe des Sichtschutzzaunes gelagert war, in Flammen stehen. Das Feuer, das durch die alarmierte Feuerwehr gelöscht wurde, zerstörte die Platten und einen Teil des Zaunes. Verletzt wurde niemand. Die Ermittlungen zur Brandursache übernahm der Polizeiliche Staatsschutz.

 

Mit 2,75 Promille – Nazi-Wahn im Zug nach Osnabrück

Ein 45-jähriger Mann hat am Donnerstagnachtmittag in einem Zug der Nordwestbahn rassistische Parolen gerufen und Bahnreisende beleidigt. Ein Zeuge hatte der Polizei gemeldet, dass ein offensichtlich stark alkoholisierter Mann, Reisende mit mutmaßlichem Migrationshintergrund rassistisch beschimpft habe. Wie die Bundespolizei am Freitag mitteilte, hätte der Betrunkene mehrfach lautstark „Scheiß Moslems“ und „Sieg Heil“ gerufen. Gleich nach der Einfahrt des Zuges in den Hauptbahnhof Osnabrück wurde der Mann durch Bundespolizisten in Empfang genommen. Bei einem Atemalkoholtest in der Dienststelle der Bundespolizei wurden bei dem Mann 2,75 Promille gemessen. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gab der 45-jährige Deutsche unverhohlen zu.

 

AfD in Sachsen-Anhalt: Jetzt erst rechts

In Sachsen-Anhalts AfD ist der Rechtskurs von André Poggenburg kein Streitthema. Einzig die Frage, wer welchen Posten bekommt, bringt die Mitglieder in Wallung. Der nationalkonservative Kurs Poggenburgs, der zusammen mit Höcke die Bundesvorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen immer stärker vor sich hertreibt, wurde in Eisleben kaum in Frage gestellt. Einzig Außenseiter Ferle kritisierte dass sein Fraktionskollege Hans-Thomas Tillschneider das Bundesverdienstkreuz für Pegida-Gründer Lutz Bachmann gefordert hatte. Dass die Aktion in der AfD als Teil des parteiinternen Flügelkampfs gewertet wird, belegt ein zorniger Brief, den Petry danach an Poggenburg schrieb. Nach dem Auftritt Tillschneiders setzten Petry und Meuthen am Freitag im Bundesvorstand den Beschluss durch, dass AfD-Mitglieder bei Pegida nicht auftreten sollen.

 

AfD-Chefin: Petry soll Fraktionsgelder missbraucht haben

AfD-Chefin Frauke Petry könnte Ärger mit dem Landesrechnungshof Sachsen bekommen: Es besteht der Verdacht, dass sie Mittel ihrer Fraktion im Sächsischen Landtag für die Partei verwendet. Das wäre verboten –- nach Angaben des Rechnungshofs darf aus dem Budget für die parlamentarische Arbeit kein Geld für die Parteiarbeit abgezweigt werden.
Petry hatte nach einem Streit mit AfD-Pressesprecher Christian Lüth ein eigenes Medienteam aufgebaut, doch der AfD-Bundesvorstand wollte dies nicht finanzieren. Auch die sächsische AfD stellt für das Team kein Geld zur Verfügung, wie ein Schatzmeister bestätigte. Stattdessen nutzt Petry offenbar Gelder des Landtages.

 

AfD-Politiker will Flüchtlinge in spärlich besiedelte Landstriche bringen

Der Berliner AfD-Politiker Andreas Wild möchte Flüchtlinge in primitiven Lagern in unbewohnten Gegenden unterbringen. Bei einer Demonstration der Thüringer AfD in Erfurt unter dem Motto "Unsere Nation, unsere Kultur, unsere Entscheidung!" sagte Wild, um ein Flüchtlingslager zu errichten, reichten "ein paar Quadratkilometer Heide". Dafür brauche es keine Milliardenbeträge, sondern nur "Bauholz, Hämmer, Sägen und Nägel".
Zuvor sagte er, Flüchtlinge müsse man "in spärlich besiedelte Landstriche Deutschlands bringen". Die Menschen sollen dort nach Wilds Vorstellung streng kontrolliert werden: "Natürlich darf da nicht jeder raus oder rein, wie es ihm gefällt."

 

NSU-Untersuchungsausschuss: Polizisten bestreiten Kontakte zur „Blood and Honour“

Im NSU-Landtagsausschuss haben zwei Polizisten Kontakte zu militanten Neonazis bestritten. Einer von ihnen räumte ein: Nach seiner Frühpensionierung wurde er Mitglied in einem Rockerclub. Sie hätten weder dienstlich noch privat mit dem verbotenen Neonazi-Netzwerk "Blood and Honour" in Verbindung gestanden - das sagten zwei Zeugen am Freitag in Wiesbaden übereinstimmend dem NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag.
Das Brisante an dem Auftritt: "Blood and Honour" war in Kassel sehr aktiv. Es gibt Spekulationen, das Netzwerk könne Kontakte zur rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund gehabt haben, die 2006 den Internetcafé-Betreiber Halit Yozgat ermordet haben soll. Und bei den beiden Zeugen handelt es sich um einen aktiven und einen früheren Beamten der hessischen Polizei.

 

Polizist wegen antisemitischer Hetze auf Facebook verurteilt

Wegen Volksverhetzung ist ein Polizeiobermeister aus Nordhausen zu fünfeinhalb Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem muss er 1.800 Euro an drei gemeinnützige Vereine zahlen. Der Mann aus Nordhausen hatte im vergangenen November auf seinem privaten Facebook-Account unter anderem gegen Juden und Linke gehetzt. So kommentierte er eine Foto-Collage auf einer rechtsextremen Internet-Seite mit den Worten: "Wir werden erwachen, die Bundesregierung hat uns zu Nazis erhoben, nun handeln wir so!!!" Auf der Internetseite  sind Männer mit Hakenkreuz-Tattoos und mutmaßliche IS-Kämpfer zu sehen. Im Zusammenhang mit Antifa, ISIS und Juden hatte der Mann unter anderem geschrieben, sie müssten "getilgt" werden.
Vor Gericht hatte sich der Beamte am Freitag für seinen antisemitischen Facebook-Eintrag entschuldigt. "Ich empfinde Scham und Reue". Er habe niemanden in seiner Menschenwürde verletzen wollen. Wie das Gericht im Vorfeld mitgeteilt hatte, wurde bereits ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Vom Dienst suspendiert sei der Beamte jedoch nicht. Der Dienstherr des Beamten beschäftigt sich noch mit weiteren Vorwürfen. So soll der Polizist mit Waffen und in Uniform posiert haben.

Hintergründe zu dem Fall, Kontakte des Polizisten in die Neonazi-Szene und Screenshorts von seinen Äußerungen:

 

Gewalt gegen Geflüchtete: Polizist muss nach Tritt zahlen

Die Staatsanwaltschaft Münster hat gegen eine Geldauflage in vierstelliger Höhe das Verfahren gegen einen 38-jährigen Beamten der Kreispolizeibehörde Coesfeld eingestellt, der im November einen am Boden liegenden Asylbewerber aus Marokko im Polizei-Gewahrsam in Dülmen (Nordrhein-Westfalen) getreten haben soll.
Seine eigenen Kollegen hatten ihn angezeigt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es den Tritt gegeben hat. Der Beamte habe überreagiert, so Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt. „Keine Entschuldigung, aber eine Erklärung“ dafür sei aber wohl, dass der Marokkaner, der in einem Asylbewerberheim randaliert hatte, den Beamten massiv Widerstand geleistet und sie beleidigt habe. Ob der Fall auch disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen wird, ist laut Polizei unklar.

 

Die verdeckte Gefahr – Kritik an Spitzeleinsatz der Polizei in Hamburgs linker Szene

Erneut ist eine Ermittlerin von der linken Szene enttarnt worden – wie schon zwei vor ihr. Experten – Professoren, Innenpolitiker und – kritisieren die Einsätze. Sie sagte, sie habe einen Dackel namens "Spike"; das stimmte. Sie sagte, ihre Oma züchte diese Hunde in Niedersachsen; das stimmte. Und sie sagte, dass sie Italien liebe und ihr Freund Italiener sei, das stimmte auch. Aber sonst war nichts richtig an Astrid Schütt, die von 2006 an in linken Cafés, Gruppen und schließlich im autonomen Kulturzentrum Rote Flora in Hamburg auftauchte, um "mitzumachen" wie sie sagte.
Die Frau mit den Dreadlocks und dem Piercing im Ohr war aber nicht an der Arbeit in "Anti-Repressions- oder Antifagruppen" interessiert, wie sie vorgab. Sie gründete zwar eine eigene politische Antifa-Gruppe namens "Nella Faccia", doch auch die diente nur einem Zweck: Schütt, die in Wahrheit einen anderen Nachnamen trägt, wollte ihre neuen Bekannten ausforschen.
Sie wollte wissen, was sie treiben, ob sie sich tatsächlich nur für Gender-Diskussionen und Faschismus-Bekämpfung interessieren, oder nicht auch für Brandsätze und Anschläge. Die Frau mit dem Dackel ist eine Polizistin gewesen, und hat als Verdeckte Ermittlerin von 2009 bis 2013 die Rote Flora ausspioniert – wohl als "Beobachterin für Lagebeurteilung". Nun wurde sie von den Floristen selbst enttarnt, die ihre Biografie recherchierten und im Internet veröffentlichten.

 

Die größte deutsche Hetzseite gegen Geflüchtete ist Offline

Eine der größten deutschen Hassseiten im Internet, die Facebook-Seite "Anonymous.Kollektiv" ist offline. Die Seite hetzte mit schlimmsten Beleidigungen und Pöbeleien gegen Geflcühtete und Ausländer, sie hatte fast zwei Millionen Fans. Ob Facebook oder der Betreiber selbst die Seite aus dem Netz genommen haben, ist bislang unbekannt. Nur kurze Zeit später tauchte allerdings im größten sozialen Netzwerk eine neue Anonymous-Seite in ähnlicher Aufmachung auf.
Die Betreiber erklärten: "Nachdem uns die von Lügen zehrende Systempresse in Gestalt von mimikama und FOCUS Online diffamiert hat und unschuldige Bürgerrechtler mit Dreck bewirft, sind wir umgezogen. Das Zensursystem von Heiko Maas nimmt immer widerlichere Formen an und die lange von uns angekündigte Sperrung durch facebook ist vollzogen." Ob die Betreiber die Gleichen sind wie die der ersten Anonymous-Seite, ist unklar. Zuvor hatte „Focus“ den mutmaßlichen Betreiber der Facebook-Seite recherchiert.

Auch das Hetzportal „Halle-Leaks“ ist vom Onlineanbieter Facebook abgeschaltet worden. Die Facebook-Seite, die von einem früheren Mitglied des Neonazi-Netzwerks Blood and Honour betrieben wurde, war am Wochenende nicht mehr erreichbar.

 

Amoklauf in Österreich: War der Täter ein Neonazi?

Ein Beziehungsstreit hat in den frühen Stunden des Sonntags bei einer Konzertveranstaltung in Nenzing in Vorarlberg mit mindestens drei Toten und elf Verletzten geendet. Ein 27-jähriger Vorarlberger schoss mit einer Langwaffe wahllos in die Menge der rund 150 Konzertbesucher, dabei starben zwei Männer im Alter von 48 und 33 Jahren. Danach erschoss sich der Mann selbst. Beim Täter handelt es sich laut aktuellen Informationen um Gregor S., ein 27-jähriger Walgauer, der in der Vergangenheit mit Verbindungen zur rechtsextremen Szene in Vorarlberg aufgefallen ist. Der Rocker pflegte regen Kontakt zur rechtsextremen Szene. Aus seiner ideologischen Nähe zu Neonazis und Skins machte er laut Freunden kein Geheimnis. Auf seinem Facebook-Profilbild trägt er ein Shirt, auf dem das Eiserne Kreuz (deutsche Kriegsauszeichnung) prangt.

 

Analyse der Wahl in Österreich: Ein tief gespaltenes Land

Österreichs nächster Bundespräsident – wer immer es sein wird – hat eine gewaltige Integrationsarbeit zu leisten. Nicht für die Flüchtlinge und Migranten, sondern für die angestammte Bevölkerung. Denn diese Wahlen, die mit einem faktischen Patt enden, hinterlassen ein tief gespaltenes Land.
Während der Rechtspopulist Norbert Hofer fast flächendeckend die Landgemeinden eroberte, hat der Grüne Alexander Van der Bellen die Stadtbevölkerung auf seiner Seite. Er entschied nicht nur die Bundeshauptstadt Wien klar für sich, sondern auch Graz, Innsbruck, Salzburg und die anderen Landeshauptstädte mit der Ausnahme von Eisenstadt.

 

Geflüchtete Sinti und Roma besetzen in Berlin ein Denkmal

Am gestrigen Sonntag Nachmittag  hat eine Gruppe von rund 50 Geflüchteten aus den Balkanstaaten das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin-Mitte besetzt. Die Besetzer wollen damit gegen ihre drohenden Abschiebungen sowie gegen die geplante Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten demonstrieren. Laut einer Pressemitteilung der „Interventionistischen Linken (IL)“ kommt der überwiegende Teil der Besetzer aus Serbien, Kosovo, Bosnen und Montenegro und ist selbst von Abschiebung bedroht. Auch Familien mit Kindern beteiligten sich an der Aktion.
Die Gruppe selbst erklärt dazu: „Viele der aktuell von Abschiebung bedrohten Roma haben in ihren Familien Verfolgungsgeschichten. Viele sind Nachkommen von Opfern oder Überlebenden der Vernichtung. Dieser Tatsache muss endlich entsprochen werden.“
Eine Sprecherin der IL betonte: „Deutschland steht gegenüber den Nachkommen der Opfer des deutschen Völkermords an den europäischen Roma und Sinti in einer besonderen Verantwortung. Statt dieser gerecht zu werden und den Roma endlich ein Bleiberecht zu ermöglichen, wird der Abschiebeterror derzeit massiv verstärkt.“ Indem die Regierung viele Balkanstaaten als „sichere Herkunftsstaaten“ definiert habe, ignoriere sie die anhaltende Diskriminierung und Verfolgung der Roma in Europa.

Die Besetzung ist in der Nacht zum Montag friedlich beendet worden. Die Polizei hatte mit einer Räumung gedroht

 

Antifa heißt Drecksarbeit

Der NPD hinterherzurennen, wo und wann auch immer sie sich niederlässt, ist nervige, lästige Kleinstarbeit. Dreimal hat sie am 1. Mai ihren Truck im Osten Berlins aufgebaut, dreimal dieselbe rechtsradikale Hetze von sich gegeben. Dreimal haben Antifaschisten zu Gegenprotesten aufgerufen, anstatt den Tag ordentlich zu feiern. Jetzt wollten sich die braunen Kader im migrantisch geprägten Nordneukölln versammeln. In linkes Gebiet vorstoßen. Ihre Grenzen austesten. Doch die Antifa war zur Stelle, mehrere Hundert Aktivisten sorgten dafür, dass Nordneukölln nazifrei blieb. An ihrem freien Freitagabend.
So irrelevant es erscheinen mag, den wenigen verbliebenen NPD-Kadern in Berlin hinterherzulaufen, so notwendig bleibt es. Leider. Denn auch wenn die Berliner NPD inzwischen im Schatten der gesellschaftlich breiter unterstützten Alternative für Deutschland (AfD) zu verschwinden scheint, macht sie das nicht ungefährlich. Die alten Nazis sind nicht weg vom Fenster, nur weil es neue Rechte gibt. Wie die AfD den politischen Diskurs der etablierten Parteien hierzulande nach rechts zieht, so zieht auch die NPD ihrerseits die AfD nach Rechtsaußen. Und weiter brennen die Unterkünfte.

 

Vom „Drecksvolk“ zum „deutschen Obdachlosen“: Neonazis entdecken die Sozialpolitik

Solches "Drecksvolk" habe im "schönen Ahlbeck" nichts zu suchen, hatte einer der vier Täter später gesagt. Er meinte den 51 Jahre alten Norbert Plath, den er und seine drei Kumpels kurz zuvor auf grausamste Weise totgeschlagen hatten. Die vier Rechten waren dem Obdachlosen immer wieder auf Kopf und Körper gesprungen, nach etwa einer Stunde war er tot. Der Mord auf Usedom in einer Julinacht des Jahres 2000 war nur einer von vielen an Obdachlosen in den letzten Jahren.
Angesichts des Hasses vieler Neonazis auf Obdachlose sei es "abgefahren", so der Historiker Lucius Teidelbaum, dass rechte Parteien wie "Pro Köln", "Der III. Weg", die NPD oder die "Alternative für Deutschland" sich zuletzt als Fürsprecher der Obdachlosen gerierten. So habe der "III. Weg" um Spenden für seine "Deutsche Winterhilfe" gebeten, die NPD für ein "Winterhilfswerk" gesammelt. Das Ziel sei offenkundig, "deutsche Obdachlose" gegen Flüchtlinge auszuspielen.

 

Zweifel an Christenverfolgung in Flüchtlingsheimen

Muslime sollen einer Studie zufolge deutschlandweit in großem Stil christliche Flüchtlinge verfolgt haben. Doch Recherchen zeigen: An der Aussagekraft dieser Studie sind erhebliche Zweifel angebracht. Das christliche Hilfswerk „Open Doors“ hatte vor zwei Wochen die Erhebung über "Religiös motivierte Übergriffe gegen christliche Flüchtlinge in Deutschland" veröffentlicht und von flächendeckenden Fällen von Gewalt und Drangsalierung gegenüber Christen in den Unterkünften berichtet.
Der Geschäftsführer von „Open Doors“, Markus Rode, erhob den Vorwurf, die großen Kirchen in Deutschland würden das Ausmaß der Gewalt vertuschen. Ein Grund dafür sei, dass die Kirchen selbst Betreiber von Flüchtlingsheimen seien. Auf Nachfrage war es „Open Doors“ binnen einer Woche aber nicht möglich, einen einzigen Fall in einem kirchlich betriebenen Heim zu nennen.

 

NPD auf Schrumpfkurs

Im Schatten des AfD-Erfolgs bleibt für die rechtsextreme NPD auch bei den bevorstehenden Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern wenig Platz – in Schwerin könnte ihr die Abwahl aus dem Landtag drohen.
Bei der Berliner NPD spricht man sich Mut zu. „Durch die völlig aus dem Ruder laufende Einwanderungspolitik bestehen erstmals realistische Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde in der Hauptstadt zu meistern“, glaubt man dort – oder besser: will man dort glauben machen. In diesen Tagen tourt die Partei mit Infoständen durch die Stadt, um die 2500 Unterstützungsunterschriften zu sammeln, die für eine Kandidatur bei der Abgeordnetenhauswahl am 18. September erforderlich sind. Landeschef und Spitzenkandidat Sebastian Schmidtke ist regelmäßig mit von der Partie; in dieser Woche halfen ihm der Bundesvorsitzende Frank Franz und einer von Franz' Vorgängern, der Europaabgeordnete Udo Voigt, der als Zweiter auf der NPD-Liste für das Berliner Landesparlament antritt.

 

Das Dokumentationszentrum Rechtsextremismus nimmt Konturen an

Eine Konsequenz aus dem polizeilichen Versagen bei den Ermittlungen um die rechtsextreme Terrororganisation war der Beschluss, in Thüringen ein Dokumentationszentrum Rechtsextremismus zu schaffen. So hatte es die rot-rot-gründe Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Dieses Zentrum nimmt nun Konturen an:  Die Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung will dessen Trägerschaft übernehmen und hat einen Antrag auf Fördermittel aus dem Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit gestellt.
Aufgabe des geplante Zentrums soll es sein, neonazistische und andere verfassungsfeindliche Aktivitäten zu dokumentieren, rechte Gewalt wissenschaftlich zu erforschen und Gegenkonzepte zu entwickeln. Der Start sollte noch in diesem Jahr sein. Dass gerade Thüringen als Heimatland der Terrorzelle NSU beim Kampf gegen Rechtsextremismus mit der Gründung eines solchen Zentrums nun eine Vorreiterrolle einnehmen wolle, begrüße die Stiftung ausdrücklich. „Die Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft, der gegenseitige Transfer zwischen Forschung und Praxis und die wissenschaftliche Analyse von demokratiegefährdenden Bewegungen und Radikalisierungsprozessen sind nötiger denn je“, sagte Stiftungskoordinator Timo Reinfrank.

 

Geistiger Staatsschutz: Rechte Parteien und die Kulturpolitik

Rechten Regierungen kann man vieles vorwerfen, nicht aber fehlendes Interesse an Kultur. Niemand nimmt die Programme von Theater, Oper und Museen so ernst wie Politiker in Ungarn, Polen, Kroatien – so ernst, dass die Kunstfreiheit zuweilen nur noch auf dem Papier steht. Und in Deutschland räsoniert niemand so ermüdend über "unsere hundertjährige Kultur" wie die AfD. Ihre Politiker verlangen von Kultureinrichtungen, sie müssten "klassische deutsche Stücke so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen". Was der Stacheldrahtzaun nach außen, das ist für die AfD die Kulturpolitik nach innen: eine Schutzmaßnahme für die "wehrhafte Nation", damit der Geist auch dann an Deutschland denkt, wenn er gerade nicht daran denkt.
Natürlich geht es rechten Parteien nicht nur um Spielpläne und Kulturfolklore. Die obsessive Betonung der Kultur ist Teil einer Re-Nationalisierungsstrategie, einer wütenden Abwehr von allem, was auch nur entfernt an die verhasste Globalisierung erinnert, an den Westen und die "Anglo-Welt". Rechtes Denken ist Raumdenken. Es setzt die konkrete nationale Kultur gegen die bedrohlich abstrakte Weltgesellschaft, gegen Massenmigration, Großkapital und islamistischen Terror. Deutschland, so war auf dem Stuttgarter AfD-Parteitag zu hören, sei ein "Weltkulturerbe", das gegen "Weltgesellschaft und Weltstaat" verteidigt werden müsse.

 

Keine Todesanzeige für NS-Opfer: „Es stört die Trauer der anderen“

Auch Todesanzeigen können zensiert werden. Meine Ururoma kam in den Gaskammern der Nazis um. Die Verlagsgruppe Echo Medien wollte davon nichts wissen. Der Verweis „Von Nazis in der Gaskammer in Hadamar ermordet“ wurde aus der Todesanzeige zum 75. Todestag der Ururgroßmutter der Autorin gestrichen.
„Menschen voller Hass und Fanatismus grenzten aus, demütigten, quälten und ermordeten Millionen. Hass und Fanatismus und der Beifall vieler sind ungebrochen bis heute“, fiel ebenfalls der Zensur zum Opfer.
„Es stört die Trauer der anderen“, sagte man der Großmutter der Autorin, die die Anzeige schaltete. Mir sagte man: „Auf den Seiten herrscht schon so viel Leid, das muss wirklich nicht sein.“ Trotz mehrfacher Nachfrage dürfen die Sätze heute nicht im Odenwälder, dem Groß-Gerauer und dem Ried-Echo stehen.

Der Verlag Echo Medien hat auf die Berichterstattung in der taz reagiert. Die Abänderung der Anzeige sei der „Fehler eines einzelnen Mitarbeiters“. Im Schreiben bedauert der Verlag den Fehler und entschuldigt sich „insbesondere bei den Angehörigen der betroffenen Familie“.

 

Ende der Heldengeschichte: FC Bayern hatte schon 1935 einen "Arierparagrafen"

Eine neue Forschungsarbeit korrigiert die Rolle des FC Bayern München während der NS-Zeit. Der Historiker Markwart Herzog von der Forschungs- und Bildungseinrichtung Schwabenakademie Irsee hat Protokolle von Vereinssitzungen und Originalsatzungen des Klubs aus den Jahren 1933 bis 1945 ausgewertet.
Aus den bislang unbekannten Dokumenten geht hervor, dass die Bayern bei der Ausgrenzung jüdischer Mitglieder ungewöhnlich gewissenhaft vorgingen. Ab dem 27. März 1935 hatte der FC Bayern einen "Arierparagrafen" in seiner Satzung. Die erste Version wurde im September 1935 verschärft und von der Mitgliederversammlung des FC Bayern einstimmig verabschiedet. Kurz darauf meldete der Klub dem Amtsgericht in München, "sämtliche Nichtarier" seien "aus dem Verein ausgeschieden".

 

Hass und Morddrohungen: Ein Land verliert seine Hemmungen

Pegida, AfD und Co.: Rechtes Gedankengut scheint wieder salonfähig zu werden. Künstler, Politiker und Aktivisten bemerken eine neue Qualität von Hass und Morddrohungen, auch befeuert durch die Anonymität im Netz. Doch das scheint erst der Anfang der Entwicklung zu sein. Eine Reportage über demokratische Aktivist_innen, die für Engagement vom Online-Mob mit dem Tode bedroht werden.

 

Sprayer-Oma im Kampf gegen Rechts: Mit Nichtstun kann man nichts erreichen

Mit Spraydose und scharfer Klinge zieht Irmela Mensah-Schramm in den Kampf gegen Rechts. Seit 30 Jahren befreit sie die Straßen von Nazi-Propaganda. Ihre Ausbeute in zehn Jahren: 72.000 Aufkleber.

drucken