Presseschau ... 17.05.2016

+++Eskalation in der Lausitz: Neonazis greifen Anti-Kohle-Demonstranten an +++ Schweinskopf vor Merkels Büro in Stralsund +++ Rechtsextreme hinterlassen Schmiererei mit Rechtschreibfehler +++ Wie antisemitisch ist Deutschland? +++45 Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte seit Jahresbeginn

 

 

Eskalation in der Lausitz: Neonazis greifen Anti-Kohle-Demonstranten an

So schnell kann sich die Lage ändern: Nachdem Anti-Kohle-Demonstranten zwei Tage lang froh waren, bei ihren Protestaktionen in der Lausitz kaum Polizei gesehen zu haben, brauchten sie plötzlich selbst Polizeischutz. In der Lausitz, wo seit dem Freitag tausende Menschen die Zufahrtswege zu einem Kohlekraftwerk blockieren, ist die Lage in der Nacht eskaliert. Immer wieder bedrohten Gruppen von Anwohnern und Neonazis Demonstranten.
Am Samstagabend hatten sich zunächst rund 500 Anwohner, Kohlearbeiter und Neonazis am Fuße einer Gleisbrücke versammelt, um gegen eine Gleisbesetzung und eine vorherige Kraftwerksbesetzung zu demonstrieren. Hunderte Anti-Kohle-Aktivisten hatten zuvor das innere Kraftwerksgelände gestürmt und auch an Eingangstüren gerüttelt. Seit spätestens Samstagmittag ist das Kohlekraftwerk „Schwarze Pumpe“ aufgrund verschiedener Gleisbesetzungen komplett von der Kohlezufuhr abgeschnitten. Es musste seine Leistung bereits deutlich reduzieren.

 

Schweinekopf vor Merkels Büro in Stralsund

Unbekannte Täter haben vor dem Wahlkreisbüro von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Stralsund einen Schweinskopf mit beleidigender Aufschrift abgelegt. Der Tierkopf sei am frühen Samstagmorgen von Beamten eines Streifenwagens entdeckt worden, teilte die Polizei mit. Zu Details der Aufschrift wollte sich die Polizei nicht äußern. Merkel hat seit 1990 ihren Wahlkreis im Nordosten und immer das Direktmandat gewonnen.

 

Rechtsextreme hinterlassen Schmiererei mit Rechtschreibfehler

Rechtsextreme mit Rechtschreibschwäche: In Sachsen-Anhalt haben Unbekannte ein Flüchtlingsheim und zwei Grundstücke mit rechtsextremistischen Schmierereien beschädigt. Zunächst sprühten drei Täter am Pfingstsonntag ein Hakenkreuz und „ASYL GO HOM“ an eine Wand der Unterkunft in Bismark. Als ein junger Syrer sie angesprochen habe, seien die Täter geflüchtet, hieß es. Der Staatsschutz ermittele, teilte die Polizei am Montag in Stendal mit. Später wurden zwei weitere vergleichbare Schmierereien gemeldet. Betroffen waren eine Rentnerin sowie die stellvertretende Bürgermeisterin des Ortes, die jeweils ehrenamtlich Flüchtlingen helfen.

 

Wie antisemitisch ist Deutschland?

Deutschlands Strafverfolgungsbehörden haben 2015 fast 1400 antisemitische Straftaten erfasst. Volker Beck von den Grünen wirft der Regierung indes vor, die wahre Zahl der Delikte zu verschleiern. Die Bundesregierung teilte dem Abgeordneten auf Anfrage mit, dass 2015 insgesamt 1366 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund von den Ermittlungsbehörden erfasst wurden – bei 36 davon handelte es sich um Gewalttaten.
Auf den ersten Blick scheint die Zahl der Taten damit leicht rückläufig, denn ein Jahr zuvor hatte der kriminalpolizeiliche Meldedienst noch 1596 Straftaten gezählt (einschließlich 45 Gewalttaten). Grünen-Politiker Beck sieht die neue Statistik dennoch kritisch: „Der Rückgang gegenüber 2014 ist kein Grund zum Aufatmen“, sagt er, „jede einzelne der Taten ist ein konkreter Angriff auf Menschen und unsere Demokratie.“
Weil antisemitische und antiisraelische Straftaten gesondert registriert werden – die Behördenstatistik zählte im vergangenen Jahr 62 antiisraelische Straftaten –, wirft Beck den Behörden zudem Unschärfe vor. „Das Erfassungssystem antisemitischer Straftaten ist intransparent und durch die getrennte Erfassung von Antisemitismus und Israelfeindlichkeit in einem getrennten Bericht verschleiernd“, sagte Beck dem Tagesspiegel. „So lange beispielsweise ein Brandanschlag auf eine Synagoge nicht als antisemitisch sondern als Teil des Nahostkonflikts gesehen wird, ist diese Aufspaltung mehr als zweifelhaft.“

 

45 Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte seit Jahresbeginn

Fast zehn Anschläge pro Monat: Seit Beginn des Jahres haben 45 Flüchtlingsunterkünfte gebrannt. Die Zahl nannte der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, laut einem Bericht der Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Uns bereitet vor allem Sorge, dass die Qualität der Gewalt steigt", sagte Münch.
Die Täter seien überwiegend männlich und fast 80 Prozent kämen aus dem Ort, an dem auch die Straftat verübt wurde. Aktuell gebe es keine Erkenntnisse zu überregionalen rechtsextremistischen Strukturen, die gezielt Anschläge auf Flüchtlinge organisieren."Allerdings sehen wir durchaus das Risiko der Bildung krimineller oder gar terroristischer Strukturen - ausschließen dürfen wir das nicht und nehmen diese Gefahr sehr ernst", sagte Münch. Er zeigte sich auch besorgt über die steigende verbale Gewalt im Internet. "Die Zahl der Delikte, die wir hier im Jahr 2015 registriert haben, hat sich innerhalb eines Jahres verdreifacht und liegt bei etwa 3000 Fällen", sagte er. "Wir gehen davon aus, dass verbale Gewalt eine Vorstufe für Übergriffe auf Flüchtlinge sein kann - die Sprache kommt häufig vor der Tat."

 

AfD-Kooperation mit Front national: „Alle politischen Schamgrenzen verloren“

Auf EU-Ebene sitzt die AfD in einer Fraktion mit der Front National. Eine noch engere Kooperation ist nicht ausgeschlossen. Europapolitiker von SPD, Grünen und FDP sehen in einer Kooperation der Alternative für Deutschland (AfD) mit anderen rechtspopulistischen Parteien im EU-Parlament eine Bedrohung für den europäischen Zusammenhalt. Hintergrund ist ein Vorstoß des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke, der sich für ein Treffen von Parteichefin Frauke Petry mit der Vorsitzenden des französischen Front National (FN), Marine Le Pen ausgesprochen hatte.
Der FN strebt inzwischen tatsächlich ein Treffen mit Petry an. Zudem solle Petry zum nächsten FN-Parteitag eingeladen werden, kündigte der FN-Delegationsleiter im Europaparlament, Edouard Ferrand, laut einem Bericht des "Spiegel" an. Beide Parteien hätten gemeinsame Interessen, erklärte er. Petry habe noch keine Einladung erhalten, sagte ihr Sprecher auf Anfrage.

 

Demo in Erfurt: Thüringer AfD lädt Pegida ein

Die Thüringer AfD will erneut vor dem Erfurter Dom Menschen versammeln. Am kommenden Mittwoch, 18. Mai, ruft die Partei zu einer Kundgebung auf – das Motto: „Unser Land, unsere Kultur, unsere Entscheidung!“ Dieses Mal sollen auch Vertreter der flüchtlingsfeindlichen Pegida-Bewegung da Wort ergreifen.
Das der Thüringer AfD-Landesverband nun noch stärker die Nähe zu Pegida sucht, wundert indes nicht. Schließlich hatte AfD-Landeschef Björn Höcke vor einigen Wochen beim Parteitag in Arnstadt Pegida als eine „Vorfeldorganisation der AfD“ bezeichnet und den Sympathisanten gedankt. Auch Höcke wird kommenden Mittwoch vor dem Dom sprechen. Bevor allerdings Redner ans Pult treten, wird Rapper Chris Ares bereits um 17 Uhr auftreten. Ares war in den vergangenen Monaten mit rechtspopulistischen Texten in der Szene immer stärker in den Blickpunkt gerückt.

 

Frankfurter AfD-Mann: „Die AfD oder sonstige Nazis“

Die AfD biegt in einer Haushaltsdebatte im Frankfurter Römer falsch ab. AfD-Mitglied Horst Reschke rutscht dabei ein Satz heraus, der für eine sehr lange Zeit in Erinnerung zu bleiben könnte. Es war schon spät im Frankfurter Römer, die Debatte über den Nachtragshaushalt neigte sich dem Ende zu, als sich Horst Reschke, Mitglied der AfD-Fraktion, bemüßigt sah, das letzte Wort zu haben. Reschke, ein pensionierter Polizist, sagte wenig zum eigentlichen Thema, dafür umso mehr zu einem anderen, nämlich zu den Flüchtlingen.
Reschke sprach über Schwierigkeiten bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Auf einem alten Flugplatz, mitten im Grünen, sollen demnächst bis zu 350 Flüchtlinge leben, was eine Debatte über den Naturschutz ausgelöst hat. Und auf einmal sagte Reschke diesen Satz, dessen Bedeutung er selbst wohl erst komplett erfasste, als Rahn sie ihm später zuraunte. Auf die Naturschutzprobleme am Flugplatz hätten zuerst andere hingewiesen, sagte Reschke also. Und er fügte hinzu: „Es waren nicht wir von der AfD oder sonstige Nazis.“

 

Neonazis im Hofbräukeller: Petry spricht vor rechtem Publikum

Knapp 500 Besucher waren am Freitagabend in den Münchner Hofbräukeller gekommen, um einen Vortrag von AfD-Chefin Frauke Petry zu hören. Doch ein Gast sorgte nach der Veranstaltung noch für Schlagzeilen. Wie mehrere Medien berichten, saß an diesem Abend auch der Rechtsterrorist Thomas Schatt im Publikum. Er war im Zuge des geplanten Bombenattentats auf das Jüdische Gemeindezentrum 2003 zu einer Haftstrafe verurteilt worden. "AfD-Petry spricht vor Terror-Nazi", vermeldete die "Bild"-Zeitung.
Für Petry ist der Neonazi ein unerwünschter Gast: "Menschen, die solche Inhalte vertreten, haben bei uns keine politische Heimat", erklärt sie auf Anfrage. Ebenfalls im Saal: Weitere bekannte NPD-Aktivisten, Pegida-Mann Stefan Schachtl und Chris Ares vom „Bündnis Deutscher Patrioten“. Die Neonazis dürften sich wie alle anderen Gäste per E-Mail vorab angemeldet und 18€ für den Eintritt bezahlt haben.

 

Pegida München spaltet sich

Bei Pegida München fliegen die Fetzen. Ausnahmsweise geht es bei der rechten Gruppe diesmal aber nicht gegen Flüchtlinge, die Münchner Stadtspitze oder die Lügenpresse - sondern gegeneinander. Pegida-Chef Heinz Meyer hat zwei Mitstreiter der ersten Stunde kaltgestellt: Beisitzer Stefan Werner und Redner Hartmut Pilch. Auslöser war die Solidaritätsbekundung für die AfD vor dem Münchner Hofbräukeller am vergangenen Freitag. Pegida-Chef Heinz Meyer stellt offen klar: "Pegida München bzw. Pegida Bayern hat mit dieser überflüssigen Versammlung nichts zu tun."
Der geschasste, Stefan Werner, ehemaliger NPD_Funktionär, hatte zu der Veranstaltung aufgerufen. Er spricht von „monatelangem Agitieren gegen ihn“ und kündigt an: „Wir machen weiter“. Seinem Kontrahent Heinz Meyer werden Kontakte zum verurteilten Rechtsterroristen Martin Wiese vorgeworfen. Seit fast vier Jahren ermittelt deshalb das Bayerische Landeskriminalamt im Auftrag des Generalbundesanwalts wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen Meyer. Ideologische Differenzen haben den Split bei Pegida München also offenbar nicht ausgelöst. Vielmehr geht es wohl um Rangansprüche in der rechten Szene.

 

Aktion „Festung Europa“ Dresden: Die gleichen Parolen wie Pegida

Etwa 2 000 bis 2 800 Menschen kamen zu einer Kundgebung der islam- und fremdenfeindlichen Aktion „Festung Europa“ in Dresden. Bei der Kundgebung am Goldenen Reiter wurden auch einzelne Vertreter der rechtsextremistischen NPD und der neurechten „Identitären Bewegung“ beobachtet. Etwa 200 Gegendemonstranten begleiteten das zweistündige Ereignis mit Sprechchören und lauten Pfiffen.
Hauptrednerin war Tatjana Festerling, die in den vergangenen Wochen verschiedene Länder besucht und versucht hat, ein europaweites Bündnis aus Pegida ähnlichen Aktionen zu schmieden. Im Ergebnis dieses Bündelungsversuchs sprachen auf der Veranstaltung Redner aus einem halben Dutzend Ländern. Sie sangen Loblieder auf die Deutschen und ihre Tugenden und warnten vor „Überfremdung“. Das Publikum nahm Anti-Merkel-Stichworte gern auf und rief die Parolen, die von einigen Tausend Demonstranten immer montags in Dresden gerufen werden.

 

Pogida marschiert am Mittwoch wieder durch Potsdam

Nach fast sechs Wochen Pause will die rechte Pogida-Bewegung am Mittwoch wieder durch Potsdam marschieren. Es soll der elfte sogenannte „Abendspaziergang gegen die Islamisierung des Abendlandes“ werden. Auch Gegendemonstrationen sind wieder geplant. Die islamfeindliche Pogida-Bewegung war zuletzt am 7. April durch Potsdam marschiert. Damals waren nur noch 50 Anhänger gekommen – während sich auf der Seite der Gegendemonstranten rund 500 Menschen versammelt hatten.

 

Neonazi Hoffmann veröffentlicht interne Ermittlungsakten

München/Nürnberg - Der fränkische Rechtsextremist Karl-Heinz Hoffmann ist offensichtlich in den Besitz brisanter Ermittlungsakten gelangt, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Er veröffentlichte einige Seiten davon aber im Internet – und hat jetzt massiven Ärger mit der Staatsanwaltschaft.
Sie sind Teil von internen Ermittlungsakten der Nürnberger Staatsanwaltschaft gegen sechs Beamte des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA), die in die sogenannte V-Mann-Affäre verwickelt sind. Ein Teil der Affäre wird zur Zeit vom Landgericht in Würzburg aufgearbeitet. Dort muss sich in einem Berufungsprozess Mario F. verantworten, ein mehrfach vorbestrafter Ganove, der für das LKA als V-Mann arbeitete und die Rockergang „Bandidos“ in Regensburg auskundschaftete. Mit knapp zehn Gramm Amphetamin war er in der Oberpfalz von einer Polizeistreife erwischt worden.
Das Bayerische Landeskriminalamt zählt in Hoffmanns Gedankenwelt zu den herausstechenden Feindbildern, wie unzähligen Beiträgen von ihm auf seiner Internetseite zu entnehmen ist. Der Rechtsextremist macht das LKA dafür mitverantwortlich, dass er bis zum heutigen Tag mit dem Oktoberfest-Attentat (1980) in Verbindung gebracht wird, obwohl die Ermittlungen gegen ihn zwei Jahre nach dem schwersten Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik eingestellt worden seien.

 

Bonn: Rechtsextreme stören Gedenken an 17-Jährigen

Ausgerechnet die Gedenkstätte für einen erschlagenen Jugendlichen haben in Bonn rechtsextreme Demonstranten für einen bizarren Auftritt missbraucht. Der 17-Jährige hatte am Vorwochenende mit ein paar Freunden das Fest "Rhein in Flammen" besucht. Auf dem Rückweg wurden sie am Bahnhof des ehemaligen Bonner Diplomatenviertels Bad Godesberg von drei Männern attackiert. Niklas erlitt so schwere Verletzungen, dass er in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai verstarb.
Augenzeugen berichten, dass die Polizei die Teilnehmer der unübersehbar rechtsextremen Kundgebung bis zu der Gedenkstätte durchließ. Angeblich wurden kondolierende Bürger und Freunde des verstorbenen Niklas sogar von der Polizei aufgefordert, den Platz zu verlassen. Die Demonstranten tragen Schilder, auf denen Parolen wie "Blutopfer Niklas" stehen, und schwenken dazu Fahnen mit szenetypischen Symbolen. Was hat dieser wirre Auftritt mit Niklas zu tun?
Zwei der noch immer flüchtigen Täter sollen einen "braunen Hauttyp" und "schwarze Haare" haben, so heißt es im Fahndungsaufruf der Polizei. Das reichte den selbsternannten Abendland-Rettern der "Pegida"-Szene schon, um am Samstag unter dem Motto "Stoppt die Gewalt" bei Kundgebungen vor "Gewalt an Deutschen durch vermutlich Ausländer" zu warnen. Aufgerufen zu der rechtsextremen Veranstaltung hatte die vom Düsseldorfer Pegida-Ableger "Dügida" bekannte und in Bonn auch bei "Bogida" aktive Melanie Dittmer. Die 37-Jährige ist erst vor zwei Wochen vom Amtsgericht Düsseldorf wegen Volksverhetzung zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

 

„Identitäre“ in Sachsen-Anhalt: Übliches Neo-Nazi-Klischee trifft nicht zu

Der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalts hat nach eigenen Angaben „ein Auge auf die „Identitäre Bewegung“ geworfen“. Der Chef der Behörde, Jochen Hollmann, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir haben Indizien, die in Richtung Rechtsextremismus deuten, aber es ist noch zu früh für einen abschließenden Stempel.“ Der Referatsleiter Rechtsextremismus beim Verfassungsschutz, Hilmar Steffen, beschrieb die „Identitäre Bewegung“ als eine recht junge Gruppierung, die fremden- und islamfeindliche Agitation betreibe. Punktuell weise sie auch personelle Überschneidungen mit rechtsextremistischen Bewegungen auf.
Die Gruppierung bekannte sich auf ihrer Facebook-Seite dazu, im März den Eingang eines Probewahllokals für Migranten in Halle zugemauert zu haben. Außerdem rühmte sie sich für eine Banneraktion im August vergangenen Jahres. Damals entrollten „Identitäre“ ebenfalls in Halle ein nach eigenen Angaben 30 Meter langes Banner auf dem Dach eines leerstehenden Hochhauses. Die Aufschrift lautete: „Stopp den Austausch“. Anhänger schwenkten die schwarz-gelbe Flagge mit dem Logo der Bewegung: einem gelben Kreis mit Lambda-Zeichen im Inneren auf schwarzem Grund.

 

Unverhohlene Drohung: Fotos und Namen von Journalisten online gestellt

In Schwerin und Demmin gab es Anfang Mai gleich zwei Demonstrationen der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Am darauffolgenden Tag werden auf einer NPD-nahen Facebook-Seite Fotos der anwesenden Journalisten und deren Namen veröffentlicht. Nur kurz zuvor hatte Fraktionschef Udo Pastörs in seiner Rede von „Journallie-Schmierern“ und „Schweinejournalismus“ gesprochen.
Am Tag nach der Demo landeten dann auf einer rechtsextremen Facebook-Seite unberechtigterweise etliche Fotos der an dem Tag in Schwerin anwesenden Journalisten. Dort werden diese als „Linksfaschisten“ diffamiert, die Fotos der Demonstrations-Teilnehmer nicht verfremden würden.
„Diese Veröffentlichungen sind klarer Bestandteil einer Einschüchterungsstrategie“, erklärt LOBBI, der Beratungsverein für Betroffene rechter Gewalt. Zudem zeigten solche Neonazi-Aktionen bereits Wirkung: „Immer weniger Journalisten sind bereit, von solchen Auftritten zu berichten“, so ein Mitarbeiter. Dass es nicht immer bei reinen Bedrohungsszenarien bleibt, zeigt ein Vorfall vom Februar im Nachgang einer Mvgida-Demonstration. Dort schlug ein ehemaliger HDJ-Kader auf einen Pressevertreter ein und verletzte diesen.

 

Irre Gerichtsshow: Reker-Attentäter sucht rechten Verteidiger

Am vierten Verhandlungstag gegen Frank S., den mutmaßlichen Attentäter auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, hielt er am Freitag am Oberlandesgericht Düsseldorf, als er in den Saal geführt wurde, plötzlich einen Zettel hoch. Darauf: „Suche mutigen rechten Pflichtverteidiger auch für Revision nicht aus Köln. Schreiben an...“ Dann folgen sein Name und die Anschrift der JVA Köln und sein Geburtsdatum.
Während der Verhandlung wettert er gegen seine Anwälte: „Ich möchte meinen Anwälten das Vertrauen entziehen.“ Besonders auf Miseré hat er es abgesehen. Der habe nicht von ihm genehmigte Stellungnahmen an die Presse gegeben.
Frank S redet sich in Rage, unterbricht die Vorsitzende Richterin, obwohl sie ihm das Wort entzieht. Richterin Barbara Havliza: „Sie halten jetzt den Mund. Sie können hier nicht Personen mit wilden Behauptungen überziehen. Wenn Sie ernsthaft wollen, dass ihre Anwälte entbunden werden sollen, müssen Sie einen Antrag stellen, schriftlich mit nachvollziehbaren Gründen.“ Schon an den vorangegangenen Prozesstagen hatte er eine Postkarte mit „Ich hasse Sandburgen“ und dem Artikel über Meinungsfreiheit aus dem Grundgesetz gezeigt.

 

Hildburghausen: Demokratie-Fest mit harschen Auflagen

Das Gewerbegebiet "Schraube" in Hildburghausen (Thüringen) am Samstagnachmittag. Das Areal ist mit Gittern abgesperrt, weiße Planen verhindern, dass man direkt auf den Platz sehen kann. Rundherum haben sich Polizeiwagen postiert, manche der rund 300 Besucher werden dort schon von der Polizei kontrolliert. Innen hängen bunte Plakate an den Absperrungen. "Kein Rassismus, für Toleranz und Miteinander" steht darauf. Es gibt Stände mit Infomaterial von Demokratie-Initiativen und Flüchtlingshilfe. Auch die Satire-Partei "Die Partei" ist mit einem Stand vertreten. Auf der Bühne spielt eine Thüringer Punkband, davor tanzen eine Handvoll Leute.
Im Vorfeld hatten die Veranstalter des Demokratie-Bündnisses "Solibri" die Auflagen der Ordnungsbehörde des Landkreises für das Festival "Open Air for Open Hearts" kritisiert: Kein Alkohol bis 20 Uhr, dann nur Leichtbier, Getränke dürfen Besucher grundsätzlich nur bis maximal einen halben Liter mit aufs Gelände nehmen - in Plastikflaschen. Glasflaschen und Dosen sind verboten, da sie laut Auflagenbescheid "als Wurfgeschosse gegen Polizisten und Andersdenkende" eingesetzt werden könnten. Auch Versorgungsstände sind auf dem Gelände verboten. Schließlich durften die Veranstalter Getränkewägen und Bratwurststand auf einem Privatgrundstück direkt neben dem Festivalgelände aufstellen. Dort sitzen an diesem Nachmittag auch die meisten Menschen. Der Platz vor der Bühne wirkt deshalb zwischenzeitlich leer.Auch Strom und Wasser wollte die Stadt nicht zur Verfügung stellen. Es ist eine Woche nach dem Neonazi-Konzert, an dem 3.500 Menschen teilgenommen haben.

 

Wie die FPÖ Österreich verändert: „Bis zur Heimholung Südtirols“

Österreich steht Kopf: Touristen sind willkommen, Flüchtlinge nicht. Der Kanzler ist zurückgetreten, ein möglicher Bundespräsident trägt ein altes Nazi-Symbol am Revers. Und dann geht es auch noch um Registrierkassen. Der entscheidende, Österreich vermutlich sehr ins Blau-Dunkle rückende Termin ist der 22. Mai, die Stichwahl des Bundespräsidenten. Es treten an: Norbert Hofer von der rechten FPÖ mit 35 Prozent im ersten Wahlgang, dahinter der favorisierte Grüne Alexander van der Bellen mit 22 Prozent. Die Kandidaten der regierenden Sozial- und Christdemokraten landeten abgeschlagen bei je knapp über 10 Prozent und sind nicht mehr dabei.
Außerhalb der Städte, in den Landgemeinden, lässt sich noch gut Angst haben vor den Asylbewerbern, die uns den Fernsehabend verderben. In Tirol haben zwei Drittel der Gemeinden noch keinen einzigen Flüchtling beherbergt. Und besonders zahlreich Hofer gewählt. Dafür floriert der Fremdenverkehr. Verkehrte Welt. Bei den Landtagswahlen in Oberösterreich hat die FPÖ in jenen Orten, in denen Flüchtlinge untergebracht sind, meist schlechter abgeschnitten als in solchen ohne.

 

Wer wählt die Populisten?

Kaum eine europäische Wahl verging in den letzten Monaten ohne die sorgenvollen Leitartikel am Tag danach: über den Triumph der Vereinfacher, den Niedergang der etablierten Parteien und die Krise der Demokratie. In Frankreich dominiert der Front National die politische Landschaft, in Deutschland zog die AfD bei den Landtagswahlen gleich in drei Landtage ein, in den von Sachsen-Anhalt gar mit 24,2 Prozent, und in Österreich erreichte in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl der Kandidat der FPÖ, Norbert Hofer die meisten Stimmen und brachte so indirekt auch den sozialdemokratischen Kanzler Werner Faymann zu Fall. Wer wählt diese rechtspopulistischen Parteien, und warum?

 

Sachsen fehlt es an Demokratieverständnis

Übergriffe und Hetze gegen Flüchtlinge sind keine sächsischen "Spezialitäten". Angriffe und asylfeindliche Demonstrationen gibt es auch in anderen Teilen Deutschlands. Aber in Sachsen gibt es eine Häufung von Gewalttaten, wie beispielsweise die Vereine RAA Opferberatung und das Kulturbüro Sachsen auflisten. Seit 2014 ist ein signifikanter Anstieg an Übergriffen gegen Nicht-Rechte und verschiedene öffentliche Einrichtungen zu verzeichnen. Und in Sachsen ist der Rassismus in breiten Teilen der Gesellschaft anschlussfähig.
Wie die Gewalteskalation in Heidenau im letzten Sommer gezeigt hat, stehen „besorgte Bürger“ neben dem randalierenden Mob und bekunden ihren Zuspruch zu rassistischen Ausschreitungen. Das Geschehen in Heidenau liegt dabei eher in einer Linie mit „Rostock- Lichtenhagen“ als mit anderen Brandanschlägen wie es sie überall im Sommer gab. Meissen, Freital, Heidenau, Clausnitz und Bautzen sind Fanale und zeigen nur die krassesten Beispiele von rassistisch motivierter Gewalt in Sachsen. Eine Gewalt, die sogar in weiten Teilen der gesellschaftlichen Mitte als berechtigt empfunden wird. Dass mit den Vereinigungen „Oldschool Society“ und der Freitaler Bürgerwehr innerhalb eines Jahres gleich zwei rechtsterroristische Gruppierungen verhaftet wurden, verdeutlicht, wie stark der rechte Terror in Sachsen organisiert ist.

https://causa.tagesspiegel.de/sachsen-fehlt-es-an-demokratieverstandnis.html

 

Syrische Flüchtlinge als Retter: Mann beißt NPD-Politiker

Am 16. März 2016 kommt bei Büdingen, eine Autostunde von Frankfurt am Main entfernt, ein 29-Jähriger mit seinem VW von der Bundesstraße 521 ab. Die Polizei vermeldet den Unfall kurz und knapp in einer Pressemitteilung: "Fahrt endet am Baum". So weit, so gut, so normal.
Fünf Tage später erhält der Redakteur Hanning Voigts von der "Frankfurter Rundschau" den Hinweis, bei dem Autofahrer handele es sich um den NPD-Mann Stefan Jagsch, Flüchtlinge seien dem Verunglückten zuerst zu Hilfe geeilt. Bei Voigts setzt der journalistische Mann-beißt-Hund-Reflex ein. Eine echte News, denkt er und recherchiert – wie er es in seinem Blog anschaulich beschreibt – "einmal quer durch die Wetterau". Das Ergebnis: "Polizei, Feuerwehr und andere Beteiligte bestätigten mir meine Informationen und nannten weitere Details". So weit, so gut, so normal.
Dann recherchiert der Blogger Ramin Peymani. Die Rettung des NPD-Mannes sei "offenbar" wie folgt abgelaufen: Einer der zwei Busfahrer sei ausgestiegen, um zu schauen, was getan werden könne. "Er rief seinen Kollegen zu sich, um ihm zu helfen, den verunglückten Fahrer loszuschnallen und aus dem Auto zu befreien. Später stiegen auch einige Asylbewerber aus den Bussen und traten hinzu." Nach Darstellung Peymanis sind "die zwei Syrer" also Zuschauer und nicht Ersthelfer gewesen. Als Quelle nennt er namentlich nicht genannte "Vertreter der beteiligten Einsatzkräfte sowie die Mitarbeiter der Behörden".
Peymanis Beitrag erscheint auf diversen Portalen der neurechten Szene, in der die Angaben als Beleg für den Vorwurf der "Lügenpresse" gewertet werden. "FR"-Redakteur Voigts wird in der Folge mit Hass- und Wutmails von Leuten überzogen, die Peymanis Version zur einzig glaubwürdigen Wahrheit erklären.

 

Denkmal in Frankfurt enthüllt: Späte Ehrung für Fritz Bauer

70 Jahre nach Kriegsende würdigt man in der Stadt einen Juristen, der in den 60er Jahren angefeindet wurde: Fritz Bauer. Er war Emigrant und Jude. Vor allem aber brachte er als hessischer Generalstaatsanwalt viele Nazis vor Gericht. An Fritz Bauer erinnert seit gestern ein Felsstück vor der Oberstaatsanwaltschaft.
Heute ist von Fritz Bauer vor allem die Hartnäckigkeit in Erinnerung, mit der er vor 50 Jahren den Frankfurter Auschwitz-Prozess auf den Weg gebracht hatte. Wir stark der Widerstand gegen den jüdischen Generalstaatsanwalt war, zeigte sich nach Kulturdezernent Felix Semmelroth auch daran, dass die NPD 1966 in den Landtag gewählt worden ist. Oberbürgermeister Peter Feldmann erinnerte daran, mit welchem Einsatz Bauer gegen das Unrecht in der Nazi-Zeit gekämpft hat. „Mehr als 200 Zeugen, ehemalige Häftlinge, sagten aus.“ Das Problem der Nachkriegsgesellschaft sei der Unwille gewesen, das Unrecht anzuerkennen.

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