Presseschau ... 11.01.2017

+++ Erneut Schilder-Diebstahl in Buchenwald +++ Prozess-Auftakt gegen Neonazi-Band „Kaltes Judenleder“ +++ Attacke auf Geflüchtetenunterkunft in Töging: Drei Schuld- und fünf Freisprüche +++

 

Erneut Schilder-Diebstahl in Buchenwald

Schon wieder ist in Buchenwald ein Schild gestohlen worden. Nachdem in der vergangenen Woche eine Tafel am Eingang zur KZ-Gedenkstätte verschwand, entwendeten Unbekannte in der Nacht zum Dienstag das Ortseingangsschild. Vor einer Woche war das Eingangsschild der Gedenkstätte Buchenwald gestohlen wurden. Die Diebe sägten den Mast ab und nahmen die Tafel samt Halterung mit.

 

Prozess-Auftakt gegen Neonazi-Band „Kaltes Judenleder“

Massive Hetze gegen Minderheiten, Verherrlichung des Nationalsozialismus: Seit Montag sitzt die Band „Kaltes Judenleder“ auf der Anklagebank. Vor dem Schöffengericht Betzdorf wurde Montagmorgen ein Prozess eröffnet, dem langwierige Ermittlungsarbeit vorausging. Anfang September 2012 war es, als Wohnungen in Wissen, Siegen und im oberen Westerwald durchsucht wurden. Entdeckt wurden dabei Waffen nebst Munition – und zahlreiche CDs. Wo die drei Angeklagten, zwischen 30 und 34 Jahren alt, politisch stehen, das machen sie in ihren Liedern mit Zeilen wie „Wir sind keine Kinder der Demokratie“ und „Arisches Blut soll nicht untergehen“ deutlich. Darüber hinaus bestehen die Texte aus übelster Hetze und Gewaltandrohungen gegen Juden, Ausländer, Homosexuelle, geistig behinderte Menschen und Obdachlose. Verherrlicht werden dagegen Adolf Hitler und der Nationalsozialismus.

 

Attacke auf Geflüchtetenunterkunft in Töging: Drei Schuld- und fünf Freisprüche

Drei Tage lang haben sie verhandelt, doch am Ende bleibt von den Vorwürfen nicht viel übrig: Im Fall einer Attacke von Jugendlichen auf die Töginger Asylbewerberunterkunft (Kreis Altötting) hat das Jugendschöffengericht Mühldorf am Dienstag die Urteile gesprochen. Während der als Haupttäter geltende 16-Jährige mit einer zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafe belegt wurde, kann sich der Großteil seiner Bekannten über Freisprüche freuen. Fünf der acht Angeklagten kann nach Ansicht des Gerichts nichts Stichhaltiges nachgewiesen werden. Zwar seien sie bei den Tumulten im April 2016 unzweifelhaft mit vor Ort gewesen, doch konkrete Tatnachweise seien nicht erbracht worden. Inklusive weiterer Delikte verurteilten die Richter den 16-jährigen Rädelsführer am Ende zu 16 Monaten Haft, wobei sie die Strafe zur Bewährung aussetzten. Den 19-jährigen Bekannten des Hauptangeklagten verurteilte das Gericht zu einem zweiwöchigen Dauerarrest.

 

Prozess gegen Nauener Neonazis: Vorwurf der kriminellen Vereinigung fallen gelassen

Im Prozess um den Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Nauen geht es nicht mehr um die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Übrig bleiben der Anklagepunkt Brandstiftung und der Vorwurf weiterer rechtsextremer Straftaten. Das Potsdamer Landgericht folgte am Dienstag einem Antrag der Staatsanwaltschaft, den Anklagepunkt "Bildung einer kriminellen Vereinigung" fallen zu lassen. In der Verhandlung am Dienstag ging es zudem um Sachbeschädigungen an einem Parteibüro der Linken im Juni 2015. Ein Beschuldigter, der Klebstoff in die Schlösser und Briefkästen gefüllt hatte, bot an, die Rechnung zu bezahlen.

 

NSU-Prozess-Blog: Beate Zschäpe erklärt, das eigentliche Opfer ist sie selbst

 Für Beate Zschäpe entscheidet sich in diesen Monaten, wie es mit ihrem Leben weitergeht. Eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen der Mittäterschaft an zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen der rechten Terrorzelle NSU ist höchstwahrscheinlich. Ebenfalls im Raum steht die anschließende Sicherungsverwahrung wegen anhaltender Gefährlichkeit – das würde Jahrzehnte hinter Gittern bedeuten, womöglich bis zum Tod. Zschäpes Anwalt Mathias Grasel verlas am Dienstag eine Erklärung seiner Mandantin zu dem psychologischen Gutachten über sie, das sie für schuldfähig und anhaltend gefährlich erklärt.

 

Die rechte Hassbewegung und ihre Facebook-Armee

"Hallo, liebe Patrioten (…) Wir haben es geschafft! Wir haben gezeigt, dass sich Widerstand lohnt!" Ende Juni 2016 mobilisieren Neonazis mit dieser Botschaft zur "Ein-Jahr-Feier" ins sächsische Freital. Der Ort mit seinen rund 40 000 Einwohnern hatte ein Jahr zuvor als "Sachsens Keimzelle für Fremdenhass" (Tagesspiegel) für fragwürdige Furore gesorgt. Eine Koalition aus Anwohnern und organisierten Rechtsextremen wollte durch massive Proteste verhindern, dass Flüchtlinge im ehemaligen Leonardo Hotel in der Stadt untergebracht werden. Als Stadt voller Wut, mit einer "Lust auf Lynchen", beschrieben Reporter die Stimmung im Sommer 2015. Ein Vorabdruck aus dem „Jahrbuch rechte Gewalt“ von Andrea Röpke.

 

Heftiger Streit spaltet niedersächsische AfD

Kurz vor der Bestimmung der Bundestagskandidaten spitzt sich der Streit innerhalb der niedersächsischen AfD zu. Der Landesvorstand droht dem ostfriesischen Parteichef Pieters nun sogar mit Amtsenthebung. Der Mann hatte Parteichef Hampel scharf kritisiert. Pieters gilt als Kritiker von Landesparteichef Armin-Paul Hampel, der nach Ansicht von Pieters zu sehr am rechten Rand fischt. Nach einer Rede des Parteichefs vor dem für extrem rechte Referenten bekannten „Arbeitskreis für deutsche Politik“ im November hatte Pieters Hampel scharf kritisiert. Der AfD-Bundesvorstand sei nun „als geschichtsloser Geselle“ gebrandmarkt, erklärte Pieters damals. Ob dies hinter dem Verfahren steht, ist offen.

 

„Die Rechte“ in Ostwestfalen: Rechtsextreme klagen Girokonto ein

Der Kreisverband Ostwestfalen-Lippe der rechtsextremistischen Partei „Die Rechte OWL“ hat nach eigenem Bekunden Klage gegen die Sparkasse Bielefeld eingereicht. Die Partei will damit erreichen, dass sie bei dem Geldinstitut ein Girokonto eröffnen kann. Einen entsprechenden Antrag vom Februar 2016 habe die Sparkasse Bielefeld mit dem Hinweis abgelehnt, das noch Unterlagen fehlten.

 

Geschichtsrevisionistischer „Trauermarsch“ im Februar in Würzburg

Die Stadt Würzburg in Unterfranken wird im nächsten Monat mit einer Neonazi-Demonstration konfrontiert. Wie die Minipartei „Der III. Weg“ auf ihrer Internetseite bekannt gibt, plant sie für den 18. Februar einen so genannten Gedenkmarsch am Hauptfriedhof. Die Aktion soll unter dem Motto „Ein Licht für Dresden“ stehen und um 15.30 Uhr stattfinden. Sie ist als Ersatzveranstaltung für die Aufmärsche in Dresden konzipiert, wo sich teilweise mehrere tausend Neonazis zum Jahrestag der Bombardierung versammelt hatten.

 

Legida demonstriert jetzt nicht mehr – Ist jetzt auch Pegida am Ende?

Kabarett statt Aufmarsch: Die Legida-Organisatoren beenden ihre Montagsdemos und kündigen neue Formen des Protests an. Der Dresdner Reporter Johannes Filous sagt, dass „Legida“ von Beginn an mit stärkerem Gegenwind leben musste als sein Dresdner Pendant, warnt aber vor der rechten Untergrund-Bewegung.

 

„Volksverräter“ Unwort des Jahres: Dresden gewinnt wieder mit

Sie erklingen nicht nur in Dresden, aber dank Pegida & Co. besonders laut und regelmäßig in Dresden, die jeweiligen Unworte des Jahres. 2014 machte der Begriff „Lügenpresse“ das Rennen, im Folgejahr war es „Gutmensch“. Jetzt ist das Sortiment jener Beschimpfungen endlich komplett, mit denen radikale Sorgenbürger ihre Hauptfeinde (Medien, grundsätzliche Bejaher einer Willkommenskultur, Politiker) am liebsten titulieren: Am Dienstag wurde „Volksverräter“ zum Unwort des Jahres 2016 gekürt. Der Begriff stammt aus dem 19. Jahrhundert und war vor allem während der NS-Zeit besonders populär.

 

Kommentar Unwort des Jahres: Wer „Volksverräter“ benutzt, denkt die Strafe gleich mit

Geht es ums Verunglimpfen des politischen Gegners, bedienen sich Populisten gern aus dem Sprachschatz der Nationalsozialisten. Auch das Unwort des Jahres, "Volksverräter", hat seinen Ursprung im Dritten Reich. Wer es heute benutzt, denkt die Strafe gleich mit. Dass dieses Wort Zuwanderungsgegnern, Populisten und Demagogen ebenso selbstverständlich über die Lippen geht wie "Wir sind das Volk!", darf nicht einfach schulterzuckend hingenommen werden. Denn solche Parolen sind nicht nur Ausdruck des Protests gegen die politische Elite - sie unterstellen auch, dass nur diejenigen, die sie auch aussprechen, Teil des "wahren" Volkes sind. Damit beanspruchen AfD, Pegida und Co. die Deutungshoheit über den Volkswillen für sich. Und das ist in vielerlei Hinsicht gefährlich.

 

Während Deutschland entgleiste: Roman von Jasmin Ramadan über Rassismus der Mitte

In „Hotel Jasmin“ lässt die Autorin von „Soul Kitchen“, Jasmin Ramadan, die ProtagonistInnen ihren Rassismus selbst entlarven.

 

Schnelle musikalische Eingreiftruppe gegen Rechts

Heinz Ratz und Konstatin Wecker gründen das „Büro für Offensivkultur“ (BOK). Ratz und Wecker sind sich einig, dass sich engagierte Künstler wieder stärker in gesellschaftliche Diskussionen und Prozesse einmischen und dabei auch eine „klare Kante“ gegen rechte Strömungen und Stimmungen zeigen müssen. Der Grundgedanke des BOK: Wo es dringend eines künstlerischen Ausrufezeichens bedarf, um rechten Umtrieben Einhalt zu gebieten, dort können Aktivisten vor Ort sich mit dem BOK in Verbindung setzen und die sich als kulturelle Eingreiftruppe verstehende Initiative mobilisieren. Das BOK will will dann im Idealfall möglichst schnell eine öffentlichkeitswirksame antifaschistische Antwort auf die Beine stellen. Helfen soll dabei ein Netzwerk von Künstlern, Journalisten, Bühnen- und Tontechnikern, potenziellen Veranstaltern aber auch von Anwälten, die sich mit ihrem Erfahrungsschatz einbringen

 

Ein großer Analytiker der „flüchtigen Moderne“: Soziolge Zygmunt Baumann gestorben

Er war einer der großen Gegenwartsanalytiker, beschrieb unsere Zeit als "flüchtige Moderne". Nun ist der polnische Sozialwissenschaftler Zygmunt Bauman in England gestorben. Er wurde 91 Jahre alt. "Liquid Modernity", heißt sein zentrales Werk im Original, es erschien 2003 unter dem deutschen Titel "Flüchtige Moderne", aber es könnte auch verflüssigte Moderne heißen. Beschrieben hat der Soziologe Zygmunt Bauman darin die Schattenseiten der postmodernen Gesellschaft: Überbetonung des Marktes, ungefilterte Kommunikation, Fehlen von Gemeinsamkeiten.

 

Berufungsverfahren zu Breiviks Haftbedingungen beginnt in Norwegen

Im norwegischen Hochsicherheitsgefängnis von Skien beginnt am Dienstag das Berufungsverfahren gegen das Urteil zu den Haftbedingungen des rechtsextremen Attentäters Anders Behring Breivik. Die Richter sollen entscheiden, ob seine Haftbedingungen tatsächlich gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Ein entsprechendes Urteil vom April war bei vielen Angehörigen der Opfer auf Unverständnis gestoßen, der Staat legte Berufung ein.

 

US-Rassist wird hingerichtet: Erstmals Todesstrafe wegen Hassverbrechen verhängt

Ein US-Bundesgericht hat den Todesschützen von Charleston zum Tode verurteilt. Dylann Roof solle für die Ermordung von neun schwarzen Gläubigen in einer Kirche mit dem Leben bezahlen und per Todesspritze hingerichtet werden, entschied eine Jury am Dienstag in Charleston. Es ist das erste Mal, dass ein US-Bundesgericht einen Menschen wegen eines Hassverbrechens zum Tode verurteilt.

 

Shitstorm gegen Regionalmuseum in Hessen: „Hat uns nicht geschadet – im Gegenteil“

Der sogenannte Shitstorm von Nutzern auf dem Sozialen Medium Facebook, also die negativen Reaktionen, Drohungen und Hass-Kommentare gegen das Neu-Anspacher Freilichtmuseum Hessenpark wegen Gratis-Eintritt für Flüchtlinge hat der Landeseinrichtung nicht geschadet. „Im Gegenteil: Die überregionale Presseresonanz war gewaltig und hat dazu beigetragen, unser Museum weit über die Grenzen von Hessen hinaus bekanntzumachen“, sagte der Museumsdirektor Jens Scheller gestern. Die Besucherzahlen stiegen im dritten Jahr in Folge. Der Hessenpark war vor einem knappen Jahr für die Entscheidung des Aufsichtsrates, Flüchtlingen in begleiteten Gruppen freien Eintritt zu gewähren, massiv vor allem auf Facebook angefeindet worden.

 

Facebook-Fake aus Erfurt: Angebliche Schwangere existiert nicht

Im Fall der angeblich überfallenen Frau aus Erfurt-Herrenberg wird nun klar, dass es sich um ein ganz dreistes Facebook-Märchen handelt. Der 18-jährige Maximilian B. behauptete am Dienstag, 3. Januar, in dem sozialen Netzwerk, dass seine angebliche schwangere Freundin kurz zuvor von "irgendwelchen Typen (ich nenne mal keine Herkunft, denn ich möchte keine Hetze verbreiten)" verfolgt und verprügelt worden sei. Innerhalb weniger Stunden ging der Beitrag viral, mehr als 775-mal wurde der Eintrag geteilt. Inzwischen ist klar, dass die angebliche schwangere Freundin, Pauline Z., wohl gar nicht existiert.

drucken