Presseschau .. 08.06.2016

+++ Backnang: Geflüchtete mit Reizgas angegriffen und ausgeraubt +++ Chemnitz: Mehr als 100 Hakenkreuze am Sportplatz hinterlassen +++ Nazi-Parolen in Undorf ans Schulhaus gesprüht +++ München: Schausteller wegen Volksverhetzung zu Geldstrafe verurteilt

 

Backnang: Geflüchtete mit Reizgas angegriffen und ausgeraubt

Zwei 22 und 26 Jahre alte Geflüchtete wurden am Samstagabend in Backnang (Baden-Württemberg) überfallen. Die beiden Männer befanden sich gegen 23.30 Uhr im Bereich eines Fußweges, der vom Parkplatz Büttenenfeld zum Asylbewerberheim in der Hohenheimer Straße führt und wurden dabei aus einer Gruppe von fünf bis sechs Personen heraus angesprochen. Als die beiden stehen blieben, sprühte einer der Täter den Geschädigten Reizgas ins Gesicht und machte sie dadurch kurzzeitig wehrlos. Die Täter entrissen einem der Geschädigten einen grauen Rucksack der Marke Adidas, dem anderen entwendeten sie die Geldbörse. Danach flüchteten sie in Richtung Karl-Euerle-Sporthalle.

 

Chemnitz: Mehr als 100 Hakenkreuze am Sportplatz hinterlassen

Unbekannte haben bei einem Sportverein in Chemnitz über 100 Hakenkreuz-Schmierereien hinterlassen. Auf den Bänken, an den Kabinen, am Vereinsheim, an der Imbisshütte. "Es sind weit über 100", sagte Rico Auerbach, der Vorsitzender des Vereins Sportfreunde Chemnitz-Süd ist, gestern. Er schätze, dass die Schmierereien mit einer Art Wachsmalstift angebracht wurden. Gesprüht seien sie jedenfalls nicht.
Doch wer hinter der Aktion stecken könnte, wisse er nicht. Feinde habe der Verein jedenfalls keine. Auch in der Arbeit mit Flüchtlingen habe sich der Verein nicht außergewöhnlich beteiligt. Die Polizei ermittelt wegen Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie wegen Verdachts des Diebstahls im besonders schweren Fall. Sie sucht nun im Zuge der Ermittlungen Zeugen. "Hakenkreuze deuten im allgemeinen auf einen politischen Hintergrund hin. Es wird auch in diese Richtung ermittelt", sagte eine Polizeisprecherin.

 

Nazi-Parolen in Undorf ans Schulhaus gesprüht

„Mehl, Salz, Ei – Arbeit macht frei – Sieg Heil“, „Schule gegen Islam“, „Fuck Islam“ oder „Heil Hitler“ – solche Parolen samt zahlreichen Hakenkreuzen sind an der Mittelschule in Undorf (Regensburger Land, Bayern) entdeckt worden. Am Bahnhof, dort verstärkt in der Fußgängerunterführung, wurden in den vergangenen beiden Nächten rechtsradikale Parolen und Symbole sowie Obszönitäten mit verschiedenen Farben angebracht. Auch islam- und judenfeindliche sowie flüchtlingsfeindliche Ausdrücke waren an verschiedenen Orten festzustellen.

 

München: Schausteller wegen Volksverhetzung zu Geldstrafe verurteilt

Gegen Flüchtlinge habe er nichts, sagt der Angeklagte. Er helfe ihnen und besorge ihnen Kleider. Für die Kinder einer Asylbewerberunterkunft in Puchheim habe er sogar einen Schaukelautomaten aufgestellt. Der 41-Jährige ist von Beruf Schausteller und angeklagt wegen Volksverhetzung.
Mitte August vorigen Jahres postete Luis F. menschenverachtende Kommentare auf der Facebook-Seite einer Zeitung aus Sachsen-Anhalt. Unter anderem schwadronierte er von der "arischen Rasse" und meinte, Selbstschussanlagen wären für den Einsatz gegen Flüchtlinge an den Grenzen viel zu teuer. Stattdessen sollte man die Container, in denen sie lebten "zuschweißen und versenken".
"Das ist passiert", nicht weil er Flüchtlinge etwa nicht möge, versichert der Schausteller, sondern vielmehr aus Verärgerung. Das Gericht aber verurteilte Luis F. dennoch zu 100 Tagessätzen zu je 20 Euro wegen Volksverhetzung. Für die Unterbringung von Flüchtlingen müssten viele zurückstecken, sagte die Vorsitzende Richterin. Mit seinen Kommentaren habe er die Menschenwürde anderer massiv herabgesetzt.

 

Die Mordwaffe des NSU – bezahlt mit Steuergeldern? V-Mann Brandt will es nicht ausschließen

Wurde die NSU-Mordwaffe "Ceska" etwa mit dem Geld der Steuerzahler bezahlt? Er habe "sehr viel Geld" des Staates an die rechtsextreme Szene weitergegeben, sagte der ehemalige Neonazi-Anführer und V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes Brandt im Münchner NSU-Prozess. Wofür es verwendet wurde, wisse er allerdings nicht mehr. Eine bewusste Geldbeschaffung zum Kauf einer Waffe stritt Brandt jedoch ab.
Brandt sagte am Dienstag im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München, er könne "nicht ausschließen", dass er dem Mitangeklagten Carsten S. Geld des Thüringer Verfassungsschutzes gegeben habe.
Brandt sagte, es sei "sehr viel Geld" des Verfassungsschutzes an die Szene geflossen. Meist habe er "Kameraden" für Aktionen oder die Organisation von "Jugendarbeit" Geld zugesteckt. Seine Kontaktleute beim Verfassungsschutz hätten ihm Bargeld zur Verfügung gestellt, das er auch bar weitergereicht habe. Per Banküberweisung habe er grundsätzlich nie Geld transferiert, weil dies bei einer Rasterfahndung problematisch gewesen wäre.

In der rechten Szene Thüringens war Brandt in den neunziger Jahren das Scharnier, über das jede Demonstration, jede öffentlichkeitswirksame Kundgebung lief. Zum unumstrittenen Anführer stieg er dank der Honorare auf, die ihm der Verfassungsschutz zahlte, geschätzt 200.000 Mark von 1994 bis zu seiner Enttarnung 2001.

 

Clausnitz: Verfahren gegen Polizisten eingestellt, Strafbefehl für vier Demonstranten

Die Staatsanwaltschaft in Chemnitz hat die Verfahren gegen zwei Polizisten eingestellt, die am umstrittenen Einsatz im Februar in Clausnitz beteiligt waren. Das teilte die Ermittlungsbehörde dem Linken-Bundestagsabgeordneten Niema Movassat mit, der als einer unter Dutzenden wegen Körperverletzung im Amt Anzeige gegen die Beamten Wolfgang S. und Mirko M. erstattet hatte. "Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist eine Mitteilung der Einstellungsgründe nicht möglich", heißt es in dem Bescheid, der vergangene Woche erging.
Das Amtsgericht Freiberg hat Strafbefehle gegen vier Beteiligte erlassen. Laut Staatsanwaltschaft Chemnitz sind in drei Fällen die Halter von Fahrzeugen betroffen, die den Zugang zu der Unterkunft versperrten. Gegen sie wurde wegen Nötigung ermittelt. Eine Person soll sich wegen Beleidigung eines Polizisten verantworten.

Kommentar: Clausnitz: Erzgebirgischer „Reisegenuss“ und die Sächsischen Verhältnisse. Will und kann Sachsen überhaupt Flüchtlinge vor dem rassistischen Pöbel schützen?

 

Freital: Sprengstoffanschlag auf Auto aufgeklärt, Täter hatten Kontakt zu mutmaßlichen Terroristen

In der Nacht zum 27. Juli 2015 haben Unbekannte den grünen VW Golf des Freitaler Linken-Stadtrats Michael Richter gesprengt. Die Detonation demolierte das Auto vollständig. Nach monatelangen Ermittlungen haben Ermittler des Operativen Abwehrzentrums den Fall offenbar aufgeklärt. Die Täter sollen enge Beziehungen zu der unter Terrorismusverdacht stehenden „Gruppe Freital“ unterhalten haben. Die für die Ermittlungen zuständige Dresdner Generalstaatsanwaltschaft bestätigt lediglich, es gebe „namentlich bekannte Verdächtige“. Keine weiteren Angaben zu Anzahl, Alter und Herkunft.

 

Mann erhält Bewährungsstrafe für Attacke auf Syrer in Glauchau

Unter Tränen quetscht der Angeklagte dreimal Entschuldigungen hervor. An den Abend könne er sich nicht mehr erinnern, schwört er. Und er sei keinesfalls ausländerfeindlich. Trotzdem ging der 41-jährige Chemnitzer am Abend des 14. November gegen 21.15 Uhr vor dem Netto-Markt in Glauchau auf fünf junge Syrer los, die auf dem Weg zu ihrer Unterkunft waren. Erst fiel er grundlos verbal mit "scheiß Ausländer, scheiß Kanaken" über sie her, wuchtete dann einen eisernen Fahrradständer hoch und warf ihn durch die Luft. Das Teil verfehlte die Gruppe nur knapp. Eine 24-jährige Frau stellte sich vor den Angreifer, um die Situation zu deeskalieren. Plötzlich hatte sie der arbeitslose Maurer im Würgegriff, die Frau erlitt Luftnot und Schmerzen. Ein Zeuge, der den Vorfall beobachtet hatte, eilte herbei und brachte den Angetrunkenen zu Boden. Zusammen mit dem Freund der gewürgten Frau fixierte er dort den Angreifer, bis die Polizei eintraf.
Er habe den ganzen Tag über am Netto-Markt Bier getrunken, etwa 1,4 Promille hatte er zum Tatzeitpunkt intus. Nicht genug, um als steuerungsunfähig zu gelten. Staatsanwalt und Richter rechneten ihm aber seine Reue an. Trotzdem kassierte er eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. 180 Stunden gemeinnützige Arbeit muss er leisten.

 

Polizeischule Eutin: Neues Verfahren?

Der Fall hatte Schlagzeilen gemacht: Frauenfeindliche und rassistische Vorfälle an der zentralen Ausbildungseinrichtung Polizei in Schleswig-Holstein? Von körperlichen Übergriffen auf Polizeischülerinnen war die Rede, von rassistischen Kommentaren im elektronischen Mitteilungsdienst WhatsApp. Möglicherweise wird das Verfahren neu aufgerollt: Schleswig-Holsteins Innenministerium bestätigte jetzt Informationen von NDR Info, wonach in der vorletzten Woche ein anonymes Schreiben im Innenministerium eingegangen ist: Nach einer ersten Sichtung bestehe das "Papierkonvolut" aus  mehr als einhundert Seiten Vernehmungsprotokollen sowie Ausdrucken elektronischer Kommunikation.
Der Umschlag war danach am 25. Mai in den Briefkasten des Ministeriums gelangt. Adressiert war es an den Innenminister - und zwar "persönlich". Der Inhalt könnte eine zentrale Rolle für die weitere Entwicklung spielen.

 

Holocaustleugnung: Wegen Volksverhetzung zu Geldstrafe verurteilt

Ein Facebook-Eintrag vom 2. Februar dieses Jahres kommt einen 34-jährigen Mann aus Ennigerloh teuer zu stehen. Wegen Volksverhetzung wurde er am Montag vor dem Warendorfer Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 25 Euro, also 1250 Euro verurteilt.
Einen Europol-Bericht über verschwundene Flüchtlingskinder hatte der 34-Jährige mit einer Leugnung des Holocausts kommentiert. Er frage sich schon seit Jahren, wie sechs Millionen Juden einfach so verschwinden könnten, hatte er geschrieben und hinzugesetzt: „Alles Lügen, jahrzehntelange Lügen.“
Den fraglichen Kommentar habe er gepostet, als er betrunken gewesen sei: „Ich habe Scheiße gebaut, weiß aber nichts mehr davon.“ Als er am nächsten Tag von Kollegen auf den Eintrag angesprochen worden sei, habe er ihn umgehend gelöscht. „Ich bin nicht rechtsradikal und in keiner dieser Parteien oder so. Ich habe nichts gegen Ausländer, habe sogar muslimische Freunde“, versicherte er dem Gericht.

 

Riesaer Appell gegen Rassismus – Bürgermeister verweigert die Unterstützung

Der neue Riesaer Appell, der sich gegen Rassismus ausspricht, wurde unter freiem Himmel unterzeichnet. Den offiziellen Akt in der städtischen Schlossremise zu vollziehen, war den Initiatoren nicht gestattet. „Der Ursprungsaufruf bedurfte dringend einer Aktualisierung in Bezug auf die aktuellen gesellschaftlichen Debatten, insbesondere auf die Diskussionen in Zusammenhang mit dem Umgang von Flüchtlingen in unserem Land. Außerdem wollten wir den Übergang von einem reinem Aufrufcharakter hin zu einem Aktionsbündnis, welches sich in die aktuellen Debatten aktiv einmischt und klar Position bezieht.“ so Anja Müller Mitglied der SprecherInnengruppe der neuen Initiative. Die Gruppe will so für ein weltoffenes und menschenfreundliches Riesa kämpfen und ein deutliches Zeichen gegen rassistische Brandstifter setzen. Warum verwehrt die Stadtverwaltung den InitiatorInnen die Unterstützung? Der Oberbürgermeister von Riesa, Marco Müller, dazu im Interview.

Werden Sie den neuen Riesaer Appell unterschreiben?

Ich fordere seit Langem, dass sich Verantwortungsträger – also auch die Stadträte – zu Problemen wie der Flüchtlingskrise klar positionieren. Dass ich einer unbegrenzten Zuwanderung und unreflektierten Willkommenskultur nicht das Wort rede, habe ich offen ausgesprochen. Wenn also meine bürgerliche, wertkonservative Einstellung Eingang findet, kann ich mir eine Unterschrift durchaus vorstellen.

Über den Riesaer Appell:

 

Sächsisches Netzwerk zur Flüchtlingsforschung und „Fremdenfeindlichkeit“ gegründet

Die Debatte um den Zuzug von Asylbewerbern und den erstarkenden Rechtspopulismus erfasst auch die Wissenschaft. Forscher sächsischer Hochschulen haben ein Netzwerk gegründet, das Integration, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus erforschen will. An dem Verbund mit dem Kürzel Ifris beteiligen sich die Unis in Dresden, Leipzig und Chemnitz sowie das Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung.
Die Forscher, zu denen die Leipziger Oliver Decker und Gert Pickel gehören, wollen zu einer Versachlichung beitragen. Dazu gehört Grundlagenarbeit zur Situation von Flüchtlingen, die, wie es heißt, zu „Möglichkeiten der Eindämmung von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in Sachsen beitragen soll“.
In einem ersten Schritt soll die Lage von Asylbewerbern analysiert werden. „Wir wissen sehr wenig über die Flüchtlinge“, sagt Kailitz. Bei geplanten Befragungen geht es dem Team zufolge nicht nur um deren Herkunft. Auch Sozialisation, Wertvorstellungen, Einstellungen zum westlichen politischen System und das Empfinden der Situation in Deutschland sollen eine Rolle spielen. „Was bringen die Leute mit?

 

Medien und die AfD: Zeit für eine Pause? Die Aktion #AFDfrei

AfD-Prominenz in fast jeder Talkshow, erregte Debatten über jede neue Provokation der Partei - unter Politikern und Journalisten wird diskutiert, ob das so richtig ist. In dieser Woche hat die Diskussion an Fahrt gewonnen, nach Dauerstreit unter anderem über AfD-Vize Alexander Gauland. Unter dem Hashtag #AfDfrei gibt es im Netz viele - überwiegend positive - Reaktionen.
Frank Überall, der Vorsitzende, des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), sagte dem Tagesspiegel: "Journalisten haben einen Informationsauftrag, der selbstverständlich die AfD mit einschließt. Journalisten haben aber auch die Aufgabe, Nachrichten auf ihren Informationswert hin abzuklopfen." Im Fall der AfD heiße das konkret: "Längst nicht jede Äußerung eines AfD-Politikers hat den Gehalt einer Seite-eins-Meldung. Weniger ist manchmal mehr."

Die Berliner Boulevardzeitung "B.Z." hatte nach Gaulands von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zitierten Äußerung, Angela Merkel (CDU) sei eine "Kanzler-Diktatorin", nur eine kleine Notiz auf Seite eins im Blatt: "Sorry, Herr Gauland! Wir haben heute leider keinen Bericht für Sie.

 

Ungestörte Wolfsrudel

Türkische Ultranationalisten sind in Deutschland gut organisiert, die Politik schaut weg. Die Liste ihrer Feinde ist lang: Juden, Armenier, Griechen, Kommunisten und allen voran die Kurden. Die Grauen Wölfe, die sich selbst auch als »Idealisten« (Ülkücüs) bezeichnen, träumen von einem Großtürkischen Reich, ethnisch homogen, vom Balkan bis nach China. Auch in Deutschland haben die türkischen Ultranationalisten längst ein weitreichendes Netz von Vereinen etabliert. Intern schwören sie auf einen »Kampf bis zum letzten Tropfen Blut« für das zu schaffende Reich »Turan«. Für Außenstehende sind die Wölfe jedoch oft nicht leicht zu erkennen. Ihre Strategie hierzulande: Tarnung und Unterwanderung von Parteien, Jugendorganisationen und Ausländerbeiräten.

 

Identitäre und Reichsbürger: Varianten der Staatsverdrossenheit

Verfassungsfeind? Nein, er jedenfalls nicht, sagt Joachim Widera. Wie auch. Als sogenannter Reichsbürger erkennt er die Bundesrepublik Deutschland mitsamt Verfassung ohnehin nicht an. Er lehnt zwar nach eigenen Worten jede Form von Gewalt ab, aber nicht alle Reichsbürger denken so. Sie und neuerdings vor allem die rechte "Identitäre Bewegung" beschäftigen Verfassungsschützer zunehmend.
Die Reichsbürger, Reichsdeutschen oder auch Germaniten fühlen sich als Bürger des Deutschen Reichs und halten die Bundesrepublik für einen Unrechtsstaat. In ihren Reihen finden sich auch Personen, die sich gewaltbereit zeigen oder schlicht rechtsextrem agieren. Bis zu 1000 Menschen aus der Reichbürgerszene hätten ein "geschlossenes rechtsextremes Weltbild", sagt der Rechtsextremismus-Experte Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung. "Die Szene wächst."
Sehr viel homogener tritt die deutlich jüngere, sogenannte "Identitäre Bewegung" auf. Verfassungsschützer nehmen sie inzwischen sehr ernst. Die seit 2012 in Deutschland aktive rechte Gruppierung mit französischen Wurzeln wendet sich gegen "Multikulti-Wahn", "unkontrollierte Massenzuwanderung" und den "Verlust der eigenen Identität durch Überfremdung". Die "Identitären" sind ideologisch gefährlicher, als die Reichsbürger", sagt Johannes Baldauf von der Amadeu Antonio Stiftung. "Sie haben eine frische popkulturelle Art, sie sind die jungen Wilden des Rechtsextremismus."

 

Warum sich Neonazis wieder in Fußballstadien breit machen

Wie viel Gauland steckt im deutschen Fußball? Mehr als uns allen lieb sein dürfte. Rassismus ist noch immer ein großes Problem in den Stadien. Gern wird aus Deutschland mit dem Zeigefinger auf die Italiener gezeigt. Insbesondere die Fans von Lazio Rom sorgen regelmäßig für Aufsehen mit ihren rassistischen Eskapaden. Zuletzt mit Affenlauten gegen einige Profis von Bayer Leverkusen in der Champions League.
Aber auch der deutsche Fußball hat trotz all der Verbesserungen seit den 90er Jahren immer noch ein Problem mit Rassismus, Sexismus und Homophobie. Nicht nur im Osten, oder den unterklassigen Ligen, sondern gerade auch in Nordrhein-Westfalen.
Die Vereine reagieren darauf sehr unterschiedlich. Borussia Dortmund hat nach einigem Zögern nun sehr entschlossen den Kampf gegen Rechts aufgenommen. Die Stadt hat hier ein riesiges Problem. Aber viele Vereine ignorieren die Entwicklungen nach wie vor.

 

Reichsbürger wollen als Richter und Anwalt verkleidet ins Gericht

Skurrile Szenen spielten sich vor dem Amtsgericht im bayrischen Nördlingen ab. Ein 62-Jähriger "Reichsbürger" saß auf der Anklagebank - und seine Gesinnungsfreunde wollten ihn unterstützen. In dem Prozess ging es um einen versuchten Betrug im sechsstelligen Bereich. Er gehört zu der Gruppierung „Reichsbürger“, die behauptet, dass die Bundesrepublik nicht existiere.
Das Gericht wusste das, hatte deshalb zahlreiche Beamte postiert, auch in Zivil unter den Zuschauern. „Die Anwesenheit unserer Wachtmeister und der Polizeibeamten hat dazu beigetragen, dass die Verhandlung gut über die Bühne gegangen ist.“ Wie Beck mitteilt, waren mindestens sieben Sympathisanten in Nördlingen unterwegs, ihnen wurde der Einlass wegen fehlender Ausweise beziehungsweise wegen Fantasieausweisen nicht gestattet. Zwei Männer wurden vorläufig festgenommen – wegen Amtsanmaßung. Ein 69-jähriger Rentner war mit einer Robe als Richter verkleidet, ein 52-jähriger Mann gab sich als Staatsanwalt aus. Was sie im Gerichtsgebäude vorhatten, war nicht bekannt.

 

Stellungskrieg im Kommentarfeld

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Party-Patriotismus und einem Anstieg rassistischer Gewalt, liebe Deutschlandfahnenbegeisterte. Die Empörung über das regelmäßig von der Antifa (not sure if Antifa e. V. or Antifa GmbH) ausgerufene „Capture the Flag“-Spiel, bei dem es vordergründig darum geht, die während der Turniere inflationär auftauchenden Deutschlandfahnen zu stehlen, war mal wieder riesig. Almost same procedure as every year.
Der ehemalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sprach nach der WM 2006 davon, dass es „nur mit viel Glück keine Toten durch Rassismus bei der Weltmeisterschaft gegeben habe“. Auch das ist dem „Schland“-Gröler offenbar egal.
Für all die beklauten Fußballpatrioten etwas vereinfacht wiedergegeben: Weil ihr sonst nichts habt, ist euch dieses Fähnchen so heilig. „Es geht um die Mannschaft, nicht um Deutschland“, hört man dann immer wieder. Erstens: Es geht angeblich auch um „berechtigte Ängste“ und nicht um glasklaren Rassismus. Und zweitens: Dann kauft eine DFB-Fahne, die gibt’s für 9,95 € im Onlineshop.

 

Hass auf Youtube: Verbotene Nazi-Lieder werden ungehindert verbreitet

Auf Youtube gibt es massenhafte Neonazi-Lieder, auch und vor allem deutsschprachige. Sie rufen zu Gewalt und sogar zum Mord auf. Das sogenannte Afrika-Lied der Neonazi-Band Landser , verurteilt als kriminelle Vereinigung, steht seit 18 Monaten auf YouTube und wurde über 250.000 mal geklickt. Im Text heißt es: "Afrika für Affen, Europa für Weiße. Steckt die Affen in ein Klo und spült sie weg wie Scheiße."
Dieses Lied hat beim Mord an Alberto Adriano 2000 in Dessau eine wichtige Rolle gespielt. So steht es in den Gerichtsakten. Es gibt noch eine Menge weiterer Lieder, die zu Gewalt gegen Juden und Flüchtlinge auffordern. YouTube erklärt, dass sie solche Videos entfernen würden. Tatsächlich aber stehen viele dieser Lieder schon seit Jahren auf der Plattform. Und selbst nachdem REPORT MAINZ diese Hass-Lieder hat melden lassen, sind sie weiterhin online. Fachleute sehen einen direkten Zusammenhang zwischen diesen Liedern und Straftaten gegen Flüchtlinge oder deren Unterkünfte.
Der Jüdische Weltkongress (JWC) bezeichnet YouTube und Google als mitverantwortlich, wenn es unter dem Einfluss dieser Musik zu Straftaten käme. Im Interview sagte der Justitiar des JWC, Prof. Menachem Rosensaft: "Man muss offen sagen, dass wenn ein Mord, ein Überfall auf einen Juden oder einen Muslimen oder einen Immigranten das Resultat ist, dass ein Neonazi-Bursche diese Musik gehört hat und das ist die Inspiration, dann ist Google Deutschland und YouTube mitverantwortlich." Auch Politikwissenschaftler kommen zu einer ähnlichen Einschätzung.

drucken