10.12.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Hamburg: SPD-Politiker bedroht +++ „Pegida“-Demonstrationen: Tillich wirft der AfD „niederträchtiges“ Verhalten vor +++ Anti-Islam-Aufmärsche: Justizminister fordert All-Parteien-Bündnis gegen Pegida.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Hamburg: SPD-Politiker bedroht

Mutmaßlich Rechtsextremisten wollen einen Hamburger Abgeordneten der SPD einschüchtern, nachdem er sich kritisch zur rechten Szene in der Hansestadt geäußert hatte.
Plakate mit der Aufschrift „Carsten Heeder / Du Volksverräter“ und anderen Parolen klebten Unbekannte am Samstag an das Wohnhaus und die Haustür des Mitglieds der Bezirksversammlung Wandsbek. Auf einem weiteren Flugblatt wurde gedroht: „Antifa 309 / Wir haben euch im Blick / Eure Zeit läuft ab.“ Zudem warfen die Täter einen Flyer einer sächsischen Neonazi-Gruppe in Heeders Briefkasten. 
Offenbar versuchen Rechtsextremisten den SPD-Politiker wegen seines Engagements gegen Rechts einzuschüchtern (bnr, NDR).

„Pegida“-Demonstrationen: Tillich wirft der AfD „niederträchtiges“ Verhalten vor

Tausenden haben in Dresden gegen eine „Islamisierung des Abendlandes“ protestiert - was die „Alternative für Deutschland“ begrüßt. Der sächsische CDU-Ministerpräsident kritisiert, die Partei schlage politisches Kapital aus dem Schicksal von Flüchtlingen. Der Parteichef der Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, hatte die Demonstrationen am Dienstag begrüßt. Sie zeigten, dass sich diese Menschen in ihren Sorgen von den Politikern nicht verstanden fühlten, sagte er. Politiker der etablierten Parteien und Muslimverbände äußerten sich dagegen besorgt und forderten mehr Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit (faz). Interessanter ist allerdings, was Tillich zu den rechtsextremen Übergriffen gegen Sorben sagt (Welt.de).

Anti-Islam-Aufmärsche: Justizminister fordert All-Parteien-Bündnis gegen Pegida

Alle gegen Pegida: Justizminister Maas fordert sämtliche Parteien zur offenen Auseinandersetzung mit dem rechtspopulistischen Bündnis auf. Die Aufmärsche zeichneten ein Zerrbild der tatsächlichen Stimmung gegenüber Flüchtlingen. Angesichts jüngster rechtspopulistischer Aufmärsche hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die etablierten Parteien zu einer gemeinsamen Gegenwehr aufgerufen. "Auch im politischen Meinungskampf gibt es Grenzen. Alle politischen Parteien sollten sich klar von diesen Protesten distanzieren", sagte Maas SPIEGEL ONLINE. "Wenn auf dem Rücken von Menschen, die gerade alles verloren haben und hilfesuchend zu uns kommen, ausländerfeindliche Stimmung gemacht wird, dürfen wir nicht schweigen." Die öffentlichkeitswirksamen Aufmärsche von Islamfeinden und Rechtspopulisten zeichneten ein verzerrtes Bild über die Stimmung im Land, so der Minister. "Wir müssen klarmachen: Diese Demonstranten sind nicht in der Mehrheit. Viele Menschen in Deutschland beteiligen sich an Hilfsaktionen für Flüchtlinge. Sie alle können sich vorstellen, welches Leid die Flucht ausgelöst hat." (Spiegel online)

Dresden: Der Druck der Generalverbitterten

Nachdem die offizielle Politik im Freistaat zunächst reflexartig auf Pegida reagierte, setzen sich mittlerweile beide großen Parteien klar von den Montagsmarschierern ab. Die Linkspartei bleibt kritisch, die AfD ringt sich zu "Sympathie" für die Demonstranten durch (taz).

Interview mit einem Pegida-Aktivisten: "Wir sind überparteilich"

n-tv hat ein Email-Interview mit einem Pegida-Aktivisten geführt. Es ist vorhersehbar langweilig, wird hier aber der Vollständigkeit halber verlinkt (n-tv).

Pegida-Aufmärsche: "Das ist ein politisches Pulverfass"

Wer geht bei den Pegida-Protesten auf die Straße? Welche Parteien mischen mit bei den Islamfeinden? Extremismusforscher Alexander Häusler warnt vor einer "merkwürdigen Mischung aus Wutbürgern und Rechtsaußen-Aktivisten". Lesenswert (Spiegel online).

Pegida: Echte Gefühle, falsche Wahrheiten

Deutschland droht keine Islamisierung, aber die Angst davor ist real. Auf die Kraft des besseren Arguments zu setzen, wäre eine angemessenere Antwort als Spott. Berlin-Buch macht vor, wie es geht (ZEIT online).

Islamkritische Proteste verunsichern die Muslime in Deutschland und Dresden

Aiman Mayzek ist besorgt. Muslime in Dresden fühlen sich bedroht. "Sie haben Angst", sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland bei seinem gestrigen Besuch in der Stadt. Und warum? Mayzek verweist auf die islamkritischen Proteste der "Pegida"-Bewegung: "Was da für Sachen skandiert worden sind!" (sz-online).

Muslime in Deutschland: Unausgewogene Berichterstattung

Gestern demonstrierten in Dresden 10.000 Menschen gegen eine "Islamisierung des Abendlandes". Der Islam wird von vielen Deutschen als Bedrohung empfunden. Daran tragen die Medien eine Mitschuld, sagt der Wissenschaftler Daniel Geschke. In einer Studie  haben Daniel Geschke, Jana Eyssel und Wolfgang Frindte den Zusammenhang von Fernsehkonsum und Islamophobie untersucht. Sie fanden heraus, dass Fernsehkonsum einen nachweislichen Effekt auf die Islamophobieausprägung beim Zuschauer haben kann. Im Fokus stehen dabei insbesondere die Privatsender, die durch ihre dramatisierte und emotionalisierte Darstellung der Realität kein ausgewogenes Bild des Islams zeichnen. Aber auch die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF thematisieren den Islam in 81 Prozent der Fälle in einem negativen Kontext (mephisto).

Antrag auf Aufhebung der Immunität: Sachsens Justiz will Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow vor Gericht bringen

Thüringens neuer Ministerpräsident Bodo Ramelow soll wegen der Blockade einer Demonstration von Neonazis in Dresden dort nun doch noch vor Gericht. Kurz vor seiner Wahl zum Regierungschef beantragte das Amtsgericht Dresden die Aufhebung seiner Immunität als Abgeordneter. Das bestätigten Ramelow und ein Sprecher des Thüringer Landtags am Dienstagabend. Am Freitag war er als erster Ministerpräsident der Linken in Deutschland gewählt worden. Das Dresdner Gericht beabsichtigt, gegen Ramelow das "Strafverfahren wegen Sprengung einer Versammlung" weiterzuführen. Darin wird ihm vorgeworfen, im Februar 2010 die Blockade eines Aufmarschs der "Jungen Landsmannschaft Ostpreußen" in der sächsischen Landeshauptstadt mitorganisiert zu haben. In dieser Sache war die Immunität des Linke-Abgeordneten schon einmal aufgehoben worden. Zu einem Prozess war es bisher jedoch noch nicht gekommen (mdr).

Verschwörungsjournalismus: Ist halt so, ist die Wahrheit!

In Deutschland formiert sich eine Gruppe von Menschen, die überall Lügen sehen. Sie hassen den Westen, misstrauen der Presse, und den Politikern sowieso. Und sie lieben Putin. Wer sind sie? (faz)

AfD in MV heizt Anti-Islam-Stimmung an

Führende Mitglieder der Alternative für Deutschland (AfD) in Mecklenburg-Vorpommern unterstützen die nationalistisch-islamfeindliche Pegida-Bewegung in Dresden. Vorstandsmitglieder der eurokritischen Partei werben offen für die Ziele der Bewegung und würden ähnliche Aktionen im Nordosten unterstützen. Die AfD-Landesschatzmeisterin Ulrike Schielke-Ziesing aus Neubrandenburg verbreitet Werbefilme über Pegida in sozialen Netzwerken. Ihre Vorstandskollegen Andreas Rösler aus Burg Stargard und Petra Federau aus Schwerin klatschen ebenfalls Beifall: "In Dresden stehen die Menschen auf" postet Federau erfreut auf ihrer Facebook-Seite. Die Schweriner Stadtvertreterin und Leiterin der AfD-Landesgeschäftsstelle gehört zu den frühen Sympathisanten von Pegida, schon vor vier Wochen machte sich die 44-Jährige für Pegida stark. Federau unterstützt im Internet ähnliche Pläne in Rostock. Für Januar planen offenbar auch NPD-Sympathisanten unter dem Kürzel "Rogida" ähnliche Aufzüge wie in Dresden (NDR).

Südthüringen: Schleusingen sichert Immobilien vor Neonazi-Zugriff

Die südthüringische Kleinstadt Schleusingen hat mehrere Immobilien vor dem möglichen Zugriff von Rechtsextremen gesichert. So kaufte die schuldenfreie Stadt nach Informationen von MDR THÜRINGEN das Hilde-Coppi-Heim. Dabei handelt es sich um ein früheres Kinderheim, das seit Jahren leer steht und dem Verfall preisgegeben ist. Auch ein großes Fachwerkgebäude zwischen Schleusingen und Hinternah - der Rindermannshof - befindet sich inzwischen im Eigentum der Stadt. Die Kommune kaufte außerdem vor wenigen Wochen für 2.000 Euro das Schleusinger Bahnhofsgebäude. Nach MDR-Informationen hatte das rechtsgerichtete "Bündnis Zukunft Hildburghausen" in allen Fällen Interesse an den Immobilien. Der Stadt gelang es aber, die Häuser noch vor ihrer Zwangsversteigerung zu erwerben. Bürgermeister Klaus Brodführer (CDU) sagte MDR THÜRINGEN, insbesondere für das ehemalige Kinderheim werde jetzt ein privater Investor gesucht. Wenn es einen seriösen Interessenten gebe, werde die Stadt die Immobilie wieder preisgünstig abgeben oder verpachten (mdr).

FSN.TV: 3.000 statt 20.000 Euro Strafe für Nazi-Hipster Patrick Schröder

3.000 Euro statt beantragten 20.000 Euro. Zu dieser Strafe verurteilte ein Gericht am Montag Patrick Schröder, den Betreiber des Neonazi-Senders FSN.TV. Grundlage waren Ordnungswidrigkeiten gegen Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags und des Jugendschutzes. Um einer Verurteilung zu entgehen, wurde das „Vorzeigeprojekt der Szene“ plötzlich ziemlich klein geredet. Es ist längst nicht das letzte Verfahren gegen den Nazi-Hipster Schröder (Endstation rechts Bayern).

Mannheim: Ermittlungen gegen zwei NPD-Politiker

Die Staatsanwaltschaft in Mannheim ermittelt gegen zwei Politiker der rechtsextremen NPD wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Hintergrund ist ein Beitrag auf der Rhein-Neckar-Internetseite der Partei (Stuttgarter Zeitung).

Frankreich: Fahndungserfolge der Polizei gegen Antisemitismus

Die französische Polizei hat fünf Männer aus dem Neonazi-Spektrum verhaftet, die sich online gebrüstet hatten, die Grande-Motte Synagoge in Herault niederbrennen zu wollen zu wollen. Ebenfalls am Dienstag hat die Polizei drei Männer und zwei Frauen in Marseille verhaftet, die mit dem Mord an vier Menschen im Jüdischen Museum in Brüssel zu tun haben sollen. Der Täter war der Franzose Mehdi Nemmouche, der nach Belgien ausgeliefert wurde und dem dort der Prozess wegen der Morde gemacht wird (jta.org).

Ungarn: Jobbik auf Adventsmission 2014

Die rechtsextreme Partei Jobbik stellt seit Jahren zur Adventszeit landesweit an zentralen öffentlichen Orten apostolische Doppelkreuze auf, unterstützt von Kirchenvertretern, Nachfolgeorganisationen der verbotenen Ungarischen Garde, und in Einzelfällen auch lokalen Fidesz-Ablegern mit gutem Draht zu CDU-Kreisen. Wie jedes Jahr seit 2003 stellt die rechtsextreme Partei Jobbik zur Adventszeit landesweit an zentralen öffentlichen Orten apostolische Doppelkreuze auf, um die vom Konsumterror geplagten Menschen “an den eigentlichen Sinn des Weihnachtsfestes zu erinnern”. Jobbik-Politiker halten Reden, die Kreuze werden von Geistlichen geweiht, meist katholischen und reformierten Pfarrern. An den Adventswochenenden treffen sich dort oft Mitglieder der jeweiligen Kirchengemeinden, um gemeinsam Kerzen anzuzünden. Jobbik besetzt den öffentlichen Raum symbolisch mit einer Koppelung “traditioneller christlicher” und “patriotischer, nationaler” Werte: Das apostolische Doppelkreuz steht überkonfessionell für die Erlösung der “christlichen ungarischen Nation” im Karpatenbecken (d.h. über heutige Landesgrenzen hinweg) von den Mächten der Finsternis (die “Feinde der Nation”); in der Vergangenheit kamen die begleitenden Reden nie ohne antisemitische Hetze aus, gerne verpackt in Bibelzitaten (Pusztaranger).

Flüchtlinge: Deutschland tut weh

Flüchtlingskinder dürfen erst zum Arzt, wenn sie schlimme Schmerzen haben. Sie bekommen Nahrung, die sie nicht verdauen können, sie leben in Heimen, in denen sie nicht spielen dürfen. All das passiert in München, Berlin oder Würzburg (ZEIT online).

NSU-Prozess: Zwei Mal Zschäpes Fingerabdrücke

Stundenlang lesen die Richter an diesem Verhandlungstag im NSU-Prozess kriminaltechnische Gutachten vor. Dennoch kommt das Gericht ein paar große Schritte voran. Für die Anklage von besonderer Bedeutung sind zwei Zeitungsausschnitte mit Beate Zschäpes Fingerabdrücken. Sie sind ein Indiz für ihre mutmaßliche Mittäterschaft an der Mordserie des NSU. Die Anwälte des Angeklagten Ralf Wohlleben fordern, ihren Mandanten aus der Untersuchungshaft zu entlassen (sueddeutsche.de).

NSU-Prozess: "Verzweifelte Versuche der Verteidigung"

Unter welchen Vorzeichen wurden die Waffen für das Trio Böhnhardt, Mundlos und Beate Zschäpe beschafft? Im NSU-Prozess ringen Anklage und Verteidigung um die Deutungshoheit. Es hängt viel davon ab. In einem Großverfahren wie dem NSU-Prozess erschließt sich dem Außenstehenden das Geschehen nicht immer auf den ersten Blick. Zum Beispiel, wie die mutmaßliche Tatwaffe Ceska 83 in die Hände von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gelangte - ein Thema, das seit Wochen, ja Monaten auf der Tagesordnung des Gerichts steht. Die langwierigen Aufklärungsbemühungen aber haben ihren Grund. Denn vom Weg dieser Pistole, mit der neun Personen türkischer und griechischer Abstammung getötet worden sein sollen, hängt die Bewertung der Rolle des Angeklagten Ralf Wohlleben ab. Wohllebens mutmaßlicher Mordvorsatz wird sich nur mit seiner Kenntnis von der Verwendung der Ceska 83 begründen lassen (Spiegel online).

drucken