06.06.2014 ... Presseschau

Nach den Rechten sehen: Thüringen: "Das Ergebnis der NPD hat viele engagierte Menschen schockiert" +++ Prozesse, in denen rechtsextreme Motivation nicht benannt wird, in Bad Schandau und Halle +++ Passend: Tagung in Berlin, wie Hassverbrechen härter bestraft werden können.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Thüringen: "Das Ergebnis der NPD hat viele engagierte Menschen schockiert"

Die NPD hat bei der Kommunalwahl in Eisenach 7,4 Prozent (plus 2,5), im Wartburgkreis 5,9 (plus 1,1) erzielt und ist auch in Mihla, Bad Salzungen und Urnshausen in die Räte gekommen. Über Ursachen und Folgen daraus sprachen wir mit Felix Steiner (28). Er ist einer von sechs Beratern der "Mobilen Beratung in Thüringen Für Demokratie - Gegen Rechtsextremismus" (Mobit). Er berät Bündnisse und Engagierte gegen die extreme Rechte und ist bei Mobit für die landesweite Vernetzung der Bürgerbündnisse zuständig (Thüringer Allgemeine).

Angriff auf Sohn eines Taiwaners: Die Frage nach der Gesinnung in Bad Schandau

In den Morgenstunden vom 7. September 2013 drangen David K., Nico H. und Felix K. in die Jugendherberge ihres Heimatorts Bad Schandau ein. Auf dem Gang von "Haus Falkenstein" trafen sie auf Marc T.*, einen 15-jährigen Schüler aus Hamburg, der Vater Taiwaner, die Mutter Deutsche. "Na, wen haben wir denn da", sollen sie laut Marc T. gerufen haben, dann schlugen sie zu. Dreimal. Marc T. erlitt einen Kiefer- und einen Augenhöhlenbruch, er ist seit der Nacht traumatisiert. Und er ist davon überzeugt, nicht zufällig Opfer geworden zu sein. Der Angriff ist seit Dienstag Gegenstand eines Verfahrens vor dem Amtsgericht Pirna. Die drei Männer sind wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung angeklagt. Sie haben die Tat bereits gestanden. Doch der Fall wirft vor allem eine Frage auf: Was braucht es, dass eine Staatsanwaltschaft von einem rassistischen Motiv ausgeht? (Spiegel online).

Halle: Auch hier Prozeßauftakt gegen Neonazis ohne dass rechtsextreme Motive benannt werden

Am Donnerstag begann in Halle (Sachsen-Anhalt) der Prozeß gegen zwei 28 und 37 Jahre alte Männer, die im April 2013 einen irakischen Imbißbetreiber und dessen Freund in Großkugel im Saalekreis niedergeschlagen hatten. Der 44jährige erlitt Prellungen und offene Wunden. Die Angreifer sollen Sprüche wie »Ausländer raus« gebrüllt und den Hitlergruß gezeigt haben. Dies habe die Staatsanwaltschaft Halle aber nicht in die Anklage einfließen lassen, rügte gestern die Mobile Opferberatung (MOB) Sachsen-Anhalt Süd. Nebenklageanwalt Christian Avenarius ergänzte, die polizeilichen Ermittlungen seien hinsichtlich des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ganz eingestellt worden. Dabei sei »die rechte Gesinnung der Täter ein prägendes Tatmerkmal«, stellte er klar. So sei einer der Täter einschlägig vorbestraft. Beiden seien Kontakte in die rechte Szene nachgewiesen worden (jW).

Motiv Rassismus oder Frauenfeindlichkeit: Mit dem Strafrecht gegen Hassverbrechen?

Auch in Deutschland sollen Hassverbrechen härter bestraft werden. In Berlin diskutierten jetzt Experten, welche Möglichkeiten das Strafrecht bietet (Tagesspiegel.de).

BGH verhandelt erneut über Feuertod von Oury Jalloh

Der Asylbewerber Jalloh starb in einer Dessauer Polizeizelle. Der damals diensthabende Polizist wurde verurteilt. Zu Recht? Damit befasst sich der Bundesgerichtshof zum zweiten Mal. Für den 28. August ist eine Verhandlung zu dem Fall anberaumt. Die Richter wollen das Urteil gegen einen damals diensthabenden Polizeibeamten überprüfen. Jalloh war 2005 in einer Zelle des Polizeireviers Dessau ums Leben gekommen (ZEIT online).

Rechtsrock: Nicht duldend ertragen

Nazi-Musik findet gerade über Skinhead-Partys rasante Verbreitung. Erdulden muss man die Propaganda der Rechtsradikalen nicht, sondern ihr mit Aufklärung begegnen. Wie das funktionieren kann, zeigt die Initiative "Nienhagen-Rechtsrockfrei" (Frankfurter Rundschau).

Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg: Weniger Neonazis, aber gewaltbereiter

Die Zahl der Neonazis in Baden-Württemberg ist laut Verfassungschutzbericht 2013  auf 1800 (von 1900) gesunken. Damit habe sich deren Anzahl im Land zwischen 1993 und 2013 um fast drei Viertel verringert, heißt es im Bericht. Allerdings gilt ein Drittel davon (610) als gewaltbereit. Die Gesamtzahl der im Land verübten rechtsextremistisch motivierten Straftaten fiel auf 902 (2012: 1108), darin enthalten sind 35 Gewalttaten (2012: 40). Einen deutlichen Anstieg auf 30 gibt es bei Demonstrationen, womit sich die Entwicklung der letzten Jahre fortsetzt. 2011 gab es 13, 2012 bereits 20 dem rechtsextremen Lager zugeordnete Kundgebungen. Aktiv war vor allem die NPD während des Bundestagswahlkampfs (20), aber auch sogenannte "Autonome Nationalisten". Neue Mitglieder werden vor allem mit Musik gewonnen, neun Bands und vier Vertriebsorganisationen gibt es im Südwesten. Auch eine Parteigründung gab es, wobei die "Die Rechte" nur 30 Mitglieder zählt. Bundesweit bekannte Neonazis gehören zu den Funktionären. Die NPD kam 2013 auf 410 Mitglieder im Land. Im laufenden Verbotsverfahren erhofft sich Gall einen Erfolg, denn "aus unserer Sicht ist die NPD eindeutig verfassungswidrig." (Rhein-Neckar-Zeitung).

FIFA-Social-Media-Aktion: #SayNoToRacism mit einem Selfie - wird zur WM im Stadion gezeigt

Die FIFA Task Force gegen Rassismus und Diskriminierung wurde im letzten Jahr gegründet und dank ihrer Bemühungen, hat der FIFA Kongress einen starken Entschluss mit einer Reihe neuer Sanktionen gefasst. Diese beinhalten Punktabzug, Ausschluss aus einem Wettbewerb oder Abstieg. Jetzt möchte die FIFA auch die Fans beteiligen und ruft auf, sich dem Kampf gegen Rassismus durch das Hochladen von Selfies anzuschließen. Eine große Auswahl davon wird dann vor den Viertelfinalspielen der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Brasilien 2014™ auf den Großleinwänden in den Stadien gezeigt, und zwar im Estadio Nacional, in der Arena Fonte Nova, im Castelao-Stadion und im Maracanã-Stadion. Um dabeizusein, müssen die Fans bis zum 4. Juli ein Bild von sich mit einem Banner, auf dem #SayNoToRacism steht, auf Facebook, Twitter oder Instagram posten, es muss auch mit dem Hashtag #SayNoToRacism versehen sein. An diesem Tag beginnen die Anti-Diskriminierungstage der FIFA (Fifa.com).

Freispruch für NPD-Abgeordneten Tino Müller

Tino Müller soll illegal als verantwortlicher Redakteur eines rechten Blattes fungiert haben. Dem Vorwurf schloss sich das Gericht nicht an und kassierte damit ein Urteil aus dem Vorjahr über eine Geldstrafe. Im Berufungsprozess wegen Verstoßes gegen das Pressegesetz hat das Landgericht Neubrandenburg den Angeklagten NPD-Funktionär Tino Müller freigesprochen. Für eine Verurteilung hätten keine tragfähigen Beweise vorgelegen, begründete das Gericht die Entscheidung. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 2100 Euro gefordert - Müllers Verteidiger einen Freispruch. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hatte Landtagsmitglied Müller illegal als verantwortlicher Redakteur der rechtsextremen Postille "Uecker-Randow-Bote" fungiert, obwohl er das wegen seiner strafrechtlichen Immunität als Abgeordneten nicht durfte. Dass der 35-Jährige diese Funktion nicht nur formal, sondern auch inhaltlich ausübte, konnte die Anklage aus Sicht des Gerichtes aber nicht eindeutig belegen. Alleine die Bezeichnung mache ihn noch nicht zum verantwortlichen Redakteur, erläuterte das Gericht (Nordkurier).

Hardy Krüger macht Front gegen Neonazis: Besuch im Dortmunder Rathaus

Hardy Krüger ist ein Weltbürger. Vor der Kamera als erfolgreicher Schauspieler in vielen Studios der Welt, hinter der Kamera als Flieger, Autor, Filmemacher. Die 86 Lebensjahre sind ihm kaum anzusehen. Schon seit Jahren macht Hardy Krüger Front gegen Neonazis. Als Zeitzeuge nationalsozialistischer Gewaltherrschaft weist er immer und immer wieder auf die aktuelle Bedrohung durch den Rechtsextremismus hin. So auch im Dortmunder Rathaus, wo sich Hardy Krüger zunächst im Goldenen Buch der Stadt verewigte (nordstadtblogger.de).

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Diese Woche auf netz-gegen-nazis.de:

| Am Wochenende in Köln: BIRLIKTE - Zusammenstehen
| „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) in Dresden: Den Nazis keine Zukunft geben!
| „Mitte“-Studie: Rassismus gegen Flüchtlinge, Sinti und Roma und Muslime steigt
| Die Karriere des "SS-Siggi"
| Chronik: Gewalt und Bedrohung durch Neonazis, Rassist*innen, Antisemit*innen - Juni 2014
| Neonazis vor Gericht - Juni 2014
| NSU und Prozess - Juni 2014

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