04.06.2014 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: Oktoberfest-Attentat: Rätselhafte Versäumnisse bei Ermittlungen +++ Lampedusa in Hamburg: Neumann bricht Wort +++ NSU- Untersuchungsausschuss auch in NRW.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Oktoberfest-Attentat: Rätselhafte Versäumnisse bei Ermittlungen

Die Behörden hielten die Ermittlungsakten zum Oktoberfest-Attentat 34 Jahre lang unter Verschluss. Nun gewährten sie Akteneinsicht. Der Anwalt Werner Dietrich entdeckte rätselhafte Versäumnisse bei den Ermittlungen. So wurde zwar von den Ermittler*innen eine mögliche Verbindung zwischen Attentäter Gundolf Köhler und dem rechtsradikalen Waffenlieferanten Horst Lembke festgestellt – die Spur aber nicht weiterverfolgt. Ein ungeheures Versäumnis.  Die Verbindung zwischen den Beiden würde gegen die von den Behörden als erwiesen angesehene Einzeltäterthese sprechen. Bei dem bisher schwersten neonazistischen Attentat der Bundesgeschichte im Jahr 1980 wurden 13 Menschen getötet und 200 schwer verletzt. Nun scheint eine Wiederaufnahme des Falles möglich (br.de).

Lampedusa in Hamburg: Neumann bricht Wort

Die Hamburger Ausländerbehörde plant die Abschiebung eines ersten Geflüchteten aus der sogenannten Lampedusa-Gruppe.  Damit bricht der Hamburger Innensenator Michael Neumann sein gegenüber der Kirche gegebenes Versprechen, die Flüchtlinge unter Abschiebeschutz zu stellen, solange die Anträge auf Aufenthaltsgenehmigung laufen – unter der Bedingung, dass diese sich freiwillig bei der Behörde meldeten. So köderte Neumann im Oktober 2013 die Refugees aus der Lampedusa-Gruppe, um sie zur Kooperation mit der Ausländerbehörde zu bewegen. Abdullah M. vertraute dem Innensenator, und ging auf das Angebot ein. Nun soll er abgeschoben werden, noch bevor über seinen Antrag auf Bleiberecht entschieden ist (zeit.de).

NSU- Untersuchungsausschuss auch in NRW

Auch der Nordrhein-Westfälische Landtag wird sich mit der Mordserie des NSU und den Pannen bei der Aufarbeitung befassen. Dabei geht es vor allem um die beiden Sprengstoffanschläge in Köln. Nachdem die Piraten-Fraktion bereits vor Wochen einen entsprechenden Ausschuss forderte, stellte nun auch die CDU- Landtagsfraktion einen entsprechenden Antrag. Es gebe unzählige offene Fragen, die insbesondere Anschläge in NRW beträfen, sagte Fraktionschef Armin Laschet in Düsseldorf. Geklärt werden müsse vor allem, in wie weit das NSU-Trio in ein größeres Netzwerk eingebettet war (ksta.de, rp-online.de). Der NSU- Prozess befasst sich momentan mit dem Sprengstoffanschlag auf ein Kölner Lebensmittelgeschäft im Jahr 2000, bei dem die Tochter des iranischen Ladeninhabers schwer verletzt wurde.  Die Kölner Polizei ermittelte anschließend planlos, wie ein Vertreter im Gericht zugeben musste (tagesspiegel.de).

Jüdischer Weltkongress fordert mehr Sicherheit für jüdische Gemeinden

Nach dem antisemitischen Attentat im jüdischen Museum von Brüssel hat der Jüdische Weltkongress (WJC) vom Staat verstärkte Sicherheitsmaßnahmen für die jüdische Gemeinde gefordert. WJC-Präsident Ronald Lauder forderte außerdem, auf europäischer Ebene mehr den Antisemitismus im Internet zu bekämpfen. In erster Linie gehe es um finanzielle Unterstützung für die Sicherheit der jüdischen Gemeinde, so  Maurice Sosnowski vom Koordinationskomitee der jüdischen Organisationen in Belgien (tt.com). Unterdessen nahmen rund 100 Menschen an einem Flashmob gegen Antisemitismus in Frankfurt am Main teil (juedische-allgemeine.de).   

AfD Wahlkämpfer: Pfeffersprayattacke mit illegalem Reizspray?

Es gibt neue Vorwürfe gegen den hochrangigen Polizisten Ulf-Theodor C., der in Schwerin Jugendliche an einem Wahlstand der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) mit Reizgas besprüht haben soll. Der NDR berichtet, er habe versucht den Vorfall zu vertuschen, in dem er sein eigenes, illegales Spray mit legal erhältlichem Pfefferspray vertauscht habe.  Dieses habe er dann möglicherweise im Eingang einer Einkaufspassage entleert und dann der Spurensicherung übergeben. Zahlreiche Kunden der Einkaufspassage hatten dort über plötzlichen Husten und tränende Augen geklagt, eine Frau musste ins Krankenhaus gebracht werden. Zudem fanden die Ermittler*innen nach NDR-Informationen bei einer Hausdurchsuchung beim beschuldigten Polizeidirektor verbotenes K.O.-Spray. Die Ermittlungen gegen Ulf-Theodor C. wegen Körperverletzung dauern an (ndr.de).

Kommunalwahl: NPD mit Zuwächsen in Thüringen

Die NPD ist nach der Kommunalwahl in Thüringen noch stärker verankert. Künftig hat die NPD 61 Mandate in Thüringer Kommunalparlamenten. Somit hat sie die Zahl ihrer Mandate mehr als verdoppelt. Seit der aktuellen Wahl ist die NPD nun allein in drei Kommunalparlamenten mit drei Personen vertreten – so auch im Rat der Stadt Eisenach, der Heimatstadt des NPD-Landesvorsitzenden Patrick Wieschke. 7,4% lautete das Ergebnis für die NPD – das sind 2,4% mehr als bei der letzten Kommunalwahl 2009. Publikative.org analysiert die Thüringer Wahlergebnisse ausführlich (publikative.org).

8. Mai-Demo in Demmin: Caffier verweigert Stellungnahme

Anders als angekündigt hat Innenminister Lorenz Caffier (CDU) am Dienstag abgelehnt, Stellung  zu offenen Fragen der Linksfraktion zum Polizeieinsatz am 8. Mai in Demmin zu nehmen. Die Polizei war hart gegen Gegendemonstrant*innen vorgegangen, die gegen eine Nazi-Demo protestierten. Peter Ritter,  Innenexperte der Linksfraktion, warf Caffier eine "unverständliche Blockade-Haltung" vor. Alle Demokraten müssten sich den Rechtsextremisten auch dort entgegenstellen, wo sie marschierten. Es gehe darum, in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit friedlichen Mitteln gegen Neonazis aufzutreten - dazu müssten auch Sitzblockaden toleriert werden (ndr.de).

MV: Umgang mit rechten Tarnorganisationen sorgt für Ärger

NPD- nahe Tarnorganisationen konnten in Mecklenburg-Vorpommern Erfolge erzielen. Anders als in Ueckermünde und Torgelow, wo sich Politiker*innen einhellig gegen eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen aussprachen, sorgt eine Stellungnahme des CDU-Politikers Keunecke in Strasburg für Ärger. Keunecke hatte mit Bezug auf die rechte „Wählergemeinschaft Schöneres Strasburg“ geäußert, man werde sich nicht verschließen, wenn die WSG neuen Ideen hervorbrächte, die die Stadt voranbringen könnten. Der CDU-Politiker müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, mutmaßlichen Rechtsextremisten mit seinem Kooperationsangebot einen politischen Persilschein auszustellen, schreibt der Nordkurier. Keunecke wollte sich nicht erneut gegenüber der Presse äußern (nordkurier.de).

Sicherheitsdienst schützt künftig Dortmunder Ratssitzungen

Nach dem Angriff von „Die Rechte“-Mitgliedern und AnhängerInnen auf das Dortmunder Rathaus wird nun mit drastischen Maßnahmen auf die neue Bedrohungslage auf Dortmunder Kommunalebene reagiert. Ein Sicherheitsdienst soll Sitzungen von Stadtrat und vier Bezirksvertretungen vorläufig schützen. Auch die Polizei soll vor Ort Präsenz zeigen. Auch in Duisburg wird über ähnliche Maßnahmen diskutiert. Dortmunds SPD-Chefin Nadja Lüders nannte die geplanten Maßnahmen richtig, fügte aber hinzu: „Es schaudert einen, dass Demokratie auf lokaler Basis unter Polizeischutz gestellt werden muss.“ (derwesten.de)

Neonazi-Vandalismus in Salzburg

In den letzten Wochen und Monaten kam es zu einer besorgniserregenden Zunahme von Neonazi-Aktivitäten in Salzburg.  Die Liste der Schäden sei lang, schreibt das Internet-Portal GMX Österreich: „ahlreiche Stolpersteine, die das Gedenken an deportierte und ermordete Juden aufrechterhalten, wurden mit schwarzer Lackfarbe überzogen. Auf die Türe einer Notschlafstelle der Caritas, wo Bettler untergebracht sind, schmierte jemand das Wort „KZ“. In allen Stadtteilen finden sich derzeit reihenweise Graffitis von Neonazis. Zu lesen sind Parolen wie „NS statt US“ oder „NSU reloaded““. Zudem wurde eine Roma-Schlafstelle angezündet, am internationalen Tag gegen Homophobie wurde die Regenbogenfahnen-Beflaggung der Staatsbrücke zerstört (gmx.at)

Vogtland: Erneut Nazi-Schmierereien in Reichenbach

Erneut wurden in Reichenbach zahlreiche Nazi-Schmierereien entdeckt. So wurden die sanierte Mauer unterhalb der Peter-Paul-Kirche, die Mauer und der grüne Fahrstuhlturm am Stadtsteg, Wohnhäuser in der Burgstraße und wieder das Zentrum für jüdisch-christliche Geschichte und Kultur in der Wiesenstraße mit neonazistischen Parolen und Symbolen beschmiert. Oberbürgermeister Dieter Kießling veranlasste die sofortige Verhüllung, bis die Graffiti entfernt sind. Zuletzt wurden ähnliche Propagandasprüche am 1.Mai in Reichenbach entdeckt. Der Staatsschutz ermittelt (vogtland-anzeiger.de).

Chemnitzer Rechtsrocklabel unterstützt griechische Neonazis

Das Musik-Label PC Records aus dem sächsischen Chemnitz hat einen Solidaritätssampler für die Neonazi-Partei „Chrysi Avgi“ (Goldene Morgenröte) produziert. Die Nazi-Partei erhält keine Parteienfinanzierung mehr, seit die Staatsanwaltschaft  gegen ein Dutzend Abgeordnete der Neonazi-Partei wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und zahlreicher Gewaltdelikte ermittelt. Zahlreiche Führungskader der „Goldenen Morgenröte“ sitzen in Untersuchungshaft. Trotzdem wurde die Nazi-Partei bei der Europawahl drittstärkste Kraft in Griechenland. Verantwortlich für die Produktion des Samplers ist Yves Rahmel. Er verdient jährlich mehrere hunderttausend Euro mit dem Vertrieb von Neonazi-Musik (bnr.de).

120 Sudanes*innen demonstrieren in Hannover für ihre Rechte

Sudanesische Flüchtlinge des "Refugee Protest Hannover" haben am Dienstag ihren Protest fortgesetzt. Gemeinsam mit zahlreichen Unterstützer*innen zogen sie gegen Mittag von der Oststadt durch die City zum Verwaltungsgericht Hannover auf der Bult. Den Ort hatten sie gewählt, um ihren Protest gegen die Behandlung von Geflüchteten durch die deutschen Behörden vorzubringen. Das Gericht ist zuständig für die Entscheidung über die Klagen gegen abgelehnte Asylanträge. Am Abend hatte der Bürgermeister des Stadtbezirks Mitte eine Abordnung der Refugees zu einem Gespräch geladen (haz.de).

Wikileaks retweetet Neonazi-Posts

Über ihren Twitteraccount hat die Enthüllungsplattform „Wikileaks“ aus unerklärlichen Gründen Posts der Neonazi-Plattform „White Resister“ verbreitet – und das völlig unkommentiert. Auch die Stellungnahme von „Wikileaks“ wirkt seltsam. Man habe mit den Tweets Entwicklungen aufzuzeigen wollen, die für ihr Publikum oder die Organisation relevant seien, aber keine Aussagen über  politische Einstellungen treffen wollen. Dies sei „in etwa so, als würde sich ein Linker einen „Blood and Honour“-Sticker auf den Rucksack kleben und damit durch die Stadt rennen – einfach um zu zeigen, dass es diese Neonazi-Organisation gibt, ohne politische Einordnung“, findet die Taz (taz.de).

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