Homepage des SV Blau-Weiß 90 Greiz. Bis vor kurzem war hier noch das Unternehmen eines Neonazis verlinkt.
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Wenn der stadtbekannte Neonazi den Sportverein sponsert

Nicht nur in den einschlägigen Fanszenen großer Vereine sind Neonazis ein Problem. Auch im Lokalsport versuchen Rechtsextreme mitten im zivilgesellschaftlichen Leben Fuß zu fassen.

Von Jakob Rödl

Ein Neonazi  als Sponsor

Anfang Februar 2014 wurde bekannt, dass der SV Blau-Weiß 90 Greiz aus Thüringen von einem Rechtsextremisten gesponsert wird. Es handelt sich um das Unternehmen Kabeltechnik Vogtland (KTV), dessen Mitinhaber David Köckert ist. Köckert ist bei weitem kein unbeschriebenes Blatt in der  rechtsextremen Szene. Wegen Volksverhetzung musste er sich bereits vor Gericht verantworten. Außerdem nimmt er regelmäßig am neonazistischem Fußballtreffen "Rudolf-Hess-Turnier" teil. In den 2000er Jahren soll sich Köckert im Umfeld rechter Kameradschaften und des mittlerweile verbotenen militanten Neonazi-Netzwerks Blood & Honour bewegt haben.

Sponsor bei der "Bürgerinitiative" aktiv

Aktuell tritt Köckert vor allem durch die sogenannte "Greizer Bürgerinitiative gegen ein Asylheim am Zaschberg" in Erscheinung, bei deren Demonstrationen er als Anmelder fungiert. Wie an so vielen Orten in Deutschland, etwa in Schneeberg oder in Berlin-Hellersdorf, nutzen auch in Greiz Rechtsextreme den Deckmantel einer Bürgerinitiative, um mit rassistischen Parolen gegen Flüchtlingsunterkünfte zu hetzen.

Weitere Initiatoren der "Bürgerinitiative", die vom Thüringer Verfassungsschutz beobachtet wird, sind Kevin P. und Rico Döhler. Beide sollen der rechtsextremen "Revolutionären Nationalen Jugend Vogtland" (RNJ) angehören. Nach Aussage des sächsischen Verfassungsschutzes handelt es sich bei der RNJ um "eine neonationalsozialistische Gruppierung, die seit 2011 regelmäßig öffentlichkeitswirksam in Erscheinung tritt".

Distanzierung des Vereins

Nach Bekanntwerden des rechtsextremen Sponsors entfernte Blau-Weiß 90 Greiz zunächst den Sponsorenvermerk von seinem Internet-Auftritt. Mittlerweile hat der Verein aufgrund des öffentlichen Drucks auch den Sponsorenvertrag gekündigt. "Wir distanzieren uns vom Sponsor. Ich habe den Vertrag fristgerecht gekündigt, er läuft zum 31. Mai aus", sagt der Vereinsvorsitzende Ralf Körner der Thüringer Allgemeinen. In der Kasse des Vereins mit über 70 Mitgliedern, der gerade dabei ist, ein Mädchenfußballteam aufzubauen, mache sich das bald fehlende Geld schon bemerkbar, so Körner weiter.

Außerdem soll die Vereins-Satzung geändert werden und - in Anlehnung an jene von Kreis- und Landessportbund - ein Absatz aufgenommen, in dem klar gegen Rassismus Stellung bezogen werde. Zudem soll auch die Sportplatzordnung überarbeitet werden, so dass es dem Verein künftig möglich ist, erkennbar rechtsextreme Besucher des Platzes zu verweisen.

Beratung durch den Landessportbund

Der Verein wird in diesem Fall durch den Landessportbund Thüringen (LSB) und den Kreissportbund Greiz beraten. Aenne Kürschner vom LSB stellt fest, dass man generell vielfältige Probleme mit Rechtsextremen im Lokalsport habe. Der LSB wird bei  diskriminierenden und rassistischen Beleidigungen aktiv oder wenn Rechtsextremen Verantwortungspositionen in Vereinen als Trainer*innen, Funktionär*innen oder Schiedsrichter*innen übernehmen. Das Projekt "Sport zeigt Gesicht!" des LSB steht betroffenen Vereinen beratend zur Seite und arbeitet hierbei eng mit den Stadt- und Kreissportbünden und den Sportfachverbänden zusammen. Gemeinsam mit Vereinsberater*innen nimmt das Projekt  direkt Kontakt zu den betroffenen Vereinen auf  und versucht gemeinsam mit ihnen Lösungsstrategien zu entwickeln. Dies kann beispielsweise Schulungen zu Rechtsextremismus oder Konfliktmanagement sowie die Überarbeitung von Satzungen oder Sportplatzordnungen umfassen. Schon seit 2008 betreibt der LSB außerdem Präventionsarbeit: Bei den Schulungen für angehende Übungsleiter*innen stehen seit 2010 von den derzeit insgesamt 122 Lehreinheiten auch  2 Lehreinheiten (1,5 Stunden) für die Bearbeitung des Themas Rechtsextremismus auf dem Lehrplan.

Was tun bei Problemen mit Rechtsextremen im Sportverein?

Wenn sich Rechtsextreme im Sportverein breit machen, rät Kürschner das Problem mit dem Vorstand offensiv anzugehen. Hilfe können betroffene Vereine dabei direkt beim Projekt „Sport zeigt Gesicht!“ erhalten. Kürschner habe zudem die Erfahrung gemacht, dass das Melden eines Problems im Rahmen der Kreisstrukturen am besten funktioniert. Hier sei die Distanz einfach geringer, da man sich meistens schon kenne und in anderen Bereichen bereits vertrauensvoll zusammenarbeite.

Für Vereine sei ein klar definiertes Wertefundament wichtig, um effektiv gegen Rechtsextreme vorgehen zu können. Dieses kann entweder in der Vereinssatzung oder in der Sportplatzordnung niedergeschrieben werden, zum Beispiel mit einem Verbot von Kleidungsmarken wie Consdaple oder Thor Steinar, die in der rechten Szene beliebt sind. Auch die Unterzeichnung des Ehrenkodex‘ des LSB oder einer Erklärung gegen Rechtsextremismus kann hilfreich sein. Wichtig sei, dass die sozialen Werte im Vereinsalltag auch gelebt werden. Denn dadurch würden Vereine tendenziell unattraktiv für Rechtsextreme. Eine Mustersatzung stellt der LSB hier zur Verfügung.

Hürden für die Kooperation mit Vereinen

Kürschner stellt gelegentlich auch Hürden für die Kooperation mit Vereinen fest. Vereine fühlten sich im Umgang mit Rechtsextremen oft überfordert. Einige gingen dem Problem deshalb auch erst einmal aus dem Weg. Dabei handele es sich dann aber keinesfalls um rechtsextreme Sympathisanten. Vielmehr müsse man verstehen, dass der Lokalsport fast ausschließlich vom Ehrenamt getragen werde, so Kürschner.

Die Auseinandersetzung mit dem komplexen Themengebiet Rechtsextremismus bedarf vor allem zusätzlicher Kapazitäten, die bei den begrenzten Ressourcen des Ehrenamtes mitunter erst einmal fehlen. Wichtig ist es deshalb, die Anliegen der Vereine ernst zu nehmen und ihnen  im Beratungsprozess auf Augenhöhe zu begegnen.

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