Die Fanszene des SC Freiburg steht eng zusammen und ist für Formen der Diskriminierung wie Rassismus hoch sensibel.
Nordtribuene.org

SC Freiburg: "Wir spielen immer gegen den Abstieg, aber das stärkt den Zusammenhalt"

Seit 2011 gibt es beim SC Freiburg hauptamtliche Fanbeauftragte. Wir sprachen mit André Wunder über seine Arbeit beim Verein und die Fanszene des Freiburger Bundesligisten, dessen Saisonziel alljährlich der Klassenerhalt ist. In Freiburg stehen Fans, Spieler und Verein nah zusammen, der Verein ermöglicht den Fans einige Mitbestimmungsmöglichkeiten oder ist zumindest immer offen für Kritik. Wirkliche Probleme gab es zuletzt nur mit den aus Sicht einiger Fans und Beobachter*innen unzulässigen Meldeauflagen durch die Polizei der Stadt im Breisgau.

Das Interview führte Laura Piotrowski

FgN: Mit welchen fünf Worten würden Sie die Fanszene vom SC Freiburg charakterisieren, also was macht die Freiburgerinnen und Freiburger aus?

AW: Also das ist keine leichte Frage. Ich würde sagen kreativ, tolerant, heimatverbunden, kommunikativ und dabei kritisch und trotzdem loyal. Am besten zeigt sich das in der Frage des Stadionneubaus. Von der Fanszene gibt es viele Inputs, die Szene ist sehr kommunikativ, aber auch kritisch gegenüber den Plänen. Weil aber alle verstehen, dass wir einfach einen Neubau brauchen, um konkurrenzfähig zu bleiben, schmieden auch die Fans Pläne und beteiligen sich. Trotzdem hier alle sehr traditionsbewusst sind, bekommen wir so eine tolle Unterstützung und stehen immer im Austausch.

Was heißt, man brauche einen Neubau um konkurrenzfähig zu bleiben?

Das alte Stadion erfüllt einfach keine Bundesligastandards mehr. Beispeilsweise ist das Spielfeld etwas zu kurz und abschüssig. Wir müssen immer eine Ausnahmegenehmigung bei der DFL beantragen. Außerdem wünschen wir uns mehr Plätze, auch mehr bezahlbare Stehplätze. Weiterhin sollen die kostengünstigen Familienblöcke ausgebaut werden. Aber der Verein benötigt auch mehr Hospitaltity Bereiche, mit denen sich mehr Vermarktungsmöglichkeiten bieten. So können auch weiterhin sozial verträgliche Eintrittspreise sichergestellt werden.  Die Ultras sind zwar gewohnt kritisch gegen die Kommerzialisierung, aber sie erkennen gleichzeitig die Notwendigkeit für den Umzug aus dem Schwarzwald-Stadion an.

Das klingt gut, weil besonders aktive Fans immer um günstige Stehplätze kämpfen. Könnte man sagen, beim SC Freiburg verhandelt der Verein dabei auf Augenhöhe mit den Fans?

"Augenhöhe" ist leider in der Realität nie richtig machbar, es gibt immer einen, der am Ende des Hebels sitzt. Aber der Verein ist sehr zugänglich für seine Mitglieder, alles ist möglichst offen und transparent, die Partizipation ist vereinsseitig gewünscht. Es ist für die Fans machbar, auch mal direkt auf Entscheidungsträger zuzugehen. Dies gilt für beide Seiten und wird gesucht, auch wenn die Mitbestimmung nicht in allen Punkten möglich ist. Aber Bedenken werden immer ernstgenommen und auch geschätzt.

Was heißt es, wenn Sie sagen, die Fanszene sei "tolerant"?

Die Fans sind gegenüber anderen Fanszenen tolerant und respektvoll im Umgang untereinander. Oft überträgt sich ja der Wettbewerb vom Platz auf die Ränge, aber die Schmähungen gegenüber anderen Fans spielen hier nur eine marginale Rolle. Mir sind keine Überfälle oder organisierte Angriffe auf andere Fangruppen bekannt, weder bei Heimspielen noch auswärts. Im Vergleich mit anderen Standorten ist es hier relativ ruhig. Die Fanszene geht dabei mit dem Verein einen in der Regel einen übereinstimmenden Weg, weil sie eben sehr loyal ist und weil ein reger Austausch mit den Verantwortlichen stattfindet.

Was sind aktuelle Ziele und Handlungsfelder der Fanbeauftragten für 2015?

Der Stadionneubau ist  ein zentrales Thema für unsere Arbeit der kommenden Monate. Nachdem der Bürgerentscheid positiv für den Neubau ausgefallen ist, gilt es jetzt die Fans mitzunehmen, in einen regen Austausch zu treten. Neben dem Highlight einer Europaleague-Saisom im vergangen Jahr haben wir dieses Jahr natürlich den "normalen" Ligabetrieb. Das bedeutet für uns allerdings immer: spielen gegen den Abstieg. Wir haben hier nur bescheidene Mittel, aber mit denen halten wir bis jetzt die Klasse, Ziel ist es immer in der Bundesliga zu bleiben, dafür sind die Fans dankbar.

Das ist auch ein charakteristisches Wort für die Fanszene, "dankbar". Die Mannschaft wird auch bei einer Niederlage nicht ausgepfiffen, wenn der Einsatz gestimmt hat, es gibt keine Belagerung des Mannschaftsbusses oder ähnliches. Fans und Mannschaft stehen geschlossen zueinander, es gibt eine starke Nähe. Und wenn man mal verloren hat, dann freuen sich die Fans eben auf den nächsten Sieg und motivieren die Jungs auf dem Platz. Anders würde es hier nicht funktionieren, wir sind so etwas wie die "Zusammenhalter der Liga".

Wow also das klingt alles sehr schön. Gibt es in der Fanszene gar keine Probleme?

Also wir sind hier natürlich auch keine Insel der Glückseligen, es gibt auch Probleme, aber nicht in großen Ausmaßen. Es gibt kleinere Generationenkonflikte zwischen den jüngeren Ultras und alteingesessenen Fanclubs, die sich etwa über das Fahnenschwenken beschweren. Da unterscheiden wir uns aber nicht von anderen Vereinen, ich denke dieses Phänomen findet man wohl in jeder Fanszene.

Größere Probleme gab es zuletzt mit den Meldeauflagen für einige Fans. Davon betroffen waren ca.15 bis 20 Personen, die kein Stadionverbot vom Verein hatten, aber sich bei der Polizei, in den meisten Fällen aufgrund der  Beteiligung an Drittortauseinandersetzungen, bei Heim- und Auswärtsspielen bei den zuständigen Polizeidienststellen melden mussten, also nicht das Stadion besuchen konnten und teilweise auch Auftrittsverbote für die Gegend um das Stadion erhielten. Der Verein war dafür nicht zuständig, das war eine Entscheidung der Polizei. Einige Fans haben angekündigt, dass sie dagegen gerichtlich vorgehen wollen. Das könnte also auch noch über die Grenzen Freiburgs hinaus für Furore sorgen.

Gibt es in der Fanszene auch Probleme mit rassistischem oder anders diskriminierendem Verhalten?

Nein, eigentlich nicht. Also es kann schon vorkommen, dass ältere Fans, die in einer derben Fankultur vor 25 Jahren und länger sozialisiert wurden, auch mal "Zigeuner" oder ähnliches rufen, weil das damals eben akzeptiert war. Aber da reagiert die Fanszene immer sofort, die soziale Kontrolle ist sehr hoch, die Fans gehen sensibel damit um. Hier wird keiner "schwule Sau" genannt, solche Sprüche sind einfach nicht erwünscht. Auch wir als Verein machen da viel, wie dass wir zuletzt das Schild gegen Gewalt und Rassismus bei uns am Eingang zur Nordtribüne angebracht haben.

Das Schild gegen Rassismus und Gewalt wird von "Fußballvereine gegen Rechts" vergeben und von Fussball-gegen-nazi.de. unterstützt. (Quelle: Fussballvereine-gegen-Rechts.de)

Im letzten Jahr war auch die Ausstellung "Tatort Stadion"  in Freiburg zu Gast. Bei diversen Veranstaltungen in diesem Rahmen waren Spieler und Trainer vor Ort, haben mit diskutiert. Die Fans stehen hinter der Arbeit, sie sind sehr aktiv und aufgeschlossen. Als zuletzt beim Aufwärmen ein Spieler unserer Teams von einigen Fans, wohl aus einer Bierlaune heraus bei den Torschüssen mit höhnischem Applaus quasi ausgelacht wurde, haben die Fanclubs und Ultras das direkt im Nachgang kritisiert und auch einen offenen Brief an die Mannschaft geschrieben, um sich von so einem Verhalten zu distanzieren und zu zeigen, dass es hierfür keinen Platz in unserer Fankultur gibt. Beim darauf folgenden Auswärtsspiel wurde dann auch ein Spruchband gezeigt, um sich mit dem Spieler solidarisch zu zeigen und ihn wieder aufzubauen.

Was sind die Projekte und Gruppen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Im letzten Jahr haben wir als Verein und das Fanprojekt mit der Tatort-Stadion-Woche viel auf die Beine gestellt. 2015 planen wir mehr zum Thema Asyl und Flüchtlinge zu machen. Es gibt aktuell auch mehrere Flüchtlinge, die in Kontakt mit den Ultras stehen und regelmäßig zu den Spielen kommen. Gemeinsam mit den Fans wird ihnen auch der Eintritt finanziert.

Außerdem verkaufen wir ein eigenes T-Shirt gegen Rassismus, der Erlös geht zu 100 Prozent an Flüchtlingsprojekte. Und wir beteiligen uns an der Initiative Second Fanshirt vom BAFF, die mit dem Verkauf alter Trikots Geld für Flüchtlinge sammeln.

Also insgesamt gibt es bei uns nicht nur einmal im Jahr ein Banner oder eine Aktion, weil der Verband das fordert. Sondern wir sind durchgängig das ganze Jahr aktiv, nicht nur mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Ich halte das auch für die nachhaltigere Arbeit, vieles ist hier einfach selbstverständlich geworden und läuft parallel immer mit. Schön wäre, wenn wir etwas wie die Tatort-Stadion-Woche vom vergangenen Jahr regelmäßig etablieren könnten.

Der SC Freiburg hat ein eigenes Antirassismus-T-Shirt, das hier die Einlaufkinder tragen. (Quelle: Nordtribuene.org)

Mehr im Internet: 

  • Polizei vs. Freiburg-Ultras: "Mit Kanonen auf Spatzen" (Spiegel Online)
  • Gemeinsame Erklärung zu Meldeauflagen und Betretungsverboten von SC Freiburg Fans (Nordtribuene.org)
  • BAFF und FSE rufen zur Flüchtlingshilfe-Kampagne "Second Fan Shirt" auf (Fussball-gegen-nazis.de)
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