Presse- und Blogschau 06.12.-12.12.2012

 

Zahlreiche rechtsextreme Angriffe in NRW +++ Mit Flüchtlingen ins Dresdner Stadion +++ Kontroverse um DFL-Sicherheitspapier geht weiter +++ Festnahmen wegen rassistischer Gesten und Sprüche in Großbritannien +++ Gerademachen gegen Nazis in Hamburg +++ Emre droht Haftstrafe wegen rassistischer Beleidigungen +++ Rechtspopulisten rollen Integrationsdebatte nach Tod des niederländischen Linienrichters wieder auf

Die wöchentliche Presse- und Blogschau von fussball-gegen-nazis.de

Gewalt durch rechtsextreme Fußballanhänger - Back Up registriert zahlreiche Angriffe in NRW

Bei vielen rechtsextremen Angriffen, die in Nordrhein-Westfalen (NRW) im zurückliegenden Jahr stattgefunden haben, sind die Täter aktive Fußballanhänger. Darauf weist Back Up hin, die erste Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt in NRW. "Immer wieder schlagen Neonazis zu, die sich auch in Ultra-Gruppen oder Fanclubs verschiedener regionaler Fußballvereine organisieren", sagt Claudia Luzar, die wissenschaftliche Leiterin von Back Up. Die Opfer der Rechtsextremisten sind zumeist Migranten oder linksalternative Jugendliche – auch aus dem Fußballumfeld. "Diese Angriffe finden in der Regel weit außerhalb der Stadien statt, und werden deshalb weder von der Polizei noch von den Vereinen in einen Fußballzusammenhang gebracht." Die Neonazis unter den Fußballanhängern führen demnach einen gewalttätigen Raumkampf um ihren jeweiligen lokalen Einfluss.

So registrierte Back Up Gewalttätigkeiten aus dem jeweiligen Fanumfeld von Borussia Dortmund, Rot-Weiß Oberhausen, Westfalia Herne, MSV Duisburg, Arminia Bielefeld sowie Alemannia Aachen. "Wir stellen fest, dass sich gerade hier in der reichen Fankultur in NRW gewalttätige Rechtsextremisten in einzelnen Fangruppen in den vergangenen Jahren eingenistet haben", sagt Claudia Luzar. Zusätzlich weist die Rechtsextremismusforscherin darauf hin, dass die Gewaltkultur so genannter "Autonomer Nationalisten" aus dem bundesweit agierenden neonazistischen "Nationalen Widerstand" anschlussfähig an die erlebnisorientierte Ultrakultur ist. "Natürlich ist nur ein sehr kleiner Teil der Ultras gewaltbereit und zugleich rechtsextremistisch, aber es sieht so aus, als dass diese Neonazis oftmals einen gehörigen Druck auf die antirassistisch orientierten Fans ausüben." Daher ruft Back Up sämtliche Fußballfans in NRW dazu auf, sich offen von den wenigen rechtsextremen Anhängern zu distanzieren. "Wir bieten zudem jedem durch Bedrohung oder offene Gewalt betroffenen Fußballfan unsere Hilfe als unabhängige Beratungsstelle an", so Luzar weiter. (Pressemitteilung von Back Up)

Rechtsextreme Fans und Hooligans, die nicht nur Anhänger anderer Clubs sondern auch die Fans des eigenen Vereins attackieren, stehen im Fokus eines Beitrags des NDR. Besonders wird in diesem auf die Problematiken im Umfeld von Werder Bremen eingegangen.

Dresden: Mit Flüchtlingen ins Stadion

Vergangenen Samstag hat die antirassistische Faninitiative 1953international der SG Dynamo Dresden gemeinsam mit der AG Asylsuchende eine Gruppe von Flüchtlingen ins Dynamo-Stadion eingeladen, um gemeinsam das Spiel gegen den VfL Bochum zu erleben. Die Flüchtlinge, unter ihnen auch Fußball-begeisterte Kinder, kamen aus Schmiedeberg, Pirna und Dresden. Obwohl die SG Dynamo 0:3 verloren hat, war der Stadionbesuch ein spannendes Erlebnis für die Migranten. Und eine Abwechslung zum tristen Leben im Asylheim. (AG Asylsuchende) Weitere gemeinsame Heimspielbesuche sollen folgen. Außerdem wird ein Artikel über das Projekt im Stadionheft der SG Dynamo Dresden erscheinen. Und die Asylsuchenden sollen in Zukunft nicht nur in der Kurve, sondern auch auf dem Platz eingebunden werden: "Wir suchen elf Flüchtlingskinder, die das Team bei einem Spieleinlauf begleiten. Das würde eine größere Aufmerksamkeit auf unser Projekt lenken", erklärt Kai von 1953international. Finanziert wird das Projekt mit dem Erlös aus der Versteigerung von Sondertrikots. Die Trikots mit der Aufschrift "Love Dynamo – Hate Racism" hatten die Spieler beim Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig am 20.10.2012 getragen. Die sechs versteigerten Exemplare erbrachten insgesamt einem Erlös von 4.157,08 EUR. Der Verein Dynamo Dresden steht dem ganzen Projekt sehr offen gegenüber und unterstützt es öffentlich. (AG Asylsuchende)

Bochum: Kalender gegen Gewalt und Rassismus

"So nicht!", steht neben der Zeichnung, auf der jemand zutritt. "So schon eher", überschreibt die Szene, in der dieselbe Person eine andere umarmt. Aus 150 Einsendungen stellt das Fanprojekt des VfL Bochum derzeit wieder einen Kalender zusammen, der sich gegen Gewalt und Rassismus richtet. Mädchen und Jungen aus 6 verschiedenen Schulen reichten dafür Arbeiten ein. (Der Westen)

Al Ahly Kairo: Eine Tragödie als Antrieb

Al Ahly Kairo startet an diesem Sonntag nach der Stadionkatastrophe von Port Said ohne viel Spielpraxis bei der Klub-WM in Japan. Der Verein zeigt, wie sehr Politik, Religion und Fußball in Ägypten verknüpft sind. (FAZ)

Kontroverse um DFL-Sicherheitspapier geht weiter

Kurz vor dem DFL-Sicherheitsgipfel am 12.12. geht auch der mediale Steit um das zur Abstimmung stehende Sicherheitspapier in die (vorerst) letzte Runde. Polizei kontra Bundesligisten kontra Fans - kämpfen in der Diskussion um die Sicherheit in Deutschlands Fußballstadien alle gegen alle? Im Gespräch mit den Betroffenen wird klar: Die Streitparteien sind sich näher, als sie denken, schreibt Christoph Ruf auf Spiegel online. Rafael Buschmann sprach mit Thomas Feltes. Der Jurist sollte den Liga-Verband DFL bei der Stadionsicherheit beraten, nach einem Zerwürfnis musste er gehen. Im Interview spricht der Kriminologe über die Sinnlosigkeit von Stadionverboten und beklagt die Unwissenheit der Verbandsbosse über die Fankultur. (Spiegel online) Im Print-Spiegel hingegen werden fragwürdige Vergleiche zwischen Ultras und Terroristen gezogen. (Die Schottische Furche) Die KOS analysiert die Hintergründe und legt Vorschläge für einen künftigen konstruktiven Umgang der Akteure vor. (KOS) Drei Festnahmen gab es beim Pokalspiel Hannover 96 gegen Dynamo Dresden. Nach Rechtsprechung des DFB heißt das ein Jahr Ausschluss aus dem Wettbewerb. Für den Club. Nicht für die Festgenommenen. Was das alles mit dem Sicherheitskonzept zu tun hat, erörtert sportal.de. Wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen? Sven Brux vom FC St. Pauli spricht über das umstrittene Sicherheitskonzept im Fußball und Maßnahmen, die er bei seiner Arbeit mit den Fans präventiv ergreift. (FAZ)

Gerademachen gegen Nazis

Frodo vom FC St.Pauli Fanzine "Der Übersteiger" betrachtet im Online-Adventskalender von Fokus Fußball noch einmal die Ereignisse um das Hallenturnier Schweinske-Cup 2012: "In der Halle angekommen kam es während des ersten St.Pauli-Spiels zu einem Angriff einer Gruppe Lübecker, die vielleicht mit dem ebenfalls anwesenden VfB sympathisierten, vielleicht aber auch einfach nur mal ungehemmt ihre rechte Gesinnung ausleben wollten." (Fokus Fussball)

Englische Premier League: Festnahmen wegen rassistischer Gesten und Sprüche

Ein Fan von Swansea City machte offenbar während des Spiels gegen Norwich City rasstistische Gesten gegen den Norwich-Spieler Sébastien Bassong und wurde deshalb kurz danach festgenommen. Die Affengeste des Zuschauers war von einer Überwachungskamera eingefangen worden. (RP online, Guardian) Die Polizei in Manchester bestätigte unterdessen die Festnahme eines Fans wegen rassistischer Sprechchöre während des Derbys zwischen Manchester United und Manchester City. Darüber hinaus wurde Rio Ferdinand kurz vor Ende des Spiels von einer Münze am Auge getroffen. (sportal.de)

Bosnien und Herzegowina: Wenn der Krieg ins Stadion zurückkehrt

Prügeleien, Hassgesänge, Stadionverbot für Auswärtsfans – der Jugoslawien-Krieg ist lange vorbei, doch er prägt noch immer die Identität bosnischer Fußballfans. (Zeit online)

Wegen Homophobie: Fußballcub entlässt ganze A-Manschaft

In Schweden hat sich ein Fußballverein von seiner gesamten A-Mannschaft getrennt, nachdem Spieler des Teams Mitglieder einer gegnerischer Mannschaft wiederholt homophob beleidigt hatten. Zu dem Vorfall war es bereits am 17. Oktober gekommen, als Sörskogens IF auf die Fußballmannschaft des Homo-Sportvereins Stockholm Snipers traf. Bei der Begegnung in der siebten Liga mussten sich die schwulen Spieler Beleidigungen wie "Ihr habt alle HIV" anhören. (Queer.de)

Rassistische Beleidigung: Emre droht Haftstrafe

Dem türkischen Fußball-Nationalspieler Emre droht wegen rassistischer Beleidigung in seiner Heimat eine Haftstrafe. Die Staatsanwaltschaft in Istanbul forderte laut lokalen Medienberichten sechs Monate bis zwei Jahre Gefängnis für den Mittelfeldspieler, der bei Atletico Madrid unter Vertrag steht. Der 32-Jährige soll in seiner Zeit bei Fenerbahce bei einem türkischen Ligaduell im vergangenen April seinen Gegenspieler Didier Zokora von Trabzonspor rassistisch beleidigt haben. Dafür war Emre bereits für zwei Spiele gesperrt worden. (Eurosport)

Nach dem Tod des Linienrichters: Rechtspopulisten rollen Integrationsdebatte wieder auf

Die niederländische Rechte nimmt den Gewaltvorfall zum Anlass, ein altes Thema zu spielen: Sie geben sich als Tabubrecher, die als einzige offen aussprechen, dass die Täter Migranten sind. Der Tod des Linienrichters wird zum Härtetest für die Niederlande. (Tagesspiegel)

drucken