Normalerweise versuchen Rechtsextreme stets, sich misslungene eigene Aktionen im Nachhinein schönzureden. Nachdem ihr "Trauermarsch" nun in Dresden zum dritten Mal in Folge blockiert wurden, fällt dies den Nazis im Netz zunehmend schwerer.
Von Olga Wendtke
2012 hatten die Nazis es nicht leicht mit ihren Aktivitäten in Dresden: Schon im Vorfeld gab es organisatorische Schwierigkeiten bei der Organisation ihrer so genannten "Trauermärsche". Die zunächst geplante bundesweite Mobilisierung für den 18. Februar fiel ganz ins Wasser. Das rechtsextreme "Aktionsbündnis gegen das Vergessen" meldete einen Fackelmarsch am 13. Februar an. Doch dieser entpuppte sich als Reinfall, mit stark verkürzter Route und zahlreichen Gegenprotesten.
Trommelwirbel und warmes Licht
Einen Tag später versucht das "Aktionsbündnisses gegen das Vergessen" auf ihrer eigenen Homepage dennoch, ihre Demonstration als emotionale und herzergreifende Veranstaltung zu inszenieren. Im Nachhinein wird von Trommelwirbeln berichtet, die erst die Teilnehmer/innen aus ihren Gedanken gerissen hätten und danach in der kalten Februarnacht verhallt wären. Fackeln sollen den Trauerzug in ein warmes Licht getaucht haben - allerdings gab es in Wirklichkeit sowohl zu wenig Trommeln als auch zu wenig Fackeln, um diesen Effekt zu erzeugen.
Aber die klassische Musik im Hintergrund habe gut zur trauernden Selbstdarstellung gepasst, die der jährliche Fackelmarsch in Dresden ist. Die Neonazis wollen sich dort als letzte geschichtsbewusste Deutsche verstehen, die dort bloß an die „unschuldigen Opfer eines alliierten Kriegsverbrechens in Würde gedenken." Wenn man sie nur lassen würde. Stattdessen gab es lautstarken Protest gegen den Geschichtsrevisionismus - den man besser hörte als die "klassische Musik".
Na klar: NPD "verzichtet" auf Kranzablage
So verzichtete die NPD in diesem Jahr bewusst auf die Teilnahme bei der Gedenkveranstaltung auf dem Heidefriedhof - berichtet sie selbst. Die rechten Parteipolitiker warfen ihren Kranz schon am Morgen ab. Die „Instrumentalisierung des Dresden-Gedenkens für den „Kampf gegen Rechts“, die angeblich bei der Trauerfeier stattfinden soll, verurteilen sie aus innerster Überzeugung", ist auf der Internetseite der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag zu lesen.
Die "Freien Kräfte": Frustriert
Aber auch innerhalb der „freien Kräfte“, deren Veranstaltung der "Trauermarsch" der JLO eigentlich ist, kommt die Veranstaltung am Montagabend nicht gut weg. So berichtet die AG Rheinland, dass sie vor dem offiziellen Ende die Kundgebung verließ. Die Aktivist/innen waren inhaltlich mit der Rede von Olaf Rose unzufrieden. Es könne nicht angehen, dass jede Unverschämtheit einfach so hingenommen werde, heißt es später in der öffentlichen Nachbetrachtung.
Andere Neonazis schütten sich später in der „Germanischen Weltnetzgemeinsacht“ das Herz aus. So beschwert sich „Oberlandsturm“ auf dem Szene-Portal Thiazi über die Organisation der Demonstration. Er fragt sich warum „es nicht möglich war in 6er Reihen zu laufen.“ Außerdem hätte er sich das Eingreifen der „deutlich unterbesetzten Ordnergruppe gewünscht“, zu der es leider nicht kam. Abschließend stellt er fest, dass „er jeden verstehen würde, der nach gestern nicht nochmal [nach Dresden] fährt.“
Jogginghosen in die Mitte
Auch das Demonstrationspublikum stößt intern durch ihr Verhalten auf Kritik. „FK- GHA“ beschwert sich über die wenigen fähigen Ordner. Sie seien die ganze Zeit damit beschäftigt gewesen, Reihen herzustellen, Kippen ausmachen zulassen, B-Jacken auszusortieren, Besoffene raus zu schaffen und Jogginghosen in die Mitte zu stellen. „Franz Schwede“ bezeichnet im gleichen Thread die Demoroute als „schlechten Witz“. Er sieht es als „Frechheit 1 1/2 Stunden auf der Straße gewesen zu sein und einen Kilometer marschiert“ zu haben. Für ihn steht fest: „ Wir machen uns zum Gespött, wenn wir das als Erfolg werten."
Im "Nazikäfig"
Der Frust sitzt bei den Neonazis also tief. Zum einen können sie ihre Demonstration nur in einem „Nazikäfig“ abhalten, wie „SturmLu“ später im Neonazi-Netzwerk beklagt. Umstellt von Hamburger Gittern und schwer behelmten Polizist/innen scheint ein Ausbruchversuch zwecklos. Die 1500 Neonazis dürfen danach einmal um den Block durch vier komplett leere Straßen Dresdens laufen.
Blockierer/innen und Gegendemonstrant/innen haben die Route sichtlich verkürzt. Der Thiazi-Nutzer „Eissturm“ resigniert: „ Die Antifabanden (…) haben es wirklich hinbekommen unseren wirkungsmächtigsten und eindruckstvollsten Aufmarsch kaputtzubekommen.“
Einige verärgerte Neonazis verleihen während der Veranstaltung ihrer Wut und Enttäuschung Ausdruck. 300 Teilnehmer/innen bleiben auf der Marschroute stehen. Ein bizarres Bild entsteht. Die angeblich „geschlossene“ und „vereinte“ Versammlung teilt sich auf. Anstatt die „Kameraden und Kameradinnen“ zu unterstützen, läuft der vordere Demo-Teil einfach weiter. Und auch in der Nachbetrachtung zeigen sich die Neonazis uneinig über diese Situation. „FK-GHA“ sieht es als „lächerliche“ Aktion an, denn gerade in der Öffentlichkeit haben sie Geschlossenheit zu demonstrieren. Andere vermissen den entschlossenen Willen, der auch nicht an einem Trauertag fehlen dürfe. So verstehe „From Hell“ die Welt nicht mehr, da die „Zecken“ einfach mal so eine Polizeiabsperrung stürmen und sie sich eingekesselt von der Polizei die Beine in den Arsch stehen.
Strategie: Unklar
Wie es in den nächsten Jahren mit dem „Gedenken“ für die Neonazis weiter geht, ist unklar. „ns-renegade“ wirft die Frage auf, ob es nicht sinnvoller wäre den 13.02 in Dresden einfach sein zu lassen und das Gedenken lieber auf bestehende Tage wie zum Beispiel den Volkstrauertag anzugliedern. Somit würde es dezentral verstärkt werden.
Die Handlungsunfähigkeit am vergangenen Montag hat Spuren hinterlassen. Die bundesweite Attraktivität des ehemals „größten Neonaziaufmarsch Europas“ schwindet von Jahr zu Jahr. Die extrem Rechte Szene ist sich uneinig über die weitere Entwicklung dieses vermeintlich so „Symbolträchtigen Datums“. Wie es in den nächsten Jahren weitergeht entscheidet auch die Suche nach Organisator/innen. Es wird auf jeden Fall immer schwieriger an die Erfolge von 2005 mit 6.500 Neonazis aus ganz Europa anzuknüpfen. Zum Glück.
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