Sexueller Missbrauch an Kindern ist ein emotional aufgeladenes Thema, das sowohl in der Online- wie in der Offline-Welt zu heftig geführten Debatten führt. Leider ist in den letzten Jahren immer wieder zu beobachten, dass Rechtsextreme genau dieses Diskussion aufgreifen und für ihre Zwecke einsetzen. Darauf reagieren müssen vor allem Projekte, die sich mit dem Thema inhaltlich beschäftigen.
Von Redaktion
Vereine, Organisationen und Initiativen, die sich mit Aufklärung, Prävention oder Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch beschäftigen, werden dabei gezielt von Rechtsextremen instrumentalisiert. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat dazu gemeinsam mit seinem Fachbeirat einen Workshop mit der Amadeu Antonio Stiftung durchgeführt und lässt eine Expertise zum Thema erarbeiten.
Die Stiftung klärt seit 1998 erfolgreich Vereine, NGOs und andere Institutionen zum Thema Rechtsextremismus auf und verfügt über umfassende Kenntnisse zum Problem der Instrumentalisierung von sexuellem Kindesmissbrauch durch Rechtsextreme.
Über die Instrumentalisierung sprechen
"Es ist wichtig, über die Instrumentalisierung des Themas durch die rechtsextreme Szene zu sprechen und wirksame Lösungen dagegen zu finden. Die Forderungen der Rechtsextremen missachten rechtsstaatliche Grundsätze", so Johannes-Wilhelm Rörig.
Rechtsextreme bieten keine Unterstützung für Betroffene sexueller Gewalt
Sexueller Kindesmissbrauch ist ein hochemotionales Thema. Rechtsextreme präsentieren sich mit ihrem Appell "Todesstrafe für Kindesschänder" als tatkräftige politische Alternative und polemisieren gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Mit ihren drastischen Darstellungen und Forderungen bedienen sie den Voyeurismus, schüren Ängste und legen den Fokus auf die Täter und Täterinnen. Das vermeintliche Interesse an Opferhilfe ist jedoch nur Teil der Normalisierungsstrategie der rechtsextremen Szene. Die Unterstützung von Betroffenen bei der Bewältigung des Erlebten oder die Prävention von sexuellem Missbrauch liegen nicht im ihrem Interesse.
Vielmehr geht es um Aufmerksamkeit, Wählerstimmen und neue Mitglieder. Rechtsradikale greifen strategisch auf Materialien und Symbole von seriösen, rechtsstaatlichen Organisationen und Vereinen zu oder verlinken auf deren Internetpräsenz. "Vereine und Organisationen stehen hier vor der Aufgabe, mögliche Anknüpfungspunkte, die sich in ihrer öffentlichen Darstellungen für rechte Propaganda ergeben, kritisch zu reflektieren und zu überarbeiten. Solche Anknüpfungspunkte ergeben sich z.B., wenn die fachlichen Standards bei der Thematisierung sexuellen Missbrauchs missachtet werden und demokratische Grund-haltungen aus dem Blick geraten", so Dr. Heike Radvan von der Fachstelle "Gender und Rechtsextremismus" der Amadeu Antonio Stiftung. Inhaltliche Orientierung gibt ein erstes Papier zu diesem Thema, das am Ende dieses Artikels zum Download zur Verfügung steht.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung.
Wie erkennt man Kinderschutz-Seiten mit rechtsextremen Hintergrund?
Das Problem ist gerade im Internet mehr als deutlich: Nicht alle Userinnen und User schauen so genau, wenn es um ein schnell geklicktes "Gefällt mir" geht. Umso wichtiger ist die Aufklärung und Sensibilisierung über den eigentlichen Hintergrund entsprechender Seiten. Verschiedene Merkmale vermeintlicher Kinderschutz-Seiten können auf einen rechtsextremen Hintergrund deuten:
- Rechtsextreme sprechen häufig von "Opfern", was mit Hilflosigkeit assoziiert wird und den Eindruck erweckt, die "Opfer" könnten sich nicht selbst wehren. Seriöse Initiativen nutzen vermehrt das Wort "Betroffene", um die emotionalen Konnotationen möglichst gering zu halten.
- Rechtsextreme Seiten legen ihren Fokus auf die Bestrafung der Täterinnen und Täter, nicht auf die Betroffenen. Oft werden "Auge um Auge, Zahn um Zahn"-Metaphern benutzt und Selbstjustiz befürwortet.
- Auch das Wort "Kinderschänder" wird häufig von Rechtsextremen genutzt, um den Schwerpunkt des umfangreichen Themas "Missbrauch" auf die Verfolgung der Täterinnen und Täter zu lenken. Das hier schon im Vokabular das Kind "geschändet" wird, fällt erst beim zweiten Hinsehen auf. Mit anderen Worten: Vorsicht, wenn von "Kinderschändern" die Rede ist!
- Ein weiteres Indiz: Zu fast jeder von Rechtsextremen aufgesetzten vermeintlichen "Kinderschutz"-Seite gibt es eine Gegenaktion, die über den Missbrauch des Missbrauchs aufklärt. Insofern lohnt es sich, zunächst nachzurecherchieren, bevor man seinen Unterstützerhaken setzt.
Mehr Informationen bei netz-gegen-nazis.de: