Rudolf-Heß-Grabauflösung ärgert Nazis - sie wollen am 20. August dagegen einen Flashmob veranstalten

Während Politiker_innen und Onlinezeitungsleser_innen noch diskutieren, ob die Umbettung der Gebeine von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß eine sinnvolle Aktion ist und Aufmärsche in Wunsiedel zu verhindern hilft, ist eines im Internet deutlich sichtbar: Die Neonazis ärgern sich maßlos. Und rufen schon unter anderem zu einem "Flashmob gegen staatliche Grabschändung" auf.

Von Simone Rafael

"Am 20.8. nach Wunsiedel Spaziergang gegen Grabschändung, mitbringen kleine Gummiskelette,oder Totenköpfe und Blumen die überall in der Stadt niedergelegt werden und an die unglaubliche Grabschändung von Rudolf Hess mahnen sollen." Was klingt wie eine Satire oder Veralberung, ist dem empörten Neonazi Christian H. auf Facebook ziemlich ernst, der damit seine "Kameraden" zu einem "Flashmob gegen staatliche Grabschändung" einlädt. Die steigen dann auch entsprechend darauf ein: "Wir sind dabei die komplette Freie Bewegung" schreibt etwa ein User, der die Abkürzung "Rahowa" (= Racial Holy War) im Namen trägt und sich auf seinem Profilbild mit Schlagringen und Reichskriegsflagge präsentiert. Eine andere Userin fragt gleich geschäftig nach: "Mietet ihr einen Bus?" Allerdings haben sich bisher erst 39 Kameraden und Kameradinnen dafür interessiert, Plastikskelette in der bayerischen Ortschaft zu verteilen.


Vorbei, vorbei: Hier können die Neonazis nun nicht mehr posieren. Alle Fotos sind Profilbilder von Nazis auf Facebook.

Am Morgen des 20.07.2011 wurde von der evangelischen Gemeinde in Wunsiedel die Grabstätte, in der Rudolf Heß 1987 bestattet wurde, geöffnet. Die Gebeine des Hitler-Stellvertreters wurden entnommen und verbrannt, der Grabstein entfernt. Für die Asche, so der evangelische Dekan Hans-Jürgen Buchta zur Nachrichtenagentur epd, werde es später eine Seebestattung geben. Seit Heß 1987 nach seinem Selbstmord mit 93 Jahren in Wunsiedel im Grab seiner Eltern bestattet worden war, marschierten immer wieder Neonazis aus aller Welt an der Grabstätte auf - mit besonderer Vorliebe rund um Heß' Todestag, den 17. August 2011. Dagegen gab es nicht nur zahlreiche Proteste aus der Wunsiedler Bevölkerung. Es wurde schließlich auch ein Demonstrationsverbot angestrengt, um die Verherrlichung des NS-Verbrechers zu unterbinden. Dieses hat das Bundesverfassungsgericht im November 2009 endgültig bestätigt.

Im August 2011 war nun die Grabnutzung auf dem Friedhof in Wunsiedel regulär abgelaufen. Die Gemeinde überzeugte die Enkelin von Rudolf Heß, einer Umbettung der sterblichen Überreste unter Ausschluss der Öffentlichkeit zuzustimmen - worauf beide Parteien sich einvernehmlich einigten.

Weniger glücklich sind damit diejenigen, die bisher das Grab für ihre "Heldenverehrung" nutzten. Auf Facebook forderten sich Nazis gestern gegenseitig auf, aus Protest gegen die Umbettung ein Foto von Rudolf Heß' Grabstein als Profilbild zu wählen. Deutlich wird dabei auch die Funktion des Grabes als "Wallfahrtsstätte" für die Neonazis: Die meisten posten eigene Urlaubsbilder, auf denen sie zum Teil mit verewigt sind. Sehr erregt zeigen sich die Neonazis auch über eine "Post" von Franz-Josef Wagner in der Bild-Zeitung, der dort beginnt mit "Rudolf Heß, eigentlich gehören Sie für mich auf den Müllplatz der Geschichte und in kein Grab auf einem Friedhof." und endet mit "Ich bin glücklich, dass dieses Schwein nicht mehr auf einem Friedhof liegt – Ruhe in Frieden. Das ist vorbei." Der in sozialen Netzwerken äußerst aktive NPD-Funktionär Jens Pühse veröffentlicht denn auch gleich dessen Email-Adresse, damit die "Kamerad_innen" protestieren können. Und er versichert den empörten Anhängern und Anhängerinnen, ein Anwalt formuliere schon an einer Anzeige gegen Wagner. Auch die Redaktion der Nazi-Propagandaseite "Altermedia" ist empört über "Grabschändung", in der Kommentarspalte lassen die Nutzerinnen und Nutzer ihren NS-verherrlichenden Gedanken freien Lauf.

Das alles zeigt deutlich: Mag die Problematik des Grabes als Nazi-Aufmarschort auch schon zuvor durch Zivilgesellschaft und Politik gelöst worden sein - um heutige NS-Verehrer und -Verehrerinnen zu ärgern, eignet sich die Umbettung immer noch hervorragend. Nur schade, dass sich dies auf Facebook immer noch so gut beobachten lässt: Das Unternehmen weigert sich - im Gegensatz zu vielen anderen sozialen Netzwerken -, alles außer strafbaren Inhalten zu löschen. Kein Wunder also, dass sich die Neonazis hier pudelwohl fühlen.

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