Rechtsextreme Musik – Der Sound zu Mord und Totschlag

Rechtsextreme Musik ist heutzutage fast immer im modernen und ansprechenden Gewand verpackt. Über verschiedenste Stilrichtungen wird so rechtsextremes Gedankengut an die Hörer vermittelt. Zum Teil ganz eindeutig und offen, häufig aber auch unterschwellig über bestimmte Symbole im CD-Cover oder versteckten Andeutungen in den Texten.

Die bekannteste und bisher einflussreichste Form rechtsextremer Musik ist der Rechtsrock. Die Anfänge rechtsextremer Rockmusik in Großbritannien sind eng mit dem Namen der weltweit einflussreichsten britischen Rechtsrockband “Skrewdriver” und ihrem Sänger Ian Stuart verbunden. Schon Ende der 70er Jahren hat Stuart das Potential von Musik als Träger politischer Botschaften für die rechte Szene erkannt. Sein Zitat: “Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen. Besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden”, ist bis heute Grundsatz der rechtsextremen Musikszene.

Das Rechtsrock-Konzert-Milieu hat sich Europaweit zum wichtigsten neonazistischen Rekrutierungslager entwickelt. In den 90er-Jahren ist in Deutschland die weltweit größte extrem rechte Musikszene entstanden. Mehr als 100 rechtsextreme CDs kommen in Deutschland jährlich auf den Markt. Fast jedes Wochenende findet irgendwo in Deutschland ein Rechtsrockkonzert statt. Rechtsextreme Versandhäuser und Naziläden erzielen mit Tonträgern und T-Shirts extrem rechter Bands Millionengewinne. Der Umstand, dass die meisten rechtsextremen CDs indiziert sind und nur über Umwege, illegal erworben werden können, macht diese Bands für Jugendliche besonders attraktiv. Früher reichte es heimlich zu Rauchen, um seine pubertäre Protesthaltung gegenüber den allgemeinen Werten und Normen der Erwachsenen zum Ausdruck zu bringen. Heute hören manche Jugendliche die verbotene deutsche Neonazi-Kultband “Landser”, um sich von Eltern und Gesellschaft abzugrenzen. Teilweise sogar ohne vorher selbst rechtsextrem eingestellt zu sein, sondern nur aufgrund des “Reizes des Verbotenen” und Gruppenzwang durch ihr soziales Umfeld. Für viele Jugendliche ist dies der erste Schritt in die Neonaziszene. Rechtsextreme Parteien und Gruppen haben dieses Potential längst erkannt und arbeiten gezielt mit Musik um Jugendliche zu erreichen.

Was rechte Konzerte in Deutschland angeht, liegt der Schwerpunkt eindeutig in Ostdeutschland. In Sachsen hat sich 2004 die Anzahl der Konzerte mit 78 im Vergleich zum Jahr 2003 verdreifacht. Tendenz weiter steigend. Platz zwei teilen sich Thüringen und Bayern mit jeweils “nur” 31 rechten Musikveranstaltungen im gleichen Jahr.
Nach Informationen des Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrums (apabiz) steigt die Zahl von Nazi-Konzerten kontinuierlich. Demnach steigerte sich die Gesamtzahl von 255 Konzerten im Jahr 2005 in Deutschland um genau 100 Konzerte im Vergleich zum Vorjahr (155 Konzerte). 67 dieser Konzerte waren “Liederabende” oder “Balladenabende” mit neonazistischen Liedermachern, in 188 Fällen traten neonazistische “Rockbands” auf.

Schon lange weisen Politikwissenschaftler und der Verfassungsschutz auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Schaffung von Freiräumen, der Durchführung von Konzerten und der Etablierung einer rechtsextremen Jugendkultur hin. Kein Wunder, dass Neonazis vor den Schulen kostenlos “Schulhof-CDs” mit rechtsextremer Musik und neonazistische Schülerzeitungen verteilen. Die extreme Rechte weiß genau, wie sie ihre zukünftigen Anhänger umwerben und die Attraktivität der eigenen Szene steigern kann.

So meldete die NPD gemeinsam mit den militanten Kameradschaften 2006 eine bundesweite Demonstration in Berlin für die Freiheit des zu dieser Zeit inhaftierten Landser-Sängers Michael Regener an. Mehr als 1000 Neonazis, darunter viele Jugendliche, folgten dem Aufruf und zeigten damit ihre Sympathie für die einflussreichste deutsche Neonazi-Band, die inzwischen als kriminelle Vereinigung verbotenen wurde. Bei der Kundgebung vor dem Gefängnis in Moabit spielte auch die in der Szene beliebte Rechtsrockband “Agitator” aus Göttingen. Der Sänger der Band wurde direkt nach dem Auftritt von der Polizei wegen Volksverhetzung festgenommen. Er hatte während des Konzerts “Ich bin stolz ein Nazi zu sein” ins Mikrofon gerufen.
Auch wenn Rechtsrock bisher der einflussreichste rechte Musikstil ist, beschränkt sich die Szene schon lange nicht mehr nur auf diesen Stil. Seit einigen Jahren gibt es immer mehr neonazistische Metal-, Hip Hop- und Darkwave-Bands. Selbst Volksmusik, Liedermachersongs und Techno gibt es inzwischen in der rechtsextremen Variante. Als bekannte Vertreter im Bereich neonazistischer Liedermacher sind hierbei Frank Rennicke, Annett und der Berliner NPD-Bezirksverordnete Jörg Hähnel zu nennen. Aber auch beliebte Rechtsrockbands wie Landser, Nordwind oder Sleipnir sind dazu übergegangen auch Balladen mit Westerngitarre ins Programm zu nehmen.

Während im Hip Hop und Techno-Bereich die Erfolge rechtsextremer Strömungen bisher gering geblieben sind, konnten sich neonazistische Inhalte im Metalbereich fest etablieren. Das Resultat ist eine weltweit vernetzte, extrem rechte National-Socialist-Black-Metal-Szene (NSBM), die immer schneller wächst.

Hier zeigt sich, wie facettenreich die rechtsextreme Szene mit all ihren kulturellen Bestandteilen geworden ist. Wer keine Lust auf stumpfen Rechtsrock hat, aber trotzdem neonazistische Musik hören will, kann zwischen vielen Musikstilen wählen. Gleichzeitig versucht sich die Neonaziszene offen gegenüber Neuem zu zeigen. Nicht-rechte Musikfans rutschen wohlmöglich über eine der verschiedenen Musikarten ins rechtsextreme Fahrwasser ab.

Die neuste Strategie der Neonazis im Bezug auf Musik ist der Versuch “linke” oder als “alternativ” geltende Musik für sich zu vereinnahmen. Hier gelten “Landser” als Vorreiter, da sie als erste Rechtsrockband ein Lied eines “politischen Gegners”, der Band Hausbesetzerband “Ton, Steine, Scherben”, nachspielten, wenn auch mit verändertem Text. Inzwischen laufen auf fast allen Neonazi-Demonstrationen über den Lautsprecherwagen Lieder von linken Kultbands wie “Slime”, “Anti-Flag” oder “Ton, Steine Scherben”. Aber auch aktuelle Popbands wie “Die Ärzte” oder “Wir sind Helden” bleiben nicht davon verschont von Rechtsextremen für ihre Zwecke missbraucht zu werden. Einerseits provozieren sie damit die Gegendemonstranten, andererseits geben sich die Nazis mit ihrer Musikauswahl nach Außen hin modern und “cool”. Der Versuch der Übernahme von als alternativ oder links geltender Musik ist Teil einer Querfrontstrategie der extremen Rechten.

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