NPD: Mit Holger Apfel und "seriöser Radikalität" in die Zukunft?

Am 15. Oktober will die NPD ihren Bundesparteitag in Dessau abhalten. Hierbei könnte es zu einem entscheidenden Personalwechsel in der rechtsextremen Partei kommen. Denn wie Teile der rechtsextremen Partei sind höchst unzufrieden mit der NS-verherrlichenden, krawalligen Führung von Udo Voigt, der der Partei seit 1996 vorsteht und etwa für die zahlreichen Finanzskandale verantwortlich zeichnet. Im letzten Jahr allerdings unterlag Udo Pastörs von der NPD Mecklenburg-Vorpommern, diesmal ist der Herausforderer der sächsische „Biedermann“ Holger Apfel. Kann es dem 40-jährigen Familienvater gelingen, Kameradschaftsspektrum und Parteitaktiker zu einen? Belltower.news sprach mit einem, der Holger Apfel seit Jahren im Sächsischen Landtag ertragen muss: Miro Jennerjahn, Rechtsextremismusexperte der Grünen in Sachsen.

Von Simone Rafael

In einer ersten Stellungnahme zur Kandidatur äußerte der öffentlich gern jovial auftretende Holger Apfel, er wolle die NPD als "zukunftsgewandte nationale Partei" mit "seriöser Radikalität" positionieren. Wichtig sei, die NPD als Anti-EU-Partei und als Anti-Euro-Partei zu positionieren. Nach Medienberichten wünscht er sich dabei unter anderem die Hilfe von Udo Pastörs, Karl Richter und Frank Franz als Stellvertreter. Die Öffentlichkeitsarbeit soll der Berliner Jörg Hähnel übernehmen, Jens Pühse Bundesorganisationlseiter sein. Er möchte eine NPD mit „starkem Bewegungscharakter“ und kritisiert unter anderem den „Nostalgie- und reinen Provokationswahlkampf“, den Voigt bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin führte. Über Holger Apfel und seine Kandidatur sprach Belltower.news mit Miro Jennerjahn, Rechtsextremismusexperte der Grünen in Sachsen.

Holger Apfel will Udo Voigt als NPD-Bundesvorsitzender beerben – wie erfolgsversprechend ist das?
Jennerjahn: Es ist eine logische Fortsetzung der ersten versuchten Entthronung Voigts vor zwei Jahren, als Udo Pastörs der Herausforderer war, der ja selbst auch einen gemäßigteren Kurs fährt. Inzwischen dürften die Chancen für einen Strategiewechsel innerhalb der NPD gestiegen sein. Die Wahlen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern hat den gemäßigteren Taktierern in der NPD einfach recht gegeben: Hier war sie wesentlich erfolgreicher. Auch wenn der gutbürgerliche Anstrich, den sich Holger Apfel und Udo Pastörs geben, natürlich Fassade ist, kommt er doch an. Der bisherige Vorsitzende Udo Voigt verortet sich da ja mehr im radikaleren Kameradschaftsspektrum. Damit ist Voigt allerdings bei den letzten Wahlen gescheitert. Er hat es nicht geschafft, die NPD weiter nach oben zu bekommen. Außerdem hat Voigt etliche Skandal, etwa rund um die Parteienfinanzierung, zu verantworten.

Aber kann es Holger Apfel gelingen, den Spagat zwischen gemäßigteren NPD-Politikern und radikaler Kameradschaftsszene zu bewältigen?
Diesem Spagat versucht die NPD ja bundesweit zu begegnen, indem sie sich als zu Unrecht unterdrückte, im Grunde ihres Herzen aber gutbürgerliche Opposition inszeniert. Natürlich birgt das die Gefahr, dass die freie Szene die NPD-Politiker trotzdem als „Bonzenpartei“ oder „Weicheier“ wahrnimmt. Holger Apfel hat dafür in Sachsen eine Taktik: Wenn man auf die Legislaturperiode 2004 bis 2009 zurückblickt, ist die NPD sehr aggressiv gestartet – ein Signal an die freien Kräfte. In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode, als es wieder auf die Wahlen zuging, hat die NPD wieder deutlich gemäßigter agiert. Nach der Wiederwahl haben Apfel und Co. dann wieder aufgedreht, etwa im Juni 2010, als sie im sächsischen Landtag eine Debatte über Israel ausgelöst haben, in deren Folge Holger Apfel für zehn Sitzungen gesperrt war. Da saßen Rechtsextreme in der Stärke eines ganzen NPD-Kreisverbandes im Plenum, um sich das Spektakel live anzugucken.

Dann gelingt es Holger Apfel also gut, die verschiedenen NPD-Wählerspektren zusammen zu bringen?
Jein. Das ist schon ein permanentes Spannungsverhältnis, das immer wieder von erheblichen Zerwürfnissen geprägt ist. Als etwa im Vogtland sich einige Kameradschaftsmitglieder für die NPD haben in den Kreistag wählen lassen, haben sie sich anschließend schnell wieder von der Partei losgesagt, die ihnen doch zu taktisch und „parlamentarisch“ war. Aber wenn Apfel, wie es bisher den Anschein macht, mit einem festen Personaltableau zur Wahl antritt und quasi alle Posten schon mit strategisch versierten Leuten besetzt hat, ist er der deutlich gefährlichere Mann. Voigt macht den Eindruck, als würde er sich nur noch an seinen Posten klammern, weil er sein Einkommen sichert.

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