Nazis und Nikolaus: „Unsere Stiefelaktion hat regen Anklang gefunden“

Im Dritten Reich propagierte die SS das "Julfest" als "artgerechte" Alternative zum christlichen Weihnachtsfest. DVU und NPD nutzen Weihnachten aktuell trotzdem gern - zur möglichst unerkannten Stimmungsmache im Nikolauskostüm, aktuell in Bremverhaven und Greifswald.

Von Simone Rafael

Die DVU Bremerhaven schreibt auf ihrer Internetseite: „Unsere Stiefelaktion hat regen Anklang gefunden.“ Das hat bei Rechtsextremen einen blutigen Beiklang, gemeint ist aber eine Nikolausaktion für Kinder. Denn gegen manche gesellschaftlichen Konventionen will sich offenbar auch der stramme Rechtsextreme nicht wehren. Müsste er zwar eigentlich als eher antichristlich orientierter und zu germanischen Festen neigender Zeitgenossen sein „Julfest“ feiern und vielleicht NS-orientierten Baumschmuck an die deutsche Tanne hängen, versuchen doch gerade die rechtsextremen Parteien, die Weihnachtszeit zu ihren Gunsten zu nutzen – um wieder einmal möglichst ungestört Kinder und ihre Eltern mit Hetzpropaganda zu umgarnen.

Die DVU Bremerhaven etwa stellte ein Mitglied als Nikolaus auf den Bremerhavener Weihnachtsmarkt, verteilte „Weihnachtsmannlutscher“ und natürlich: „Neben Obst und Süssigkeiten für die Kinder gab es auch Informationsmaterial für die Jugendlichen und die Erwachsenen.“ Allerdings ist vom im Text versprochenen „großen Andrang“ auf den Fotos nicht viel zu sehen. Erstaunlich allerdings die Textpassage: „Selbst ausländische Kinder kamen zu unserem Nikolaus und wurden beschenkt. Auch deren Eltern nahmen wie selbstverständlich unser Material an sich und freuten sich über unsere Aktion.“ Nun, diese Freude dürfte kaum von Dauer gewesen sein.

Auch auf dem Greifswalder Weihnachtsmarkt verteilte ein Nikolaus neben Süßwaren auch rechtsextreme Propaganda, diesmal allerdings von der NPD. Er erhielt allerdings umgehend einen Platzverweis vom Markleiter. Im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern versuchte es derweil der NPD-Abgeordnete Tino Müller mit Weihnachtspopulismus. Er fordert für „Weihnachten, die Zeit der Familie und des Lichtes“ 30 Euro Weihnachtsgeld für „jedes deutsche Kind“ – NPD-typischer Umweg-Rassismus, diesmal in Weihnachtsverpackung.

Die NPD Lüneburg dagegen bildet den jahresendzeitlichen Spagat der an Widersprüchen nicht eben armen rechtsextremen Szene in ihren Veranstaltungshinweisen ab. Sie veröffentlicht einerseits eine Einladung zur „Wintersonnwendfeier“ ("Feiern, wie unsere Vorfahren vor tausenden Jahren.", Fehler im Original) der Kameradschaft 73 Celle am 19.12., andererseits bewarb sie auch für den kommenden Samstag „Knecht Ruprecht ruft Familien mit Kleinkindern zum Fest“ – allerdings auch konspirativ ohne Ort und nur mit Handynummer.

Auf der Internetseite der NPD-Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“ kann dafür die in christlichen Bräuchen ungeübte Nationalistin lernen, wie man einen „Vorweihnachtskranz“ bindet – das Wort „Adventskranz“ ist dann doch zu christlich und wird nur in Gänsefüßchen geduldet. Dafür findet sich der schöne Satz: „Unter fachkundiger Leitung schaffte es aber selbst eine anfänglich schier verzweifelnde Kameradin, die schon aufgeben wollte, einen schönen Kranz anzufertigen.“ Wenn das nicht doch der Geist der Weihnacht war. Anderen ging da dann doch zu weit, und sie begrünten lieber einen „Julbogen“. Der Rückgriff auf nordisch-germanische Riten hat Tradition: Im Dritten Reich war das Julfest von der SS als "artgemäßer" Kontrapunkt zum christlichen Weihnachtsfest propagiert worden.

Gegenstrategien

Natürlich gibt es auch weihnachtliche Aktionen gegen Nazis. So wird es etwa in Halle eine Weihnachtsaktion für den "Thor Steinar"-Laden "Oserberg" geben: "Wir wollen Thor Steinar eine schöne Bescherung bereiten. Es warten eine Modenschau (Augen auf beim Kleiderkauf), Weihnachtssingen, Wichteln (Wichteln gegen Thor Steinar!) und Weihnachtsbäckerein (Putzt den braunen Dreck weg!) auf Euch."
12.12., 11 bis 13 Uhr, oberer Boulevard.

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