Zuletzt gab es viele Vorfälle rassistischer Gewalt in Bautzen. Hier eine Stadtansicht (Symbolbild).
flickr / Creative Commons CC BY-NC-ND 2.0 / Hans Jörg von Schröter

Monatsüberblick November 2016: Rassismus

Rassistische Gewalt in Bautzen, Weimar, Heidenau, Braunsbedra, Sebnitz, Löbau, Berlin, Freital. Vor Gericht müssen sich die "Gruppe Freital", die "Nauener Zelle" und die "Oldschool Society" verantworten. In Thüringen und Sachsen denkt jede_r Zweite rassistisch. Gegenstrategie: Isaiah Lopez druckt rassistische Sprüche auf T-Shirts - die er so in Deutschland gesagt bekommt. 
 

Zusammengestellt von Simone Rafael

 

Rassistische Gewalt
 

 

Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte: In diesem Jahr schon 832 Vorfälle

Trotz sinkender Flüchtlingszahlen haben die Straftaten gegen Asylunterkünfte bundesweit weiter zugenommen. In den ersten zehn Monaten gab es in Deutschland 832 Angriffe gegen Flüchtlingsheime. Das ist fast ein Viertel mehr als im Vorjahreszeitraum, als von Januar bis Ende Oktober 637 solcher Straftaten registriert wurden (http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/800976/mehr-straftaten-gegen-asylunterkuenfte-entspannung-absehbar; vgl. Brandenburg: http://www.berliner-zeitung.de/berlin/mehr-angriffe-auf-fluechtlinge-in-brandenburg-25154896). 

 

Rassismus vor Gericht
 

"Gruppe Freital"

 

 

 

"Nauener Zelle"

Weitere Prozesse

  • Hirschau: Im Prozess wegen des „Hirschauer Flaschenwurfs“ sagt der Angeklagte, er habe die Asylbewerber im Haus nur erschrecken wollen. Seit Dienstag, 8. November 2016, hat sich vor der großen Strafkammer des Schwurgerichts am Landgericht Amberg unter Vorsitz von Vizepräsidentin Roswitha Stöber der 25-jährige, inzwischen verheiratete Uwe X. (Name geändert) aus Hirschau zu verantworten. Dem Vater zweier Kinder werden in dem Prozess unter anderem versuchter Mord und versuchte schwere Brandstiftung zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der Mann am 7. Februar dieses Jahres nach Mitternacht in seiner Garage mit einer Bierflasche, die er mit Weizendoppelkorn und Bremsreiniger gefüllt hatte, einen sogenannten Molotow-Cocktail hergestellt hat. Die Flasche habe er mit einem Stück Vlies verschlossen. Gegen 1.33 Uhr soll er den Molotow-Cocktail mit einem Feuerzeug angezündet und ihn gezielt durch ein Fenster im ersten Stock einer nahe gelegenen Asylbewerberunterkunft in Hirschau geworfen haben. In dieser haben sich laut Staatsanwalt Tobias Kinzler zu dieser Zeit neun Bewohner aufgehalten (http://www.mittelbayerische.de/region/amberg/gemeinden/hirschau/angeklagter-leugnet-toetungsabsicht-21476-art1449929.html).
  • Herxheim: Die Staatsanwaltschaft Landau hat Anklage gegen zwei Pfälzer erhoben, die im Dezember einen Brandanschlag auf eine unbewohnte Flüchtlingsunterkunft in Herxheim (Kreis Südliche Weinstraße) verübt haben sollen. Die beiden bestreiten, rassistisch zu sein, sie hätten sich aber "Sorgen um die Sicherheit der Bevölkerung" gemacht. Sie seien außerdem sauer gewesen, dass so eine große Zahl von Flüchtlingen in der Gemeinde untergebracht werden sollte (http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/mannheim/wegen-anschlag-auf-fluechtlingsunterkunft-in-herxheim-zwei-pfaelzer-muessen-vor-gericht/-/id=1582/did=18447410/nid=1582/1ur8dn2/)
  • Selb: Ein Geschäftsinhaber im oberfränkischen Selb hat ein rassistisches Schild aufgestellt mit der Aufschrift "Asylanten müssen draußen bleiben". Daneben war das Bild eines Hundes zu sehen. Das Amtsgericht Wunsiedel wertet das als Volksverhetzung und verurteilt den 54-Jährigen zu einer Geldstrafe. "Der Knackpunkt ist der Hund", sagte Richter Roland Kastner vom Amtsgericht Wunsiedel am Donnerstag. Er schloss sich damit der Meinung des Staatsanwalts an. Dieser hatte argumentiert, dass das Schild eine Bevölkerungsgruppe mit Tieren gleichsetze, die als so unrein gelten, dass sie etwa Lebensmittelläden nicht betreten dürfen. Der angeklagte Ladenbesitzer erhielt deshalb eine Verwarnung und muss 1800 Euro an zwei Kindergärten zahlen (http://www.sueddeutsche.de/bayern/amtsgericht-wunsiedel-urteil-vergleich-von-asylbewerbern-mit-hunden-ist-volksverhetzung-1.3253984)
  • Hamburg: Am Geburtstag ihres Sohnes will eine 41-Jährige eine Kuchenform aus der Schulklasse ihre Sohnes abholen. Die ist aber frisch gewischt, die Reinigungskraft bittet sie, den Boden nicht zu betreten. Da geht die Hamburgerin gleichsam mit der Wucht eines Orkans auf eine Reinigungskraft los . Laut Staatsanwaltschaft hat sie die Frau mit den Worten "Geh in dein Land, dies ist mein Land! Lern erst mal Deutsch!" beschimpft. Zudem soll sie der Frau ins Gesicht gespuckt, sie geschlagen, gewürgt und an den Kopf geschlagen haben. Und sie habe ihr gedroht: "Ich töte dich." Deshalb steht die 41-Jährige jetzt vor dem Amtsgericht Altona. Und verlässt es mit einer Geldstrafe:  Verurteilung zu 90 Tagessätzen à 30 Euro (http://www.abendblatt.de/hamburg/article208743075/Fremdenfeindlich-oder-nicht-Ein-Wortwechsel-der-eskaliert.html)
  • Regensburg: Wegen eines Angriffs mit einer Machete auf Flüchtlinge ist ein Mann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt worden. Das Landgericht Regensburg verurteilte den 23-Jährigen am Donnerstag wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Außerdem ordnete das Gericht eine Unterbringung des Alkoholkranken in einer Entziehungsanstalt an. Vom Vorwurf der Volksverhetzung wurde der Mann freigesprochen: Es konnte nicht nachgewiesen, dass er während der Tat flüchtlingsfeindliche Parolen gerufen hat (http://www.infranken.de/ueberregional/Angriff-auf-Fluechtlinge-mit-Machete-23-Jaehriger-wegen-versuchter-Koerperverletzung-verurteilt;art55462,2356671)

 

Prozess gegen „Oldschool Society“: Neonazi will Strafmilderung

Vergangene Woche überraschte der mit als Rädelsführer der mutmaßlichen Terrorgruppe „Oldschool Society“ (OSS) angeklagte Markus W. mit einem Teilgeständnis. Der mehrfach wegen Körperverletzung verurteilte „Vizepräsident“ der OSS schlägt dem Bundespräsidenten vor, im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs 500 Euro an einen Verein zur Unterstützung von Opfern rechter Gewalt zu zahlen, um eine Strafmilderung zu erreichen (http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/neonazi-will-strafmilderung).
 

Jede_r zweite Thüringer_in ist rassistisch eingestellt, in Sachsen sogar mehr als jede_r Zweite

"Thüringen-Monitor": Jeder zweite Thüringer ist einer Studie zufolge rassistisch eingestellt (52 %). Trotz der deutlich gestiegenen Zahl von Flüchtlingen im vergangenen Jahr seien es aber nicht mehr geworden. 37 Prozent vertraten die Auffassung, dass Flüchtlinge nur deshalb nach Deutschland kämen, um den Sozialstaat auszunutzen. Vor einem Jahr waren noch 40 Prozent dieser Meinung. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss: "Rechtsextreme Einstellungen haben im Verlauf der "Flüchtlingskrise" keine weitere Verbreitung gefunden, sondern sind sogar zurückgegangen." (http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Jeder-zweite-Thueringer-ist-laut-einer-Studie-fremdenfeindlich-1600664221)

"Sachsen-Monitor": In Sachsen sehnt sich eine Mehrheit der Bevölkerung nach einer „starken Hand“ und einer Partei, die „die Volksgemeinschaft insgesamt“ verkörpert. Zudem glaubt mehr als jeder Zweite, dass die Bundesrepublik durch Ausländer „in einem gefährlichen Maß überfremdet“ sei. Das geht aus einer repräsentativen Befragung namens „Sachsen-Monitor“ hervor, die erstmals erhoben wurde (https://www.neues-deutschland.de/artikel/1033032.starker-drang-nach-starkem-mann.htmlhttp://www.tagesspiegel.de/politik/studie-sachsen-monitor-sachsen-sehen-deutschland-in-gefaehrlichem-mass-ueberfremdet/14875872.html)

 

Warum Isaiah Lopez rassistische Sprüche auf T-Shirts druckt

„Wie, du bist gar kein Drogendealer?“ Oder auch: „Und wann gehst du zurück?“ Diese und andere Sprüche kann sich Isaiah Lopaz regelmäßig anhören. Von anderen Menschen in seinem Alltag, die den in Berlin lebenden US-Amerikaner für, ja, für was eigentlich halten? Einen Afrikaner, um mal wieder den ganzen Kontinent über einen Kamm zu scheren? Anscheinend, denn ein anderer Spruch lautet: „Wir machen 'ne Party, kannst du afrikanisches Essen mitbringen?“ Die New York Times hat über Isaiah berichtet. Weil er Schwarz ist muss er beinahe täglich mit rassistischen Sprüchen umgehen. Isaiah ist studierter Künstler und Autor – und trotzdem halten ihn manche Menschen einfach so für einen Dealer. Aber statt sauer und angefressen zu reagieren, hat der Künstler einen anderen Weg gefunden, seiner Wut Luft zu machen. Er sammelte die beleidigenden Sprüche und druckte sie auf Shirts. Tragbare Protest-Plakate, sozusagen. So „sagt“ er die Bemerkungen zuerst – und nimmt den Menschen den Wind aus den Segeln. 

 

 

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