Wenn es in den Medien um Geflüchtete und Zuwanderer geht, bleibt die Sicht der Betroffenen meist außen vor
Flickr / Mandy Schiefner-Rohs / CC BY-NC 2.0

Medien haben den "gewalttätigen Migranten" als Angstfigur neu entdeckt

Eine Studie zeigt, dass deutsche Medien den gewalttätigen Einwanderer als Angstfigur entdeckt haben. Überproportional oft berichten sie von Gewaltverbrechen mit nichtdeutschen Tatverdächtigen. Die wachsende Gewalt gegen Geflüchtete findet hingegen immer weniger Beachtung.

 

Von Kira Ayyadi 

Etablierte Printmedien und der öffentlich-rechtliche Rundfunk gäben nur das wieder, was ihnen von der Bundesregierung diktiert würde, so der Vorwurf der Wutbürger_innen. Dieser Vorwurf gipfelt in dem Wort „Lügenpresse“. Doch auch viele, die nicht gleich jenes Unwort 2014 verwenden, fragen sich, ob über die „Willkommenskultur“ nicht zu unkritisch berichtet wird. Der Vorwurf, Medien würden zu einseitig positiv über Migrant_innen in Deutschland berichten, hält sich seither und immer wieder wird der Vorwurf laut, Medien würden Gewalttaten von Migrat_innen verschweigen. Eine Studie, über die im Medienmagazin „journalist“ berichtet wurde, kommt allerdings zu einem ganz anderen Ergebnis: 

 

Silvesternacht 2015/2016 in Köln veränderte die mediale Berichterstattung

Seit den Ereignissen der Silvesternacht 2015/2016 in Köln hat sich der mediale Blick auf Geflüchtete und Zuwanderer deutlich verändert: Sie geraten vor allem als mutmaßliche Gewalttäter in den Fokus der Berichterstattung, während die wachsende Gewalt gegen Geflüchtete kaum thematisiert wird. "Die deutschen Medien haben den gewalttätigen Einwanderer als Angstfigur neu entdeckt", resümiert der Medienwissenschaftler Thomas Hestermann.

Von Januar bis April 2017analysierte die Studie 283 Artikel im überregionalen redaktionellen Teil von Süddeutscher Zeitung, Frankfurter Allgemeine, Bild und sowie 67 TV-Beiträge aus den Hauptnachrichten von ARD, ZDF, RTL, RTL2, Sat.1, ProSieben, kabel eins und Vox.

 

 

Deutsches Fernsehen berichtet viermal so häufig über Gewalt nichtdeutscher Tatverdächtiger, als noch 2014

Von den vier überregionalen Zeitungen und acht reichweitenstärksten deutschen Fernsehsendern, die in der Studie untersucht wurden, fiel besonders die „Bild“-Zeitung auf. Im untersuchten Zeitraum zwischen Januar und April 2017 berichtete „Bild“ vor allem dann über Migrant_innen, wenn diese einer Straftat verdächtigt werden - das war in 64,3 Prozent der Berichte der Fall. „Süddeutsche Zeitung“ (39,5 Prozent) und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (38,2 Prozent) thematisieren seltener Kriminalität. Nur in der „taz“ geht es mit 18,6 Prozent der Artikel über Nichtdeutsche deutlich weniger um Straftaten. Die Berichte der meistgesehenen Fernsehnachrichten beziehen sich in 52,2 Prozent der Fälle auf Kriminalität.

Demnach berichten deutsche Fernsehsender in diesem Zeitraum viermal so häufig über Gewalt nichtdeutscher Tatverdächtiger, als noch 2014. Dabei ist laut Kriminalstatistik der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger lediglich um ein Drittel angestiegen.

Über nichtdeutsche Opfer von Gewalttaten wird im Fernsehen hingegen nur halb so oft berichtet, wie noch 2014. Und das, obwohl die Statistik des Bundeskriminalamts einen Anstieg nichtdeutscher Gewaltopfer verzeichnet.

 

Die Sicht von Betroffenen bleibt oft außen vor

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Wenn es in den Medien um Geflüchtete und Zuwanderer geht, bleibt die Sicht der Betroffenen meist außen vor. In der „Bild“ kommt nur in einem von 28 Artikeln ein nichtdeutscher Gesprächspartner zu Wort, das entspricht einer Quote von 3,6 Prozent. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bezieht immerhin in 20 Prozent der untersuchten Artikel (11 von 55 Artikeln) die Sicht der Betroffenen mit ein.

 

 

Mit Material von ots

Titelfoto oben: Flickr / Mandy Schiefner-Rohs / CC BY-NC 2.0

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