Rassismus vor Gericht – u.a. Bautzen, Eisenberg, Regensburg, Dessau, Clausnitz +++ Zahlen: 123 Übergriffe auf Asylsuchende 2016 in Sachsen-Anhalt, 69 in Thüringen +++ Europa-Rat: Hasskriminalität in Deutschland nicht richtig erfasst +++ Vorpommern: Linken-Politikerin empört mit Blackfacing +++ Schauspieler Téné flüchtet in Altenburg vor Rassisten +++ Rassismus im Fußball: Beleidigungen in Rom, Lyon, London, Löhne-Gohfeld +++ Hamburg: Wohnungsgesellschaft muss Strafe zaheln, weil sie türkisch klingende Namen aussortiert +++ Forscher entwickeln künstliche Intelligenz, die rassistische Codes entschlüsselt.
Zusammengestellt von Simone Rafael
Rassismus vor Gericht
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Bautzen: Robert S. ist in der Bautzener Neonazi-Szene gut vernetzt. Der 29-Jährige verbreitete im Internet ein Video mit der Forderung, "alle Ausländer nach Auschwitz" zu schicken. Er erklärte auf Facebook Bautzen zum "Nazikiez - unsere Stadt, unsere Regeln". Und pflegt Facebook-Freundschaften zu anderen Neonazis etwa der rechtsextremen "Division Bautzen". An diesem Dienstag nun steht S. in Bautzen vor Gericht - seine rechtsextremen Aktivitäten spielen dabei allerdings zunächst keine Rolle. Angeklagt ist er ausschließlich angeklagt wegen des "vorsätzlichen unerlaubten Führens einer (Schreck-) Schusswaffe". Mit der Waffe soll er in der Nacht vom 1. auf den 2. November 2016 in Bautzen einen 39-jährigen Flüchtling aus Libyen bedroht haben, die er dabei rassistisch beleidigte (Tagesspiegel). Der Vorsitzende Richter erkannte für die Tat keinen rassistischen Hintergrund. Urteil: Ein Jahr Haft (Tagesspiegel).
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Brandanschlag mit Molotow-Cocktails auf Flüchtlingsheim in Eisbergen (NRW): Anklage wegen versuchten Mordes gegen drei Männer und eine Frau (Donaukurier, WDR). Vor Gericht benannten zwei der Angeklagten das Flüchtlingsheim als Ziel, Rassismus als Motiv (Tag24.de).
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Ein Jahr Haft für einen 26-jährigen, einschlägig vorbestraften Mann in Kassel, der im März 2016 in der Göttinger Innenstadt einen 36-jährigen Professor der Wirtschaftswissenschaften aus Chile attackiert hatte (hna).
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Regensburg: 21-jähriger Azubi beleidigt einen 18-jährigen Asylbewerber beim Busbahnhof rassistisch, bedroht ihn mit einer Schreckschusspistole und schlug ihm dann die Waffe so heftig ins Gesicht, dass der junge Mann aus Afghanistan unter anderem einen Jochbeinbruch erlitt: 14 Monaten Jugendstrafe ohne Bewährung (mittelbayerische.de, regensburg-digital.de)
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Dessau: Wegen eines rassistischen Angriffs auf einen Pakistaner sind zwei 20 und 23 Jahre alte Männer zu hohen Haftstrafen (sechseinhalb und vier Jahre) verurteilt worden wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung (mz-web).
Rassismus nicht vor Gericht
Husarenhof-Video: Ermittlungen eingestellt
Der Film mit rassistischen Parolen entstand nach dem Brandanschlag in Bautzen. Doch der Urheber bleibt straffrei – die Staatsanwaltschaft in Görlitz hat die Ermittlungen zum Handy-Video vom Husarenhof eingestellt (sz-online.de). Dafür hat die Staatsanwaltschaft nun ein weiteres Verfahren eingeleitet: Gegen einen Handwerker, der das Video verbreitete und lobte (SZ Online).
Clausnitz: Prozess gegen Bus-Blockierer eingestellt
Die Bilder von Clausnitz sorgten bundesweit für Schlagzeilen: eine lauthals pöbelnde Menschenmasse, die einen Flüchtlingsbus belagerte. Zwei Männer standen wegen Nötigung vor dem Amtsgericht Freiberg. Aber das Strafverfahren wurde eingestellt (FR)
Zahlen
Sachsen-Anhalt: Auch 2016 viele Übergriffe auf Flüchtlinge
Sachsen-Anhalt gehört zu den Bundesländern mit den meisten Übergriffen auf Asylsuchende und Asylunterkünfte. Das geht aus neuen Zahlen der Bundesregierung hervor. Schwerpunkte sind Halle, Magdeburg und Oschersleben. 2016 hat es insgesamt 123 Übergriffe auf Asylsuchende gegeben (MDR)
Wöchentlich politische Angriffe auf Asylunterkünfte und Flüchtlinge in Thüringen
In Thüringen hat es voriges Jahr fast wöchentlich politisch motivierte Angriffe auf Asylunterkünfte gegeben. In der gesamten Bundesrepublik kam es im vergangenen Jahr zu mehr als 2500 Straftaten gegen Flüchtlinge und fast 1000 Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte. Insgesamt wurden 69 solcher Attacken registriert, teilte der Ostthüringer Bundestagsabgeordnete Frank Tempel (Linke) am Donnerstag mit Verweis auf eine Antwort der Bundesregierung mit. Zugleich wurden im Freistaat 107 ausländerfeindliche Angriffe auf Flüchtlinge gezählt (OTZ) Die Opferberatung „ezra“ zählt 160 rechter und rassistische Gewalttaten in Thüringen im Jahr 2016. Besonderer Schwerpunkt der Gewalt war der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt (OTZ).
Rassismus
Europa-Rat: Hasskriminalität in Deutschland nicht richtig erfasst
Aus Sicht des Europarats erfasst Deutschland Hasskriminalität nicht richtig. Den Statistiken liege eine zu enge Definition des Begriffs zugrunde, kritisierte die Anti-Rassismus-Kommission in einem in Straßburg veröffentlichten Bericht. Die Kommission forderte Deutschland auf, alle Taten als Hasskriminalität zu verstehen, die Opfer oder Dritte als rassistisch, homo- oder transfeindlich auffassen. Die Reduzierung auf Delikte, die sich gegen eine Person etwa wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Hautfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung richteten, sei zu restriktiv (wn.de).
Vorpommern: Linken-Politikerin empört mit Blackfacing
Karneval im vorpommerschen Tutow. Einige Feiernde schminken ihre Gesichter dunkel, tragen Strohröckchen, malen sich wulstige Lippen auf und tragen Afro-Perücken. Gemeinsam gehen sie offensichtlich als afrikanischer Eingeborenenstamm. Unter ihnen: Jeannine Rösler, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken in Mecklenburg-Vorpommern. „Es ist nicht hinnehmbar, dass diese rassistischen Darstellungsformen immer noch praktiziert werden”, sagt Tahir Della, der Vorsitzende der ISD. „Spaß hört da auf, wo sich andere Menschen diskriminiert fühlen.” Jeannine Rösler selbst ist überrascht über das Interesse an den Kostümen der Tutower Jecken. „Ich bin die letzte Person, die rassistisch eingestellt ist. Ich habe viele schwarze Freunde und setze mich in der Flüchtlingshilfe ein." (Nordkurier)
Schauspieler Téné flüchtet in Altenburg vor Rassisten
Die Knöpfe glänzen, die Uniform sitzt tadellos. Und doch gefällt dieser „Hauptmann von Köpenick“ nicht jedem: Die Hauptrolle in dem „deutschen Märchen“ – so der Untertitel des Stücks von Carl Zuckmayer – spielt am Landestheater Altenburg der schwarze Schauspieler Ouelgo Téné (32) aus Burkina Faso. Im Internet gab es deswegen böse Kommentare, man wolle ein „klassisches Konzert auch nicht auf Buschtrommeln hören“. Nicht die einzigen Anfeindungen gegen das Theater in der Kleinstadt in Thüringen! Bernhard Stengele (53), Altenburgs Schauspieldirektor und Regisseur des Stücks: „Er fühlt sich nur noch im Theater wohl. Er mag nicht mehr allein auf die Straße gehen.“ Generalintendant Kay Kuntze (50) ist hilflos: „Schützen können wir unsere Schauspieler nicht. Wir können sie nur ermuntern, zur Polizei zu gehen, wenn sie bedroht oder beleidigt werden.“ Téné zieht es vor, die Stadt zu verlassen. Er geht im Sommer nach Basel (BILD).
Rassismus im Fußball: Beleidigungen in Rom, Lyon, London, Löhne-Gohfeld
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Rom: Nationalspieler Antonio Rüdiger vom AS Rom wurde aus der Lazio-Kurve permanent mit rassistischen Rufen bedacht. Immer wieder imitierten die Fans Affenlaute. Die Anfeindungen waren so laut, dass der Stadionsprecher die schon oft wegen ihrer rassistischen Gesinnung auffällig gewordenen Lazio-Anhänger bereits in der ersten Halbzeit über Lautsprecher aufforderte, die Schmähungen zu unterlassen (Welt).
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Lyon: Der am Wochenende von einem Fan rassistisch beleidigte Profi John Mensah von Meister Olympique Lyon hat sogar eine Rückkehrin seine Heimat Ghana erwogen. "Das hat mir den Spaß am Beruf verdorben. Ich habe keine Lust mehr. Nach dem Spiel wollte ich alles stehen und liegen lassen und sofort nach Ghana zurückfliegen. Das alles vergessen", sagte Mensah der Sportzeitung L’Equipe (FR).
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London: Heung-Min Son von Tottenham Hotspur wurde nach dem Sieg der Mannschaft gegen den FC Millwall im FA Cup rassistisch beleidigt (Sportbuzzer.de).
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Löhne-Gohfeld: Beim Spiel des FC Löhne-Gohfeld gegen den VfL Mennighüfen II wurde der Stürmer Haji Conteh rassistisch beleidigt. Der Fall geht jetzt vor das Sportgericht (Westfalen-Blatt).
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Debatte über Rassismus: Fühlen sie sich angesprochen, bitte!
Die Gesellschaft ist von Rassismus durchzogen. Deshalb denken, sprechen, fühlen wir rassistisch. Wo ist der Weg aus dem Teufelskreis? Früher in den 80ern und 90ern war ich noch Ausländer, dann Ende der 90er Migrant, dann nur ein paar Jahre später Mensch mit Migrationshintergrund/Migrationsgeschichte/Migrationskontext. Und weil mir all diese Begriffe sprachlich nicht geholfen haben, Rassismus in Deutschland zu benennen und weil es auch Fremdbezeichnungen gewesen sind, bezeichne ich mich als Person of Colour. Und in zehn Jahren? Wer weiß? Sprache, Schreiben ist lebendiger Widerstand. (taz)
Hamburg: Wohnungsgesellschaft muss Strafe zahlen, weil sie türkisch klingende Namen aussortiert
Die Strafe und Entschädigung zahlt das städtische Hamburger Wohnungsbaugesellschaft Saga/GWG wohl aus der Portokasse. Doch wohnungspolitisch ist das Urteil ein Schlag ins Gesicht: Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek hat das öffentliche Wohnungsunternehmen zu einer Entschädigungszahlung von rund 1.000 Euro an eine Wohnungssuchende verurteilt, weil sie wegen ihres türkisch klingenden Namen benachteiligt worden ist. „Es handelt sich um das erste Urteil, das klar stellt, dass Diskriminierungen bei der Wohnungsvergabe nicht gerechtfertigt werden können“, sagt der Anwalt Sebastian Busch. Es war sozusagen die Probe aufs Exempel (taz)
Forscher entwickeln künstliche Intelligenz, die rassistische Codes entschlüsselt
Rechtsextreme entwickeln auf Twitter eigene Codes, um die Filter der Plattform zu überlisten. Forscher haben nun ein Programm entwickelt, das diese verfremdeten Begriffe mitlernt und entschlüsseln kann. Um zu vermeiden, dass ihre Tweets von den KI-Filtern der Plattform als Hate Speech erkannt werden, entwickelten sie alternative Codes. Weil eine Künstliche Intelligenzen etwa identifizieren können, dass es sich bei Aussagen wie „gas all jews“ um Hassrede handelt, änderten sich die Tweets der Rechtsextremen dahingehend, dass Begriffe wie „jew“, „black“ oder „mexican“ durch Codeworte ersetzt wurden, die besonders häufig im Internet auftauchen. In diesem Fall handelte es sich um „skype“, „google“ und „yahoo“ (Wired)
Flüchtlingsfeindlichkeit
Faktencheck: Nein, Angela Merkel verschweigt keinen geheimen Flüchtlingsplan
In sozialen Netzen wird das Gerücht verbreitet, Kanzlerin Merkel habe einen Geheimplan für eine "Masseneinwanderung nach Deutschland". Unser Faktencheck erklärt, warum die Berichte in die Irre führen – und woran man das erkennen kann (Spiegel Online).
Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünft in Bayern steigt
Die Zahl rechtsextremer Angriffe auf Flüchtlingsheime in Bayern stieg im vergangenen Jahr, ebenso der alltägliche Rassismus. Eine Bestandsaufnahme aus München. Vor knapp einem Jahr begann "Before" mit der Arbeit, seitdem unterstützten die Mitarbeiter in knapp 100 Fällen Ausgegrenzte. 41 von ihnen waren Opfer rassistischer oder rechter Gewalt, wie die Süddeutsche Zeitung berichtete. (sueddeutsche.de, Abendzeitung München)
Bayernpartei: Rassistische Aussagen eines Kommunalpolitikers kommen vor Gericht
Äußerungen des Allgäuer Kommunalpolitikers Peter Fendt sind ein Fall für die Justiz. Der Marktoberdorfer Stadtrat - er sitzt für die Bayernpartei auch im Kreistag des Landkreises Ostallgäu und im Bezirkstag von Schwaben - nannte Asylbewerber aus Afrika laut der Allgäuer Zeitung "N**** mit geringen Fähigkeiten, die unsere deutschen Frauen belästigen". Der Vorsitzende der Bayernpartei, Florian Weber, sprach von privaten Äußerungen Fendts (Sueddeutsche.de)
MEHR MENSCHENFEINDLICHKEIT AKTUELL, MÄRZ 2017:
| Menschenfeindlichkeit März 2017: Antisemitismus
| Menschenfeindlichkeit März 2017: Homofeindlichkeit und Sexismus
| Menschenfeindlichkeit März 2017: Internet, Social Media, Hate Speech
| Menschenfeindlichkeit März 2017: Islamfeindlichkeit
| Menschenfeindlichkeit März 2017: Rassismus und Feindlichkeit gegen Flüchtlinge
| Menschenfeindlichkeit März 2017: Rechtspopulismus
| Menschenfeindlichkeit März 2017: Rechtsextremismus