Landtagwahl 2016: Die SPD bleibt stärkste Kraft in Mecklenburg-Vorpommern - gefolgt von der AfD.
Landeswahlleiterin MV

Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern: Weniger NPD heißt nicht weniger demokratiefeindliche Inhalte

In Mecklenburg-Vorpommern zog die AfD praktisch mit den gleichen Themen in den Wahlkampf wie die NPD (vgl. ngn). Sie war damit erwartbar erfolgreich und holte 20,8 Prozent der Stimmen und ist damit zweitstärkste Kraft im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Die NPD dagegen hat den Wiedereinzug nicht geschafft und ist nun in keinem deutschen Landtag mehr vertreten.
 

Von Simone Rafael und Carina Schulz
 

Mecklenburg-Vorpommern gilt schon seit Jahren als "Musterland" des deutschen Rechtsextremismus. Hier gibt es zum einen seit Jahren eine gezielte rechtsextrem-völkische Siedlungsbewegung, vor allem in Westmecklenburg: Neonazi-Familien aus der ganzen Bundesrepublik haben sich dort angesiedelt, um ihre Vorstellungen von völkischem, anti-moderenen Leben im dörflichen Zusammenhang umzusetzen, wo sie weniger Gegenwehr erwarteten als in städtischen Gebieten. Auch in Ostvorpommern sind Rechtsextremismus und Rassismus weit verbreitet: es ist ländlicher Raum, in dem nach dem Ende der DDR ein Vakuum entstand, dass die Demokratie nicht zu füllen wusste - die Rechtsextremen wie etwa die NPD aber schon. Zugleich kämpft die Region mit der Abwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen (vgl. Interview mit Professor Dierk Borstel bei Focusngn).

Nun erleben wir offenkundig einen Wechsel in der Strategie, der symptomatisch für die Entwicklung von Rassismus, Islam- und Demokratiefeindlichkeit in Deutschland scheint: Der offene Rechtsextremismus, wie ihn die NPD in Mecklenburg-Vorpommern verkörpert, die immer eng und offen mit den neonazistischen Kameradschaften, Aktivist_innen und völkischen Siedler_innen verknüpft war, wird zurückgedrängt für eine salonfähige Variante vieler dieser Ideologie-Fragmente, wie sie die AfD bietet. Die verzichtet - zumindest offiziell als Partei - auf NS-Bezüge und offene Gewaltaufrufe, gibt aber Rassismus, Islamfeindlichkeit, Demokratiefeindlichkeit und auch Antisemitismus und Sexismus eine scheinbare neue Legitimität. Das kommt gut an in Mecklenburg-Vorpommern: Hier holt die AfD mit ganz ähnlichen Wahlkampfthemen wie die NPD 20,8 Prozent der Stimmen - die NPD ist dagegen mit 3 Prozent deutlich aus dem Landtag ausgeschieden. 2012 hatte die rechtsextreme Partei um Udo Pastörs noch 6 Prozent der Stimmen bekommen. Da gab es aber auch die AfD noch nicht. Deren Aufstieg ist in Mecklenburg-Vorpommern rasant: Noch zur Kommunalwahl 2014 kamen sie landeweit auf "nur" 4,2 Prozent der Stimmen (vgl. ngn). 

Ein weiterer interessanter Aspekt: Die Wahlbeteiligung lag bei dieser Wahl bei 61,6 Prozent, war damit 10 Prozent höher als 2011 (51,5 %). 

 

Die Ergebnisse der Landtagswahl 2016:

Die AfD
 

  • erhält 20,8 % der Zweitstimmen
  • wird damit zweitstärkste Kraft im Bundesland hinter der SPD. 
  • bekommt 18 Sitze im Landtag.
  • In den Wahlkreisen Mecklenburgische Seenplatte I - Vorpommern-Greifswald I, Vorpommern-Greifswald II, Vorpommern-Greifswald III und Vorpommern-Greifswald V ist die AfD die stärkste Partei.
  • Auf Usedom hat die AfD mit mehr als 32 % das höchste Wahlergebnis im ganzen Land erzielt.
  • Die AfD hat 3 Direktmandate erzielt (und 15 Listenmandate).
  • Erfolgreiche Direktkandidaten der AfD: Matthias Manthei (31,6 % der Erststimmen im Wahlkreis Vorpommern-Greifswald II), Ralph Weber (35,3 % der Erststimmen im Wahlkreis Vorpommern-Greifswald III) und Jürgen Strohschein (28,6 % der Erststimmen im Wahlkreis Vorpommern-Greifswald V) 
  • Andreas Rösler bekommt in seinem Wahlkreis Mecklenburgische Seenplatte V 25,9 % der Erststimmen. Er liegt damit weniger als einen Prozentpunkt hinter dem CDU-Direktkandidaten Lorenz Caffier und verpasst somit das Direktmandat knapp. 
  • Ergebnisse anderer AfD-Direktkandidat_innen (die wir im Artikel am Freitag näher beleuchtet hatten): Leif Erik Holm erhält in seinem Wahlkreis 23,1 % der Erstimmen; Holger Arppe: 12,4 %; Enrico Komning: 22,3 %; Nikolaus Kramer: 19,9 %; Christel Weißig: 19,6 %; Jens Kühnel: 22,8 % und Petra Federau: 19,8 %.
     

Die NPD
 

  • Die NPD zieht mit 3 % nicht in den Landtag ein, hat keine Listen- und auch keine Direktmandate erlangt.
  • Hatten bei der letzten Landtagswahl noch 40.642 Menschen die NPD gewählt (damals 6 % bei einer Wahlbeteiligung von 51,5%), waren es diesmal 24.365 Menschen (bei einer Wahlbeteiligung von 61,5%).
  • In ihren "Vorzeigeregionen" in Vorpommern ist die NPD weiterhin stark vertreten (bis zu 8,7% der Stimmen), die AfD dann aber auch. So holte etwa im Wahlkreis Vorpommern-Greifswald III (Usedom) die NPD 5,6 Prozent der Stimmen, die AfD ihr landesweit höchstes Ergebnis von 32,3 Prozent. In Vorpommern-Greifswald IV (Ueckermünde, Torgelow-Ferdinandshof usw.) kam die NPD zu ihrem landesweit höchsten Ergebnis von 8,7 Prozent der Stimmen - und die AfD bekam immer noch 24,5 Prozent. Im Wahlkreis Vorpommern-Greifswald V (Pasewalk, Strasburg, Uecker-Randow-Tal usw.) sind es 6,9 % NPD und 26,4 % AfD.

     

Erkenntnisse auf tagesschau.de zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern (Umfragen von infratest dimap):
 

Ansichten zum Thema Flüchtlinge:

  • "Es macht mir Angst, dass so viele Flüchtlinge zu uns gekommen sind." - Gesamt: 47 % stimmen zu; AfD-Wähler_innen: 86 % stimmen zu.
  • "Für Flüchtlinge wird mehr getan als für die einheimische Bevölkerung." - Gesamt: 46 % stimmen zu; AfD-Wähler_innen: 83 % stimmen zu.
  • „Habe die Sorge, dass der Einfluss des Islam zu stark wird.“ - Gesamt: 62 % stimmen zu; AfD-Wähler_innen: 96 % stimmen zu. 
  • „Habe die Sorge, dass die Kriminalität in Deutschland ansteigen wird.“ - Gesamt: 59 % stimmen zu; AfD-Wähler_innen: 91 % stimmen zu.

 

Quellen:

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