Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2016 enthüllt erschreckendes: Erneute Zunahme von rechtsmotivierten Gewalttaten, Zunahme von antisemitischen Gewalttaten und die Opfergruppe der Asylbewerber_innen und Geflüchteten ist überproportional häufig vertreten. Die politisch motivierte Gewalt erreicht einen traurigen Rekord.
Von Kira Ayyadi
Am 24.04.2017 stellte Bundesinnenminister de Maizière den Bericht zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2016 und damit auch die Bilanz der politisch motivierten Kriminalität (PKM) in Berlin vor. Auf den knapp 150 Seiten der Kriminalstatistik sollen Massen an Zahlen erklären, wie es 2016 um die innere Sicherheit bestellt war.
Die Zahl der Straftaten mit politischem Hintergrund ist im Jahr 2016 erneut gestiegen und hat einen neuen Höchststand erreicht, verantwortlich sind meist rechtsradikale Täter. Insgesamt wurden 41.549 Straftaten (+6,6 Prozent zum Vorjahr) und 4.311 Gewalttaten (-2,1 Prozent) registriert.
Rechts motivierte Gewalt steigt, links motivierte Gewalt sinkt
Dabei weisen die beiden Phänomenbereiche linke Motivation und rechte Motivation bei den Gewaltdelikten deutliche Unterschiede auf. Rechts motivierte Gewalttaten sind um 14,3 Prozent angestiegen (2016: 1.698, 2015: 1.485). Im Bereich der linksmotivierten Gewalttaten ging die Zahl um 24,2 Prozent zurück (2016: 1.702; 2015: 2.246).
Zwar ist die absolute Zahl der linken Gewalt hier immer noch höher als die der Rechtsextremen, doch es lohnt sich ein Blick auf die Statistik um die Aufschlüsselung nach den Delikten zu sehen. Denn hier wird nicht zwischen der Stärke des Delikts unterschieden. So werden hier solch schwerwiegende Straftaten wie Tötungsdelikte und Körperverletzung mit solchen doch eher gemäßigteren Straftaten wie Widerstandsdelikte und Landfriedensbruch gleichgesetzt.
Screenshot eines Tweets des BMI
Hasskriminalität auf einem neuen Höchststand
Bei Hasskriminalität handelt es sich um Straftaten, die durch gruppenbezogene Vorurteile motiviert sind. Im Jahr 2016 haben die Straftaten in diesem Themenfeld mit 10.751 gegenüber dem Jahr 2015 mit 10.373 zugenommen und damit erneut einen Höchststand erreicht (2001: 5.376), wobei die Rechte Gewalt einen Anteil von 9.696 Straftaten ausmacht (2001: 4.927; 2015: 9.426).
Hasskriminalität mit Gewalt
Die Kriminalstatistik schlüsselt im Weiteren nach Hasskriminalität mit Gewalt auf (2016: insgesamt 1.467). Hier springt sofort ins Auge, dass Rechte Gewalt mit 1.252 gezählten Fällen den absoluten Bärenanteil ausmacht (2001: 600; 2015: 980) und im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen ist. Wie von den Rechtspopulist_innen so gerne verschrieene linke Gewalt liegt in diesem Zusammenhang lediglich bei läppischen 12 Fällen (2001: 73; 2015: 24).
Opfer politisch motivierter Gewalt
Durch politisch motivierte Gewalt starben 2016 insgesamt 14 Menschen. 12 von ihnen kamen beim islamistisch motivierten Breitscheidplatz-Attentat am 19. November in Berlin ums Leben. Ein Opfer rechter politischer Gewalt ist der Polizist, welcher im Oktober in Bayern von dem Reichsbürger Wolfgang P. erschossen wurde.
Nach Recherchen des Tagesspiegels wurde offenbar auch ein als unpolitisch geltendes Tötungsverfahren als islamistisch motiviert eingestuft und fließt damit in die 14 Todesopfer politisch motivierter Gewalt mit ein.
Im Mai hatte ein Mann in der Nähe von München auf vier Männer eingestochen und dabei “Allahu akbar“ gerufen. Einer der Opfer erlag seinen Verletzungen. Die Polizei wertete den Fall zunächst als Tat eines geistig Verwirrten. Der Tagesspiegel schreibt dazu:
“Dass der Fall jetzt doch als politisches Delikt genannt wird, erstaunt auch, weil ihn der bayerische Verfassungsschutz in seinem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht nicht erwähnt. Die bayerische Polizei ordnete den Fall der Politisch motivierten Ausländerkriminalität zu – obwohl der Täter Deutscher ist und es auch keinen Migrationshintergrund gibt. Die Sicherheitsbehörden zählen islamistische Delikte allerdings prinzipiell zur ‘PMK-Ausländer’.“
Antisemitische Straftaten um 7,5 Prozent zum Vorjahr gestiegen
Ebenfalls traurig ist, dass es 2016 auch wieder zu einem Anstieg von antisemitischen Straftaten gekommen ist. Insgesamt kam es 2016 zu 1.468 solcher Taten (2001: 1.691; 2015: 1.366). Davon waren 1.381 rechts motiviert (2001: 1.629; 2015: 1.246).
Von den 34 antisemitischen Straftaten mit Gewalt 2016 (2001: 28; 2015: 36) waren 32 rechts motiviert (2001: 27; 2015: 30). Generell ist der Anteil an antisemitischen Straftaten um 7,5 Prozent zum Vorjahr gestiegen.
Hier soll allerdings in keinem Fall der Antisemitismus, der von Muslimen ausgeht verschleiert noch verharmlost werden (antisemitische politisch motivierte Ausländerkriminalität: 2001: 31; 2015: 78; 2016: 48). In dem Phänomenbereich politisch motivierter Ausländerkriminalität werden Straftaten erfasst, die durch aus dem Ausland “importierte“ Ideologien motiviert sind.
Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte ist rückläufig
Die Zahl der Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte ist erstmals seit ihrer Erfassung 2014 leicht rückläufig (2016: 995; 2015: 1.031). Das macht im vorigen Jahr dennoch unfassbare 2,7 Angriffe pro Tag.
Asylbewerber_innen und Geflüchtete sind überproportional häufig Opfer von Gewalt
Bei der Opfererfassung wurden erstmals gesondert auch Asylbewerber_innen und Geflüchtete erfasst. Insgesamt verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik 43.825 Straftaten gegen diese Opfergruppe, was einen Anteil von 4,3 Prozent der gesamten Opferanzahl ausmacht. 22.460 Asylbewerber_innen und Geflüchtete wurden Opfer von “vorsätzlichen einfachen Körperverletzungen“, ihr Anteil an der Gesamtzahl der Opfer liegt damit bei 5 Prozent.
Bei “gefährlichen und schweren Körperverletzungen“ wurden 13.392 Asylbewerber_innen und Geflüchtete als Opfer registriert, damit liegt ihr Anteil bei 7,8 Prozent. Bei “Totschlag“ bildeten sie 10,1 Prozent der Gesamtopfer (Vgl.: Bericht zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2016, S.78).
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