In Bremen aktiv: Die Hooligan-Organisation "Gemeinsam stark Deutschland" mobilisiert über Soziale Netzwerke auf die Straße, in Bremen im Juni 2016.
Screenshot VK 13.01.2017

Jahresrückblick 2016, Bremen: Fließende Grenzen

Jedes Jahr zum Jahreswechsel ziehen wir mit Expert_innen und Kooperationspartner_innen Bilanz: Was passierte im Bereich Rechtsextremismus im jeweiligen Bundesland? Welche Themen waren wichtig, welche Akteure und Akteurinnen? Heute: Bremen.
 

Von pro aktiv gegen rechts - mobile Beratung in Bremen und Bremerhaven, VAJA e. V.

Auch im Land Bremen haben sich 2016 Neonazis und Rechtspopulist_innen zu Wort gemeldet. Wie in den vergangenen Jahren wurde erneut deutlich, dass die Bremer Szene sehr heterogen und die ‚Grenzen‘ zwischen den verschiedenen Spektren fließend sind. Über das Jahr verteilt  wurden in Bremen diverse Sachbeschädigungen und mehrere, mutmaßlich politisch motivierte, (versuchte) Brandanschlägen auf Geflüchtetenunterkünfte in verschiedenen Teilen der Stadt verübt, bei denen es glücklicherweise keine Verletzten gab.

Große Aufmerksamkeit zogen im Juni außerdem die Aktionen der Hooligans aus dem Umfeld von ‚Gemeinsam Stark Deutschland‘ (GSD) auf sich, einer Abspaltung der ‚Hooligans gegen Salafisten‘ (HoGeSa). Am 18. Juni, zogen mehr als 40 Hooligans aus dem GSD-Umfeld bewaffnet und vermummt mit Pyrotechnik und Transparenten, unter anderem gegen ‚die Antifa‘, an der Bremer Uni entlang. Ein gezielter Polizeieinsatz  bereitete dieser versuchten Machtdemonstration aber ein jähes Ende. Nur eine Woche zuvor, am Morgen des 12.06., war bereits eine Gruppe vermummter Hooligans am Ostkurvensaal des Weserstadions – einem wichtigen Treffpunkt der eher linken Ultraszene – aufgetaucht, posierte für Fotos und klebte rassistische Aufkleber. Der bekannte Bremer Neonazi, Hooligan und ehemaliges Mitglied der Hooliganband ‚VollKontaCt‘ – Marcel Kuschela – auch bekannt als ‚Captain Flubber‘ – trat darüber hinaus als Anmelder einer GSD-Demo in Dortmund in Erscheinung und war zusammen mit anderen bekannten Bremer Hooligans und Neonazis in der Führungsebene des GSD-Zusammenhangs tätig.

Die Bremer extrem rechte Hooligan-Band ‚Kategorie C‘ bzw. ihr Sänger Hannes Ostendorf waren auch in diesem Jahr sehr aktiv: So warben und beteiligten sich Band und Frontmann an verschiedenen Demos von GSD, des PEGIDA-Spektrums sowie Tatjana Festerlings Projekt ‚Fortress Europe‘. Darüber hinaus spielten sie Konzerte im Bundesgebiet und dem europäischen Ausland. Seit Jahren ist die Band eines der wichtigsten Bindeglieder zwischen der Hooliganszene und der extremen Rechten in Deutschland. Während sie sich in der Vergangenheit als dezidiert unpolitische Hooligan-Band darstellte, trat die Band im Jahr 2016 unter anderem mit dem extrem rechten Rapper MaKss Damage in einschlägigen Clubs auf. Darüber hinaus reaktivierten Teile der Band das offen extrem rechte Seitenprojekt ‚Nahkampf‘ und veröffentlichten das neue Album ‚Kein schöner Land‘. Dieses wird auch im ‚Kategorie C‘ Fanshop beworben und verkauft. ‚Kategorie C‘ versuchte im Sommer 2016 auch ein Konzert in der Nähe von Bremen bzw. Bremerhaven zu spielen. Dies konnte allerdings rechtzeitig durch die Verantwortlichen der Gemeinde am Auftrittsort verhindert werden.

Ein weiterer negativer Höhepunkt im Jahre 2016 war die Schändung des Zwangsarbeiter_innen-Mahnmals der Gedenkstätte Bunker Valentin: die von Überlebenden und Angehörigenverbänden der Zwangsarbeitendendort niedergelegte Kränze und Blumen wurden angezündet und das Mahnmal mit einem rechten Slogan besprüht.

Auch im Netz war 2016 Einiges los: So existieren mehrere Facebook-Gruppen aus dem Spektrum der so genannten ‚besorgten Bürger_innen‘ mit Bremer Beteiligung, sei es als Mitglieder oder sogar als Administrator_innen. In diesen Gruppen wird massiv gegen Geflüchtete gehetzt und diese Inhalte auch vom Netz auf die Straße getragen. Allerdings konnten beispielsweise die ‚Bremerhaven redet Klartext‘ Demos nur wenig Interesse wecken.

Eine weitere interessante Entwicklung stellt das verstärkte Auftreten der so genannten Reichsbürger_innen dar. Neben dem Verkleben von Aufklebern gegen die ‚BRD GmbH‘, wurden in zwei Fällen Gerichtsverhandlungen so lange gestört bis diese abgebrochen werden mussten. Darüber hinaus veranstaltete das ‚Aktionsbündnis Deutschland‘ diverse Stammtische in verschiedenen Teilen Bremens, bei denen sich Interessierte informieren konnten.

Ende des Jahres gründete sich in Bremerhaven eine Lokalgruppe der ‚Berserker Deutschland‘ sowie die ‚Nord Patrioten HB‘ als Bremer Ableger des ‚Bündnis Deutscher Patrioten‘. Bei beiden Strukturen handelt es sich um bundesweite Zusammenschlüsse, die sich ‚dem Schutz Deutschlands‘ verschrieben haben und sich hauptsächlich aus dem netzaffinen Spektrum rekrutieren. Die Übergänge zur extremen Rechten sind bei beiden fließend. Welche Bedeutung den Bremer Gruppierungen landes- aber auch bundesweit zukommt, bleibt abzuwarten.

Ähnlich stellt sich die Situation des ‚Identitären Freundeskreis Bremen‘ dar, dem Bremer Ableger der extrem rechten ‚Identitären Bewegung‘. Längere Zeit ausschließlich bei Facebook aktiv, haben sie erstmals im Dezember mit einer Aktion auf dem Bremer Weihnachtsmarkt mit Flyern, Kunstschnee und Schablonen gegen die Umbenennung des ‚Weihnachtsmarkts‘ in ‚Wintermarkt‘ öffentlich auf sich aufmerksam gemacht. Ironischerweise war eine Umbenennung allerdings gar nicht geplant.

Trotz der verschiedenen Aktionen, die in diesem Jahr aus dem rechten bis neonazistischen Spektrum durchgeführt wurden, zeigten Gegenveranstaltungen, Proteste und Statements, dass solche Taten im Land Bremen nicht unwidersprochen stattfinden können. Wiederholt wurden Veranstaltungen und Aufmärsche der extremen Rechten sowie der so genannten ‚besorgten Bürger_innen‘ von starken Protesten blockiert bzw. eingeschränkt. So beispielsweise eine Kundgebung der ‚Infidels Nord’, einem Ableger der German Defense League, bei dem die Themen nach wie vor die Gleichen sind: Hetze gegen den Islam und Hass gegen Geflüchtete.

Es zeigt sich, dass die gesellschaftlichen Diskursverschiebung nicht spurlos am Land Bremen vorbeigeht, die Zivilgesellschaft aber auch nicht untätig ist, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen.

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