Überall in Deutschland sind Flüchtlinge derzeit akut von rassistischer Gewalt bedroht. Sie sind auf die Unterstützung von Verwaltung, Behörden und Helfenden angewiesen - und diese darauf, sich zu vernetzen und auszutauschen. Als Ergebnis von drei solcher Tagungen entstand die Handreichung "Rechtsextremen Mobilisierungen entgegen treten - Willkommenskultur etablieren" der Amadeu Antonio Stiftung. Sie fasst die Ergebnisse zusammen und formuliert Handlungsanweisungen im Umgang mit rechtspopulistischer Hetze. Heute: Handlungsstrategien gegen Rassismus im Umgang mit Geflüchteten.
Von Tobias Scholz und Theresa Mair
Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Menschen werden nach rassistischen Kategorien negativ bewertet, wodurch ein gesellschaftliches Machtverhältnis entsteht, in welchem die Konstruktion der ethnischen Zugehörigkeit in allen Lebensbereichen wie ein Platzanweiser wirkt - auch auf Flüchtlinge. Daher ist es wichtig, Rassismus auf persönlicher, interpersoneller, kultureller und institutioneller Ebene zu benennen und entgegenzutreten. Grundsätzlich gilt: Der regelmäßige Austausch mit Geflüchteten in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen hilft, Vorurteile abzubauen. Wissen über Rassismus, Fluchtursachen und die Lebensrealität von Asylsuchenden verändert die Haltung: Vom Willkommen zum Ankommen.
Symbolpolitik, »Politik der klaren Signale«
Politiker_innen und Multiplikator_innen müssen sich klar positionieren, klare Signale senden, eine Vorbildfunktion einnehmen, rechtsextreme Aufmärsche, Aktivitäten und Parolen verurteilen, Gegendemonstrationen organisieren. Auch der Umgang mit Rassismus in den eigenen Strukturen sollte reflektiert werden. Innerhalb der Verwaltung muss die Arbeit mit Asylsuchenden und gegen Rassismus mehr Wertschätzung erfahren.
Soziale Inklusion und Zusammenhalt stärken, demokratische Kultur fördern
- Verwaltungsangestellte sollten mit Weiterbildungsprogrammen zu interkultureller Bildung, Rassismus und demokratischer Kultur geschult werden. Multiplikator_innen sollten Argumente gegen rassistische Äußerungen parat haben (Argumentationshilfen bietet die Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung und Pro Asyl: »Pro Menschenrechte. Contra Vorurteile.«
- Betroffene rassistischer Übergriffe müssen unabhängig ihres Aufenthaltsstatus Zugang zu Beratungsangeboten haben und gestärkt werden (Empowerment). Die physischen und psychischen Folgen der Taten müssen behandelt werden, und zwar in Deutschland, wo sie entstanden sind. Die Menschen müssen Schutzräume erhalten, ihnen muss mindestens bis zum Abschluss des Strafverfahrens und bis zum Ende der Behandlung der Schäden das Bleiberecht gewährleistet werden. Multiplikator_innen sollten entsprechende Forderungen stellen.
- Mitarbeiter_innen in Unterkünften müssen den Bewohner_innen deutlich signalisieren, dass sie bei Übergriffen ein offenes Ohr und Unterstützung finden.
Interkulturelle Öffnung
Durch (verpflichtende) Fortbildungen zu Rassismus muss ein Bewusstsein über Alltagsrassismus geschaffen, sowie Strategien für eine nicht-rassistische Organisation entwickelt werden, in der alle gleichberechtigt Zugang zu Bildung, Kultur, Sport etc. haben.
Repression
Rassistische Übergriffe müssen konsequent verfolgt und Hintergründe von ordnungspolitischen Akteuren, Polizei und Justiz klar benannt werden.
Dieser Text ist ein Auszug aus der Handreichung "Rechtsextremen Mobilisierungen entgegen treten - Willkommenskultur etablieren" der Amadeu Antonio Stiftung, die im April 2016 erschien.
"Rechtsextremen Mobilisierungen entgegen treten - Willkommenskultur etablieren".
Überall in Deutschland sind Flüchtlinge derzeit akut von rassistischer Gewalt bedroht. Sie werden bedrängt und geschlagen, müssen Brandanschläge auf ihre Unterkünfte fürchten und sind oft nur durch Aufgebote der Polizei, durch Wachschutz oder die Zivilgesellschaft zu schützen. Versuche rechtsextremer Gruppen, aus diffusen Ängsten Kapital zu schlagen und mit Hetzparolen zu mobilisieren, haben vielerorts Erfolg. Allein für das noch junge Jahr 2016 lassen sich über 300 Angriffe auf Unterkünfte dokumentieren – 55 davon sind Brandanschläge. Verwaltung, Behörden und Helfende sind in dieser Situation dringend auf gegenseitige Unterstützung und unkomplizierten Austausch angewiesen. Die in Kooperation der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Familie und Jugend sowie der Amadeu Antonio Stiftung durchgeführten Fachtagungen sollten diesen Austausch ermöglichen. Verwaltungen sowie Fach- und Koordinierungsstellen der Partnerschaften für Demokratie waren eingeladen, im kollegialen Gespräch gemeinsam Problemlösungen und Strategien gegen rechtspopulistische und rechtsextreme Mobilisierungen zu entwickeln, um eine nachhaltige Willkommenskultur in Deutschland zu etablieren. Diese Dokumentation fasst die Ergebnisse zusammen und formuliert Handlungsanweisungen im Umgang mit rechtspopulistischer Hetze.
Hier zum Download:
Chronik der Gewalt gegen Geflüchtete bei "Mut gegen rechte Gewalt":
Mehr auf netz-gegen-nazis.de:
- Artikel aus dieser Broschüre auf netz-gegen-nazis.de:
- Handlungsstrategien gegen Rassismus im Umgang mit Geflüchteten
- Zusammenarbeit mit Unterkunftsverwaltung, Sicherheitspersonal und Ehrenamtlichen
- Kommunikationsstrategien mit Anwohner_innen: »Bürgerversammlungen«
- Einbeziehung der Flüchtlingsperspektive
- Sicherheitskonzepte - Schutz von Asylsuchenden und Ehrenamtlichen