Gesucht: Immobilien in Süddeutschland

Immer öfter sind Kommunen in Süddeutschland mit vermeintlichen oder realen Kaufangeboten für Häuser, Gaststätten und Bauernhöfe durch Neonazis konfrontiert. Was steckt dahinter? Will die Szene endlich den Traum eines weiteren rechtsextremen Schulungszentrums umsetzen? Oder geht es allein ums Geld? Viele Gemeinden sind ratlos, wie sie mit der Immobilienjagd der Rechtsextremen umgehen sollen.

Von Haidy Damm

Die Gemeinde Straßberg in Baden-Württemberg bangte wegen eines möglichen Neonazi-Schulungszentrums in einem ehemaligen Hotel, im bayrischen Warmensteinach bei Bayreuth kauft die Gemeinde einen leer stehenden Traditionsgasthof und in Würzburg ließen zwei Damen den NPD-Vize Jürger Rieger abblitzen. Zurzeit werden vor allem in Süddeutschland angebliche Immobilienkaufpläne der NPD bekannt.

Immer wieder geht es dabei auch um Jürgen Rieger, Neonazi-Anwalt aus Hamburg und stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender. Der wünscht sich schon lange wieder ein "nationales" Schulungszentrum – oder wahlweise ein "Siedlungsprojekt für nationale Familien". Doch oftmals steht hinter den Kaufabsichten ein Deal: Die NPD bietet sich als Käufer an und treibt so den Preis der jeweiligen Immobilie in die Höhe und die Kommunen in die Zwickmühle. Handeln sie nicht, nehmen sie das Risiko in Kauf, dass die Rechtsextremen es diesmal ernst meinen. Machen die Kommunen stattdessen von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch, kann es sein, dass sie ihr Geld in eine oftmals überteuerte Immobilie stecken. “Die Partei hat erkannt, dass sie damit Druck auf die Kommunen ausüben kann, um überhöhte Preise zu erzielen”, sagt Frank Dittrich vom baden-württembergischen Landesamt für Verfassungsschutz.

Verunsicherte Gemeinden

Als im Juli 2007 laut einem Bericht der Schwäbischen Zeitung bekannt wurde, dass der NPD-Landesverband Baden-Württemberg in der 3.000 Einwohnergemeinde Straßberg ein Hotel mit Schulungszentrum errichten wolle, war die Empörung groß. Der Zollernalbkreis dürfe nicht zum Treffpunkt von Rechtsextremen aus ganz Baden-Württemberg werden, sagten Bürger und Politiker einhellig. Der NPD-Landesvorsitzende Jürgen Schützinger hatte zuvor gegenüber Journalisten erklärt, die Neonazipartei habe dem Eigentümer der Immobilie ein Kaufangebot über 538.000 Euro unterbreitet. Nach den Worten von NPD-Landesgeschäftsführer Alexander Neidlein sollte das heruntergekommene und leer stehende Anwesen zwischen Straßberg und Albstadt-Ebingen zu Schulungszwecken genutzt werden.

Mehr als eine halbe Millionen Euro schien Beobachtern doch eine erhebliche Summe angesichts der desaströsen Ebbe in den Kassen - sowohl die baden-württembergische NPD als auch die Bundespartei, die gerade von einem Finanzskandal in den nächsten schlittert, sind nach diversen Finanzskandalen fast pleite. Das Ganze roch verdächtig nach einem Bluff, zumal der baden-württembergische NPD-Landesverband eher als nicht sonderlich stark gilt. So deutete alles darauf hin, dass die NPD mit einer Provision an dem Deal abkassieren wollte. Dennoch hat die Kommune Ende September 2008 das Geld aufgebracht, um das Objekt zu kaufen, bevor es die NPD konnte.

Experten warnen immer wieder: Wenn die NPD ein Objekt wirklich erwerben will, geht sie eher verdeckt vor. Tritt sie offen auf, sind Absprachen mit den Immobilienbesitzern durchaus denkbar. Durch die Zusammenarbeit mit dem Verkäufer kassiert die Partei eine Provision, ein durchaus lohnendes Geschäft für die Parteikasse. Weil immer wieder unklar ist, ob es sich um einen Deal handelt, bei dem sich die NPD auszahlen lässt oder die Rechtsextremen tatsächlich ein Objekt kaufen wollen, will der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg den betroffenen Kommunen nun stärker unter die Arme greifen.

Im Fokus: Bayern

Derzeit häufen sich insbesondere in Bayern die Meldungen über angebliche Immobilienkäufe der NPD. Straubing, Halsbach, Warmensteinach – glaubt man der NPD, wollen die Rechtsextremen allein in Bayern Immobilien für über vier Millionen Euro erwerben. Woher das Geld kommen soll, ist unklar.

In der 900-Einwohnergemeinde Halsbach im oberbayrischen Landkreis Altötting droht derzeit ein Gastwirt damit, sein Wirtshaus an die rechtsextreme Partei zu verpachten oder auch zu verkaufen. Die Reaktionen in der Gemeinde sind vielfältig: Am 3. Oktober demonstrierten über 2.000 Menschen unter dem Motto "Fröhlich, friedlich, NaziFREI“ gegen einen Verkauf des Wirtshauses an Neonazis. Parallel dazu hatte sich in der Gemeinde eine Wirte AG zusammengefunden, die dem Eigentümer den realen Marktwert von rund 700.000 Euro anbot. Doch der fordert derzeit noch 1,25 Millionen Euro. Laut einem Bericht von Chiemgau Online haben sich die Bürger in einer Gemeinde nun klar gegen einen Kauf durch die Kommune entschieden.

Für die Bedenken der Bürger spricht, dass der ehemalige Besitzer – dessen Sohn das Gebäude jetzt verkaufen wollte – sich entschieden dagegen ausgesprochen hatte, an die NPD zu verkaufen. Deshalb hofft man, dass der Junior nicht an die rechtsextreme Partei verkaufen kann. Von Neonazis genutzt wird der Gasthof schon seit längerem, beispielsweise auch für Veranstaltungen mit dem mehrfach vorbestraften Neonazi und NPD-Funktionär Norman Bordin.

Im niederbayerischen Straubing hatte die NPD bereits einen Mietvertrag unterschrieben, als über ein Lokalradio bekannt wurde, dass die NPD Räume einer ehemaligen Tierarztpraxis angemietet hatte. Seit dem 1. August 2008 nutzt die NPD die Räume als Partei-Büro. Doch auch hinter dieser Aktion der NPD könnte möglicherweise ein ganz anderer Plan stehen: Wie die Bogener Zeitung berichtet, vermuten Insider dahinter ebenfalls handfeste wirtschaftliche Interessen. Die mutmaßliche Masche auch hier: Die NPD tritt als angeblicher Interessent für schwer verkäufliche Immobilien auf, daraufhin kauft die öffentliche Hand das Anwesen. Die Partei erhält eine Gewinnbeteiligung.

Über 2,3 Millionen Euro soll die NPD angeblich im Fall der ehemaligen Tierarztpraxis verhandeln. Schätzungen gehen aber von einem Gebäudewert aus, der höchstens bei 10 bis 20 Prozent dieser Summe liegt. Hinter der repräsentativen Glasfassade der früheren Tierklinik lagert nun NPD-Wahlkampfmaterial. Bei der Landtagswahl im Herbst 2008 kam die NPD im Bezirk Straubing mit 2,8 Prozent der Stimmen auf eines der besten Ergebnisse für die Partei. Befürchtet wird jetzt, dass die NPD hier auch Schulungen, Tagungen oder Konzerte organisieren könnte.

Warmensteinach wehrt sich

Auch im bayrischen Warmensteinach interessierte sich die NPD sehr für ein Gebäude: Hier wollte der NPD-Funktionär Jürgen Rieger angeblich den Traditionsgasthof Puchtler kaufen. Nach gründlichen Überlegungen verkündete Bürgermeister Andreas Voigt: "Die Gemeinde Warmensteinach hat beschlossen, dass die Gemeinde für diese öffentlichen Zwecke der Ortskernerneuerung ihr Vorkaufsrecht auf das Anwesen Puchtler ausübt, weil dieses zentrale Anwesen für die städtebaulichen Sanierungs- und Ordnungsmaßnahmen zur Fortentwicklung der Gemeinde von herausragender Bedeutung ist und dafür gesichert werden muss." Gezahlt werden soll gemäß den Vorschriften des Baugesetzbuches nur der vom Landratsamt ermittelte Verkehrswert von rund 380.000 Euro. Ob die Bescheide akzeptiert würden, müsse abgewartet werden, so der Bürgermeister. Die Bewohner der kleinen oberfränkischen Gemeinde zeigten sich erleichtert. Birgit Kielmann, Sprecherin der "Bürgerinitiative gegen Rechts“ betonte: "Wir sind sehr froh über diesen Weg und werden ihn selbstverständlich voll mittragen."

Und bereits im Frühjahr 2007 hatte der neonazistische Kameradschaftsbund Hochfranken verkündet, dass Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger in Wunsiedel einen Gasthof kaufen wolle. Ziel sei die "baldige Schaffung eines Rudolf Heß-Gedächtnis- und Dokumentationszentrums". Damit wollte die NPD ihrem Traum vom Gedenkort an den Hitler-Stellvertreter und NS-Kriegsverbrecher näher kommen. Auch in Wunsiedel hatte sich die Kommune ein Vorkaufsrecht auf das entsprechende Gebäude gesichert und damit das Zentrum abgewendet.

"Wir können doch unsere Seelen nicht verkaufen"

Regelrecht abgeblitzt ist Jürgen Rieger dagegen im Oktober bei zwei Damen aus Würzburg. Die Schwestern Schwarzmann wollten ihr Hotel "Stadt Mainz" aus Altersgründen verkaufen. Ein renommiertes Haus, dessen Geschichte zurückreicht bis ins 15. Jahrhundert. Seit 100 Jahren ist das Hotel in Familienbesitz.

Zwei Strohmänner seien gekommen und hätten einen Termin vereinbart, um die Veranstaltung eines Liederabends für 100 Teilnehmer zu besprechen, berichtete die 65 Jahre alte Anneliese Schwarzmann gegenüber dem Bayrischen Fernsehen. Beim Rundgang hätten die Männer dann die Räumlichkeiten gelobt und erwähnt, dass sich daraus schöne Schulungs- und Tagungsräume machen ließen. Schließlich unterbreiteten sie der Familie ein Kaufangebot und fügten hinzu, Geld spiele keine Rolle.

Doch die Strohmänner machten einen Fehler, sie ließen den Namen "Jürgen Rieger" fallen. Bis zum nächsten Treffen hatten die beiden Frauen im Internet recherchiert und ließen sich von den Interessenten bestätigen: Die NPD will das Hotel kaufen. "Wir können doch unsere Seelen nicht verkaufen", sagte Anneliese Schwarzmann. Schließlich sei ihr Vater von den Nationalsozialisten wegen kritischer Flugblätter verfolgt worden.

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