Gegen den Hass malen - Bodvalenke, das Dorf der Hoffnung

Die Gegend zwischen Miskolc im Norden Ungarns und der slowakischen Grenze ist die ärmste im Land. Besonders Roma haben es in dieser Gegend schwer: Rassismus und Ausgrenzung ist Alltag für die dort lebenden Roma. Jetzt versucht Eszter Pásztor das Leben dort eträglicher und schöner zu gestalten.

Von Magdalena Marsovsky

In allen Dörfern der Umgebung überwiegen die Arbeitslosen, die nichts dafür können, dass sie arbeitslos wurden. Das Gebiet um die Stadt Miskolc herum war im Realsozialismus eine Industriegegend, die Industrie ist jedoch nach der Wende 1989/90 eingegangen. Viele sind abgewandert, diejenigen, die bleiben mussten, sind verzweifelt. Vor allem die Ärmsten der Armen, die Roma, haben keine Chancen, vielfach vegetieren sie einfach dahin.

In dieser Gegend befindet sich auch Sajókaza, eines der Dörfer, die vor Kurzem sogar vom Hochwasser heimgesucht wurden. Die Roma, deren instabile Lehmhäuser zuerst weggespült wurden, durften jedoch - im Gegensatz zu den „weißen“ Ungarn - wegen des Rassismus des Gemeinderats nicht im Kulturhaus übernachten. Die Schadensaufnahme für die Versicherung wurde jedoch ausschließlich denen gewährt, die sich im Kulturhaus befanden. So haben sie all ihr Hab und Gut verloren und haben keine Hoffnung auf Schadensersatz.

Oder da ist die Kleinstadt Edelény. Roma haben dort schon deshalb keine Chancen, weil Edelény einen berühmt berüchtigten Bürgermeister, namens Oszkár Molnár hat, der letztes Jahr, damals noch Abgeordneter der jetzigen Regierungspartei Fidesz-MPSZ, über schwangere Roma Frauen das Gerücht verbreitete, sie würden ihre Bäuche so lange schlagen, bis sie behinderte Kinder auf die Welt bringen, nur damit sie mehr Sozialhilfe bekommen. In Ungarn kann man mit solch einer Hetze Stimmen gewinnen: Molnár sitzt heute als „unabhängiger“ Angeordneter im Parlament.

Selbst der sozialistische Bürgermeister von Miskolc, Sándor Káli äußert sich rassistisch. Neulich sagte er, die Roma wüssten nicht, wie man sich selbst pfelgt und seien voller Läuse. Der Polizeipräsident von Miskolc meinte letztes Jahr, die „Zigeuner“ hätten eine spezielle Art von Kriminalität, die nur ihnen typisch sei.

All das ist kein Wunder. Beinahe die ganze ungarische Gesellschaft, nach einer Forschung etwa 80 Prozent der Bevölkerung, hält wie eine Betonmauer gegen die Roma dicht und grenzt sie aus.

Bodvalenke ist ein kleines Dorf, etwa 5 km von der slowakischen Grenze entfernt. Hier haben nur zwei von 47 arbeitsfähigen Menschen eine Arbeit. Die meisten haben keine Schulen besucht, sind Analphabeten. Aussichten zum Überleben haben nur diejenigen, die Geld für Wucherzinsen verleihen oder stehlen. Tiefste Armut und Depression haben hier das Sagen. Die Menschen bräuchten Arbeit. Es gibt aber keinen einzigen, der in so eine Gegend investieren würde, wo es nur einen kleinen Lebensmittelladen, aber nicht einmal eine Kneipe gibt.

Die Übersetzerin und eine der engagiertesten Roma-AktivistInnen der letzten Jahre, Eszter Pásztor aus Budapest hat sich jedoch genau dieses Dorf ausgesucht. Sie hat mit einer irrsinnigen Überzeugungsarbeit aus den Bruchbuden ein so genanntes Freskodorf ins Leben gezaubert, das bereits einen Namen hat: „Freskodorf-Bodvalenke“. Ihr Ziel war es, den Menschen aus der tiefen Depression zu helfen, indem sie eine Hoffnung für die Zukunft haben, in ihnen gleichzeitig die Freude am gemeinsamen Schaffen zu wecken und so die kleine Gemeinschaft über die gemeinsame Arbeit als eine Solidargemeinschaft zu stabilisieren.

Zudem hat sie auch für die Zukunft eine zweifache Perspektive eröffnet: einmal soll sichtbar sein, dass die „verhasste“ Minderheit ein solches Projekt aus der eigenen Kultur vorweisen kann, auf das auch das Mehrheitsgesellschaft stolz sein kann. Zweitens soll das Dorf zu einer Touristenattracktion werden.

Bereits jetzt sind die monumentalen Fresken an den Wänden zu sehen. Gemalt haben sie Roma Künstler aus Ungarn, Ferenc Kunhegyesi, József Ferkovics, János Horváth, Róbert Kökény und Gábor Váradi, unter Mitwirkung der Einheimischen und deren Kindern.

Und es gibt bereits erste Erfolge zu verzeichnen. Es ist z.B. gelungen, ein Gemeindehaus zu errichten, in dem Computer aufgestellt und Kinder herzlich willkommen sind. Sie finden inzwischen nicht nur die Spiele, sondern auch die Informationen interessant, die sie aus dem Internet fischen. Auch aus dem Ausland kommen bereits Freiwillige: neulich z.B. eine Chinesin aus Australien, die überhaupt kein Ungarisch sprach, sich mit den Einheimischen dennoch gut verstand. Immer mehr Erwachsene versuchen mit dem Internet zurechtzukommen. Da ist z.B. der 35 Jahre alte Miki, der mit zehn Jahren seine Eltern verlor und jetzt mit Hilfe eines ungarischen Internetprogramms, namens „sulinet“ lesen und schreiben lernt.

Rückschläge gibt es leider auch. So wurde Eszter Pásztor von drei Buben (8, 10 und 12 Jahre) aufgesucht, die eine Farm mit Tierhaltung betreiben wollten in einem Gebäude, das sie eigens dafür in Ordnung brachten. Das Gebäude haben sie schön geputzt und die zwei Ziegen, sechs Hasen und einige Hühner, die sie erwirtschafteten, regelmäßig versorgt. Doch dann kam der Herbst. Als die Schule anfing, musste das Geld für die Einschulung und die Monatskarten aufgebracht werden, und das bei sechs bis sieben Kindern in einer Familie. Die Sozialhilfe wurde schnell verbraucht, alle hungerten. Und die Tiere mussten daran glauben.

Man konnte nur in kleinen Schritten vorankommen.

Heute jedoch schmiedet man Zukunftspläne. Die Frauen der ehemaligen Näherei planen, dass sie in ihrer künftigen kleinen Werkstatt Kleider nähen, die durch die Tracht der Romafrauen inspiriert sind. Alles für Touristen. Die Entwürfe dazu wurden bereits angefertigt, und zwar von Studenten der der Moholy-Nagy Kunsthochschule in Budapest. Jetzt bräuchten sie nur noch Geld, um genug Stoff zu kaufen.

Manche Männer wiederum haben im Dorf Arbeit gefunden. Sie nahmen an einer Ausschreibung der vormaligen sozialistischen Regierung teil, bekamen Geld und haben die Häuser abgerissen, die Mitte der 90er Jahre auf Grundstücken gebaut wurden, in denen das Grundwasser gleich die Fekalien aus den Klärgruben mit an die Oberfläche drückt. So waren die Häuser von unter mit Dreck durchweicht und unbewohnbar geworden. Nachdem die neue Kooperative Frescodorf, deren Mitglieder die Hauseigentümer waren, die Häuser abgerissen hatte, setzten sie die Landschaftsplanierung mit so einem Geschick fort, dass sie von einem Unternehmer des Nachbardorfes gleich mit einer weiteren Aufgabe beauftragt wurden.

Die feierliche Einweihung der Fresken fand am Tag des so genannten Drachenfestes statt: in Bodvalenke am 19. Juni 2010. Schirmherr des Festes war der EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, László Andor. Jede Hauswand, jedes Fresko wurde von den berühmtesten Roma-Musikern, inspiriert vom Thema des Bildes, eingeweiht. Die Skulptur für das Drachenfest, die von der Bildhauerin Boglárka Imrei mit Hilfe der Einheimischen geschaffen wurde, durften die Besucher nach Belieben bemalen. Zur Feier des Tages hat man auch eine einhemische Währung eingeführt: die Lenkes.

Der Frauenchor von Sajokaza sang zum Schluss ein Trauerlied zum Gedenken an die letztes Jahr am 02. August ermordete Frau, Mutter einer dreizenhnjährigen Tochter, die noch immer unter ihren schweren Verletzungen leidet und unzählige Operationen hinter sich hat.

Nach der großen Überschwemmung blieb auch noch etwas für die Solidarität übrig: Ein Großteil der Einnahmen wurde den Opfern des Hochwassers angeboten.

Kontonummer:
Unicredit Bank
IBAN: HU05 1091 8001 0000 0046 6128 0007
SWIFT (BIC): BACXHUHB

Mehr im Internet:
| www.bodvalenke.eu

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