FC Internationale: Fußball ohne Grenzen

Seit über 25 Jahren spielen mehr als 35 Nationen in dem Berliner Verein "FC Internationale" zusammen. Der Verein engagiert sich aber auch für soziale Projekte und unterstützt Initiativen.

Von Katrin Zeug

Samstagvormittag, E-Jugend-Punktspiel im Berliner Stadtteil Schöneberg. Ein ganz normales Spiel, doch etwas fällt auf: Einer der beiden Trainer am Spielfeldrand schreit nicht. Kein Anfeuern. Kein "Los jetzt!" oder "Schieß!" oder "Spiel ab!". Ruhig steht Ahmet Yilmaz am Rand und beobachtet, wie seine Spieler auf dem Feld taktieren: Aufbau von hinten über die Flügel, der Ball wird entlang der Seitenauslinie steil nach vorne gespielt. Doppelpass. Flanke. Kopfball. Es scheint, als spielte die Mannschaft des FC Internationale einen einzigen großen Spielzug, gemeinsam.

"Multi-Kulti“ und "No Racism“

Bekannt wurde der Verein, weil die Presse ihn als Projekt gegen Rechts entdeckte. Als „multi-kulti“ betitelten ihn die Blätter und feierten das friedliche Zusammenspiel von Menschen aus mehr als 35 Nationen unter einem Dach. Allein heute sind fünf Länder auf dem Platz vertreten. Doch mit kultureller Vielfalt hebt sich in Berlin kein Verein mehr hervor. Was den FC Internationale ausmacht, ist der bewusste Umgang damit.
Im Fanshop werden T-Shirts mit den Aufdrucken „No Racism“, "Fußball ohne Grenzen" und "Integration – ein Kinderspiel" verkauft. Das Logo ist eine Weltkugel und es gibt Charity-Aktionen, wie die für einen Verein in Tansania: bei zehn Turnieren sammelten die Berliner über 1 000 Euro, kauften Trikots und schickten sie nach Afrika.

Als der Verein 1980 gegründet wurde, war dieses Engagement zwar nicht direkt geplant, im Geiste der Gründerriege aber bereits angelegt. Die Vereinsgeschichte sagt, dass Karl-Heinz Hamburger, Fußballtrainer und Politikdozent der Freien Universität Berlin, mit ein paar Studenten und Spielern beim Bier in einer Kneipe saß und über die Kommerzialisierung des Sports diskutierte: Geld zerstöre den Teamgeist, befanden sie. Man wollte weg vom „Konsumentenverhalten“ anderer Klubs, die Spieler kauften, drillten und abstießen, je nach Verwertbarkeit. Keiner in ihrem Verein sollte Geld verdienen oder wegen seiner Leistung eine Beitragsermäßigung bekommen. Sie wollten Spaß am Spiel – und politisch aktiv sein.

Für Frieden und Arbeiter

Der Berliner Fußball-Verband im alten West-Berlin musste sich daran erst gewöhnen. „Kommunistischen Beiklang“ entdeckte die Dachorganisation im letzten „e“ des Namens, berichtete die Süddeutsche Zeitung damals, und als der FC Internationale andere Klubs zum Friedensturnier einlud, schrieb der Verband: „Der Weg zum Frieden darf nicht über die Fußballfelder gehen.“

Der Verein ließ sich nicht einschüchtern. Nach dem Training ging man zusammen auf Demonstrationen gegen die Stationierung neuer Atomwaffen oder veranstaltete Solidaritätsspiele mit Arbeitern. Nicht weniger Aufsehen erregte es, als zum ersten Mal eine Frau die Männermannschaft trainierte. Das allerdings war nicht politisch begründet, sie war einfach gut. Bereits in der ersten Saison hatte der Verein über 130 Mitglieder. Heute sind es mehr als 800. Die erste Männermannschaft spielt in der Landesliga, immerhin die sechsthöchste Spielklasse in Deutschland, und hat in der Rücksaison acht von zehn Spielen gewonnen. Ihre politischen Einstellungen sind längst nicht nur an Logos und Trikotaufdrucken zu erkennen – sondern auch an der Taktik.

Ein besseres Verständnis fürs Ganze

Diese Taktik vermittelt Ahmet Yilmaz, 38, schon den Kleinen. Er steht still am Spielfeld und beobachtet. Manchmal ärgert er sich leise über den keifenden Trainer der Gegner. "Wenn die ständig Befehle vom Spielrand bekommen, dann hören sie auf, selbst mitzudenken. Ich erwarte von meinen Jungs, dass sie entscheiden können, wann sie rennen und schießen müssen." Ins Tor hat er heute Deniz gestellt. An einem anderen Tag steht da ein anderer und auch die heutigen Stürmer und Verteidiger spielen nächstes Wochenende wieder auf anderen Positionen. "Keiner wird auf eine bestimmte Position festgelegt. Dadurch bekommen sie ein besseres Verständnis für das Ganze", sagt Yilmaz. Wenn man wolle, könne man das auch auf die Gesellschaft übertragen – aber erstmal gehe es natürlich um guten Fußball.

Ahmet Yilmaz wurde in der Türkei geboren, kam als Dreijähriger nach Deutschland und lebt hier mittlerweile seit 35 Jahren. Hauptberuflich arbeitet er als Beamter bei der Deutschen Rentenversicherung, nebenbei kümmert er sich etwa 30 Stunden pro Woche um Jugendspieler. Geld bekommt er dafür keines, trotzdem sagt er, ein Wochenende ohne Spiel sei „wie ein Morgen ohne Kaffee.“ Auf den Fahrten zu Auswärtsspielen flirren ganz selbstverständlich Worte in verschiedenen Sprachen durch den Bus. "Die Kinder sprechen über das Zuckerfest, Weihnachten und die Semana Santa und nicht selten feiern sie die Feste auch zusammen, nach dem Training", sagt Yilmaz.

Ein Team gegen Rassisten

Als einer der Jungs bei einem Spiel in Lichtenberg – einem Berliner Stadtteil, der bekannt für seine Neonazi-Szene ist – von den Gegnern mit Affenschreien begrüßt wurde, wollte Yilmaz den Vorfall mit den Jungs aufarbeiten. Das war nicht nötig. Ohne darüber zu sprechen, kam die Mannschaft ab sofort geschlossen zu den Spielen. Dumme Sprüche und Affen-Laute ignorierten sie, Vincent lief in der Mitte.

Das Spiel in Schöneberg ist aus, die Kinder kommen zu ihrem Trainer gerannt. Einige haben schon Angebote von anderen Vereinen. Ob sie wechseln würden? Deniz ist zehn und hat sich das schon mal überlegt. Er hat andere Vereine besucht, das Training und Spiele angeschaut. Dann wollte er nicht mehr. "Jeder macht da egoistisch sein Ding und wer nicht gut genug ist, ist raus", sagt er. Sein Freund Brixius, 10, wurde schon mehrmals angefragt, aber er überlegt nicht mal. Fußballer will er werden, aber wenn er die Namen der großen Vereine hört, schüttelt er energisch den Kopf. "Warum?“ fragt er nur, packt Deniz und geht mit ihm noch ein bisschen Kicken.

In dieser Saison zumindest hat er auch so alle Spiele gewonnen, das heutige gegen den Köpenicker SC. Mit 11 zu 0.

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