Flickr / Patrick Tschudin / CC BY 2.0

Ermittlung wegen Volksverhetzung und Beleidigung in 13.000 Fällen?

13.000 Likes und 36.000 mal geteilt. Der Facebook-Post eines Mannes aus Chemnitz sorgt seit Montag für Aufsehen. Die Geschichte über einen angeblichen Hausfriedensbruch in einer Chemnitzer Kleingartenkolonie nimmt ihre Runde durch sämtliche "flüchtlingskritischen" Facebook-Seiten und Blogs. Viele Nutzer_innen kommentieren unter dem ursprünglichen Post und verlieren dabei offenbar auch noch die letzten Hemmungen. Laut einer Meldung des Portals "Tag24" der "Morgenpost Sachsen", ermittelt jetzt die Polizei gegen 13.000 Kommentator_innen unter anderem wegen Volksverhetzung und Beleidigung.

Von Stefan Lauer

Der ursprüngliche Post ist mittlerweile nicht mehr öffentlich. Der Nutzer schrieb unter anderem folgendes:

(…)
Naja so manch böse Zunge würde wohl von einem Einzelfall sprechen. Ein Schelm wer böses denkt. Aber nun Klartext.
Am gestrigen Sonntag Abend saßen meine Frau und ein befreundetes Paar zum gemütlichem Grillen in unserem Garten um den Sonntag ausklingen zu lassen. Aus dem nichts tauchte plötzlich der Mann auf dem Bild vor meinem Grundstück auf. Er war augenscheinlich aggressiv und auf Streit aus.
Nach mehrmaliger Aufforderung, in Englisch sowie auf deutsch, dass er doch bitte den Gartenverein verlassen solle, denn er habe hier nix zu suchen, kam es wozu es kommen musste er wollte auf mein Grundstück, als ich ihm deutlich machte das er das zu unterlassen habe wurde er noch aggressiver, zog sich Jacke und Pullover aus und ging auf mich los. Nach kurzem Gefecht konnten wir ihn dann zu Boden bringen,fixieren und informierten die Polizei. Welche auch nach 45 Minuten eintraf. Das weitere Prozedere wird dem einen oder anderen bekannt sein und auch die Beamten welche am Einsatzort waren sagten klar das sie nix machen könnten als unsere Aussagen aufnehmen, aber ihm passiert sowieso nichts.
Ich mein wenn selbst die diensthabene Behörde meint das wir es beim nächsten Mal besser auf unsere Art regeln sollten, dann ist alles gesagt denke ich.
Warum poste ich das hier, wird sich der eine oder andere sicher fragen.
Nun ja, ich lebe nach dem Grundsatz:"Leben und Leben lassen" ABER wenn es um Schutz der Familie geht dann stellen sich mir die nackenhaare hoch.
Ich: 196cm groß, knapp 100 kg schwer und wohl wissend, mich zu verteidigen, für mich ist das kein Problem ABER was wäre wenn Frau und Kind allein gewesen wären oder schlimmer, wenn es nicht einer sondern eine Gruppe mehrerer aggressiver Menschen gewesen wäre.
45 minütige Wartezeit der sowieso schon uberlasteten Polizei, hätte uns in dem Fall dann auch zum Verhängnis werden können.
Ich hätte nie gedacht das ich einmal in solch Zwischenfall verwickelt werden würde aber Fakt ist, und dass ist das traurige.
Es kann jedem immer und überall passieren.
Der Vorfall an sich war aufgrund unserer körperlichen Überlegenheit an sich mehr oder weniger harmlos, aber die Angst die verständlicher weiße jetzt in dem Kopf meiner Frau herrscht ist alles andere als harmlos. Gedanken wie: " was ist wenn er wieder kommt, vielleicht bewaffnet. Oder was wenn er jetzt "Rache" nehmen will und dann kommt doch die grosse Gruppe" ?
Das ist der Punkt an dem für mich jetzt eine Grenze überschritten wurde. Ich sage Danke!
Danke an Frau Merkel und der gesamten Regierung, welche an Unfähigkeit kaum zu übertreffen ist. Mich würde zu gern interessieren ob die Damen und Herren auf ihrem Grundstück solch einen Vorfall geduldet hätten.
Wenn man nicht Mal mehr in einem Gartenverein seine Ruhe hat, dann frag ich mich wo die Grenzen sind, aber eines ist Fakt, geht es um den Schutz der Familie müssen Grenzen gezogen werden!
(…)
Jegliche Kommentare welche mich hier als Nazi oder ähnliches beschimpfen werden gelöscht ohne Ausnahmen, denn ich bin in keinem maße bereit darüber zu diskutieren ob es nicht hätte eine andere Lösung dieses Konflikts geben können.
Versetzt euch in meine Lage und denkt darüber nach wie ihr gehandelt hättet wenn Frau,Kind und Freunde bedroht würden sein.
(…)

Viele der Kommentator_innen sprangen dem User zur Seite, wandten sich gegen die Polizei und riefen zu Selbstjustiz auf. Die Nationalität des mutmaßlichen Eindringlings, ein 27-jähriger Mann aus Eritrea, passte perfekt in die Weltsicht vieler der Kommentator_innen. Wie so oft in solchen Fällen war klar, dass ein verhinderter Hausfriedensbruch nur ein weiterer Beweis dafür sein kann, dass alle Geflüchteten gewalttätige Massenmörder und Vergewaltiger sind. Unter anderem wegen der hetzerischen und menschenfeindlichen Kommentare schaltete sich bereits am Dienstag eine Rechtsanwaltskanzlei in Würzburg ein.

Mittlerweile wird tatsächlich ermittelt. Gegen den mutmaßlichen Eindringling, aber auch gegen 13.000 Kommentatoren. "Die mögliche Bandbreite reicht von Volksverhetzung über Beleidigung bis Androhung von Straftaten“, so Polizeisprecher Andrzej Rydzik laut Tag24. Das würde bedeuten, dass etwa ein Viertel der Kommentare unter dem Facebook-Post strafrechtlich relevant sein könnten. Natürlich ist es auch möglich, dass mehrere Kommentare von einem Nutzer geschrieben wurden. Laut Rechtsanwalt Jun eine schwierige Situation, da alleine aufgrund der vielen Kommentare , einzelne kaum ermittelbar sein dürften. Auch gegen die Polizeibeamten, die in Chmenitz vor Ort waren und die laut dem ursprünglichen Post angeblich zur Selbstjustiz rieten, wird ermittelt. Jun sagte dem Portal "Mimikama" dazu:

"Das Posting ist noch kein Beweis für eine Straftat der Polizei, aber der Autor deutet an, dass seine Meinung aus den Äußerungen der Polizei entstand, dass a) gegen Ausländer keine wirksame Strafverfolgung stattfindet und daher b) die Sache selbst erledigt werden solle. Das wäre als Aufruf zur Selbstjustiz ein schweres Delikt."

Auch die Polizei Sachsen hat sich mittlerweile zu den Ermittlungen und dem Post zu Wort gemeldet:

Die Social-Media-Beauftragten weisen dabei besonders auf den Rechtsstaat und die doch eher geringfügige Brisanz des eigentlichen Vorfalls hin: "Geringfügige Straftaten rechtfertigen nach unserem Rechtssystem grundsätzlich keine freiheitsentziehende Maßnahme und damit einen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person. Insofern darf ein Tatverdächtiger, falls es keine anderen Gründe gibt, nach den ersten polizeilichen Maßnahmen wie Personalienfeststellung und -überprüfung seinen Weg fortsetzen. Die Ermittlungen gegen diese Person laufen dennoch."

Foto oben: Flickr / Patrick Tschudin / CC BY 2.0

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