Eine Pleite für den "Eurofaschismus"

Die rechtspopulistische Gruppe Pro Köln hatte in die Domstadt zu einem internationalen "Anti-Islamisierungskongress" eingeladen. Unter dem Druck von Zehntausenden Gegendemonstranten und den Sicherheitsbehörden geriet er zum Desaster

Von Christian Parth

Der Ruf nach Freiheit ist das Letzte, was man heute von Rechtsaußen hören kann. Doch das skandierte Wort verhallt auf einem gespenstisch leeren Heumarkt in Köln. Mario Borghezio von der Lega Nord, Stargast beim „Anti-Islamsierungskongress“, wird von seinen Kameraden von der Bühne geleitet. „Hier hat heute der Totalitarismus gegen die Freiheit gesiegt“, sagt der beleibte Italiener und formt mit seinen Fingern energisch das Victory-Zeichen.

In der Hand hält er wie eine Bibel das islamkritische Buch von Oriana Fallaci „Die Kraft der Vernunft“. Dann wird er aus Sicherheitsgründen in einen VW-Bus der Polizei gesetzt, der mit ihm schließlich über die Deutzer Brücke davonbraust.

Das Ende des von der Bürgerbewegung Pro Köln veranstalteten „Anti-Islamsierungskongresses“ kommt am Samstag ziemlich abrupt. Schon 45 Minuten nach Beginn erhält Manfred Rouhs die Nachricht von der Polizei, dass die Veranstaltung nun untersagt werden müsse. Gerade noch frohlockte der Fraktionsgeschäftsführer der Rechtspopulisten beim Anblick eines Flugzeugs, das ein Pro-Köln-Banner über den Himmel zog, über die Lufthoheit seiner Bewegung und dem Mut des Piloten, der sich nicht habe einschüchtern lassen. Doch nun heißt es plötzlich seitens der Polizei, die weitere Durchführung des Kongresses sei nur mit einem massiven Aufgebot möglich.

Am Flughafen stecken zu diesem Zeitpunkt schon seit Stunden rund 150 Kongress-Teilnehmer von der FPÖ und Vlaams Belang fest. Doch laut Polizei hatte Pro Köln nicht bekanntgegeben, welche Route die Delegationen aus Österreich und Belgien zur Bühne in der Kölner Altstadt nehmen wolle. Eine Sicherheit könne so nicht mehr gewährleistet werden. Und so endet der Kongress, bevor er überhaupt richtig starten konnte um 12:45 Uhr.

Vermutlich wird in den nächsten Tagen über das Thema der Meinungsfreiheit in Deutschland diskutiert werden: Denn die Veranstalter sind überaus empört über das überraschende Verbot. Rouhs spricht von einer Willkür des Staates, von Faschismus und kündigt Klage beim Verwaltungsgericht an. Sollte er dort Recht bekommen, wolle er den Kongress erneut durchziehen.

"Die sind nicht gegen eine Moschee, sondern gegen Türken"

Das debakulöse Ende des von Pro Köln vollmundig angekündigten Events wird von den Gegendemonstranten natürlich als Sieg gefeiert. Schon um neun Uhr trafen sich Gewerkschaften, Kirchenvertreter, Schwul-Lesbische Verbände und einige Parteien vor dem Dom. Die Musik kam zu früher Stund‘ von den Karnevalsikonen der Tommy-Engel-Band. Kabarettist Heinrich Pachl erinnerte in seinem humoristischen Vortrag noch einmal an den gestrigen Tag, als Pro Köln stundenlang auf dem Schiff „Moby Dick“ ausharren musste, weil die Behörden ihr die Rückkehr an Land verweigerte.

Und Bürgermeister Fritz Schramma sprach am Dom vor mehreren tausend Demonstranten von „braunen Brandstiftern“ und wies „der verfaulten Clique des Eurofaschismus“ symbolisch den Ausgang aus der Stadt. Gleichwohl habe er Verständnis für die Sorgen der Bürger, wenn sie etwa den Bau einer Moschee hinterfragten und sich vor islamistischen Tendenzen fürchteten.

Auch Vertreter der Ditib waren anwesend, die jene Moschee bauen wird, die in der Stadt einen jahrelangen Disput ausgelöst hatte. „Diesen Leuten geht es aber nicht um die Moschee, sondern es geht gegen die Türken“, sagt Bekir Alboga, Dialogbeauftragter der Ditib. Aber mit großer Besorgnis stelle er fest, wie anti-islamische Tendenzen stetig wüchsen. Er sei in Schulen unterwegs gewesen, wo bereits Schüler und Lehrer von dem „Virus dieser Ideologie“ befallen seien.

Vor der großen Masse am Dom wollten sich Ditib-Leute aber nicht äußern. Sie folgten lieber anonym dem mächtigen Demonstrationsstrom rüber Richtung Heumarkt, wo er sämtliche Gassen blockierte, die zum Verkündungsort der Rechten führten. Und wer die Blockade passieren wollte, musste schnell lernen, dass die Antifaschisten es mit der Freiheits bisweilen nicht so genau nehmen. Von Journalisten verlangten sie etwa die Presseausweise. Wer sich weigerte, das Dokument zu zeigen, musste sich auch rustikalere Äußerungen gefallen lassen. Interessierte, die sich selbst ein Bild machen wollten, befehligten sie ohne große Diskussion zurück ins Glied. Auch von Übergriffen gegen einzelne Personen wird hinerher berichtet.

Die Gegenseite befindet sich zu dieser Zeit schon in einer Art Schockstarre. Manfred Rouhs wettert gegen die Aktionen der Gegenseite und spricht immer wieder von einer „Niederlage der Demokratie“. Trotzdem ist er bemüht, ein seriöses Gesicht zu wahren. Mutig klettert er auf die Bühne, um vor einem Transparent mit der unglücklichen Formulierung „Stop Islam“ eine Rede vor einer Handvoll gelangweilter Neo-Nazis und Sympathisanten sowie Journalisten zu halten.

Er geißelt das Stadtbild in Ehrenfeld, wo die Ditib-Moschee bald entstehen soll. Hier dominierten bereits Döner-Läden und andere Geschäfte von Zuwanderern. Als er schließlich mit sichtlicher Freude Mario Borghezio ans Mikrofon holt, ist es allerdings schnell vorbei mit der rechtspopulistischen "Aufklärung" über die angebliche Islamsierung. Und Rouhs muss sich wie schon gestern Gedanken darüber machen, wie er und seine Leute möglichst unbeschadet den Platz verlassen können.

Gelernt haben alle in diesen zwei Tagen. Die Rechtspopulisten konnten spüren, dass Köln kein gutes Pflaster für sie ist. Liberale, islamkritische Geister dürften endgültig begriffen haben, dass Pro Köln keine politische Heimat für sie ist. Und die radikale Linke sollte gelernt haben, dass sie nicht all jene buchstäblich mit Füßen treten darf, die ihre zuweilen sehr eigene Auffassung von Toleranz nicht teilen.

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