Hermann Freudenberg, Gesellschafter der Unternehmensgruppe Freudenberg und Initiator der Freundenberg-Stiftung
Freudenberg

Ein wachsamer Förderer demokratischer Kultur

Hermann Freudenberg, Unternehmer aus Weinheim, kämpfte Zeit seines Lebens gegen Fremdenhass. Er starb am 15. November im Alter von 86 Jahren. Mit der Freudenberg-Stiftung hat er auch die Amadeu Antonio Stiftung und Belltower.news entscheidend gefördert.

Von Anetta Kahane

Hermann Freudenberg war das Gegenteil dessen, was ich mir früher unter einem kapitalistischen Unternehmer vorgestellt hatte. Das Geld verdiente er in großem Stil mit Vileda-Produkten und Autoteilen, er gab es aus für die Förderung der Demokratie. Ohne ihn gäbe es die Amadeu Antonio Stiftung nicht.

Hermann Freudenberg wurde 1924 in Berlin geboren. Er wuchs in Dahlem auf, wo sein Vater nach Hitlers Machtergreifung für und mit der kleinen Gemeinde der Bekennenden Kirche lebte und arbeitete, zu der auch Martin Niemöller und Helmut Gollwitzer gehörten. Seine Mutter war Jüdin und doch Protestantin im allerbesten Sinne. 1939 musste die Familie über England in die Schweiz emigrieren.

Als Hermann Freudenberg nach Deutschland zurückkam, baute er eine Gerberei in Familienbesitz zu einem modernen Unternehmen um. Doch bis zu seinem Tod am 15. November 2010 fragte sich Hermann Freudenberg, warum gerade die gebildete deutsche Elite den Mord an den Juden hatte zulassen können. Obwohl die Dahlemer Gruppe einige von ihnen versteckt hatte, war Freudenberg die Bekennende Kirche in ihrer Haltung zu den Juden nicht deutlich genug gewesen.

Als ich nach der Maueröffnung, einer Einladung der Freudenberg-Stiftung folgend, zum ersten Mal weit in den Westen fuhr – nach Weinheim an der Bergstraße –, war ich trotz aller kritischen Haltung gegenüber der DDR skeptisch, was mich und meine Kollegen vom Runden Tisch für Ausländerfragen dort erwarten würde. Freudenberg – ein Unternehmen, eine Stiftung, ein Unternehmer. Hermann Freudenberg begrüßte uns in dem Haus mit der schönsten Gartenanlage, die ich jemals sah, um mit einer Gruppe aus Ost und West über die Lage der Ausländer in der DDR zu sprechen, und über den enormen Fremdenhass, der sich bereits abzeichnete. Er folgte den Gesprächen mit großer Kenntnis, Interesse, Neugier und jener ungewöhnlichen Wärme, die mich seither begleitet hat.

Wichtiger aber war, dass mit seiner Hilfe und Inspiration Hunderte Projekte ins Leben kamen. Im Westen wie im Osten. Immer ging es um Bildung, Schule, um Humanisierung des Alltags, besonders für Einwanderer, Minderheiten und Flüchtlinge. Er fragte: „Was genau kann man da tun?“ Der Rechtsextremismus besorgte ihn, als sonst noch niemand davon hören mochte. Er diskutierte aufmerksam unsere Ideen, die einer wachsenden Familie von Menschen, die sich ermutigt sahen, dort zu arbeiten, wo die Wunden der deutschen Geschichte am deutlichsten sind.

Im Jüdischen spricht man das Kaddisch, wenn ein Mensch stirbt, doch ist es kein Totengebet. Es ist die Preisung des Lebens und des Großen Lehrers, wer immer das sein mag für Christen, Juden, Moslems oder Atheisten. Hermann Freudenberg war Sentimentalität verhasst; sie enthielt für ihn zu wenig Wahrheit. Weil aber jede Trauerrede etwas davon hat und doch dem Verlust nicht gerecht werden kann, ist das Kaddisch gerade richtig.

Vielleicht war es sein Start ins Leben mitten hinein in die Bekennende Kirche, deren Widerstand womöglich gut war, aber nicht gut genug, die ihn zu dem machte, was er bis zum Ende blieb. Er wollte so sein, wie eine ganze Generation von Deutschen hätte sein sollen. Nichts weniger, und das in aller Bescheidenheit.

Der Text erschien am 29.11.2010 in der Frankfurter Rundschau. Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Mehr im Internet:

| Hermann Freudenberg verstorben (Pressemitteilung Freudenberg-Gruppe)

| www.freudenbergstiftung.de

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