Antisemitismus hat in der Dortmunder rechtsextremen Szene unrühmliche Tradition. Nun wurde ein junger jüdischer Mann mehrfach angegriffen, der sich nicht einschüchtern lassen will.
Von Roland Kaufhold
Inzwischen muss man sagen: Diese Angriffe gegen einen 26-jährigen Juden in Dortmund kamen nicht überraschend. Der Boden hierfür ist seit mehreren Jahren bereitet worden. Innerhalb von drei Tagen kam es in Dortmund gleich zu drei antisemitischen Beleidigungen und tätlichen Angriffen gegen einen 26-jährigen Juden aus Dortmund.
Begonnen hatte es am 21.6.2018: 30 Neonazis der Dortmunder Gruppierung „Die Rechte“ (nicht 70, wie diese auf ihrer Website geschrieben haben) hatten in der Dortmunder Innenstadt – Katharinentreppe, zentral unweit des Bahnhofs gelegen - eine „Mahnkundgebung“ für die in Bielefeld einsitzende Shoahleugnerin Ursula Haverbeck veranstaltet. Voraus gegangen waren in Dortmund in den vergangenen Tagen gleich mehrere Aktionen für die unverbesserliche Shoahleugnerin. Diese wurde im Mai 2018 zu zwei Jahren Haft verurteilt. Die Haftzeit dürfte sich noch erhöhen, da Haverbeck-Wetzel kürzlich erneut zu einer Haftstrafe von 14 Monaten verurteilt wurde.
Michael Brück: „Wenn wir dran sind, dann rechnen wir mit Euch ab.“
Auf der Neonazikundgebung wurden vier riesige Transparente gezeigt. Der Neonazi Michael Brück, ein ehemaliger Jurastudent und Dortmunder Stadtratsmitglied, hatte die vereinzelten Gegendemonstranten in seiner Rede öffentlich bedroht: „Schämt Euch. Wenn wir dran sind, dann rechnen wir mit Euch ab. Und jeder, der uns dann das Wort verbietet, wird danach gar nichts mehr zu sagen haben, weil er danach einer gerechten Strafe vor einem deutsches Gericht zugeführt wird.“ Der Dortmunder Filmemacher Marcus Arndt hat eine kurze filmische Dokumentation auf YouTube veröffentlicht (am Ende des Textes)
Brücks martialische Drohung blieb nicht folgenlos. Bereits während der Neonazikundgebung wurde ein 26-jähriger jüdischer Mann aus Dortmund von einem 21-jährigen Neonazi aus Schwelm antisemitisch beleidigt und gestoßen. Der angegriffene Jude soll gesagt haben, dass er sich nicht einschüchtern lasse. Die anwesende Polizei schritt ein und nahm die Personalien auf.
Bei dem 21-jährigen soll es sich um Robin Z. handeln. Auf seiner Facebookseite hat er ein Foto eines massiven körperlichen Angriffs gepostet mit der Beschriftung „Good night leftside“. Als Steckbrief postet er „Frei, sozial, national“.
Drei Tage später wurde der 26-jährige Jude bei einem zufälligen mittäglichen Zusammentreffen in Dortmund-Marten erneut von dem 21-Jährigen sowie von zwei weiteren polizeibekannten Dortmunder Neonazis (23 und 30 J.) mit antisemitischen Parolen beleidigt und mit einem Faustschlag gegen den Kopf attackiert. Der Angegriffene habe den Faustschlag abwehren können teilte die Polizei mit; inzwischen hat sie auch die Namen der Angreifer festgestellt. Sechs Stunden später traf der 21-jährige Neonazi gemeinsam mit einem weiteren, bisher unbekannt gebliebenen Neonazis im gleichen Stadtteil erneut auf den jungen jüdischen Mann. Der 21-Jährige zeigte mehrfach den Hitlergruß, der andere Neonazi erwiderte diesen, auch gegenüber dem erneut attackierten Dortmunder Juden. Das Opfer wurde erneut antisemitisch beleidigt, bedroht und mit einem Feuerzeug beworfen, teilte die Polizei in einer Pressemitteilung mit. Die Polizei bittet Zeugen der drei Angriffe, sich zu melden.
Vielfältige antisemitische Botschaften
Antisemitische Bedrohungen sind in Dortmund seit Jahren gelebte Praxis. Gedenkveranstaltungen der Jüdischen Gemeinde an die Shoah wurden durch Neonazis, darunter auch Brück, mehrfach gezielt gestört, so auch am Dortmund-Dorstfelder Mahnmal; das Andenken an die Ermordeten wurde gezielt besudelt (vgl. YouTube)
Auch die Jüdische Gemeinde Dortmunds beklagt seit Jahren den massiven Antisemitismus in Dortmund. Anfang 2017 kam es bei einem Spiel zwischen Dortmund und Leipzig zu antisemitischen Schmähungen, acht Monate später wurde die Skulptur von zwei jüdischen Sportlern vor dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund gezielt zerstört, darunter die Skulptur des Boxers Erich Seelig (1909-1984) von Tennis Borussia Berlin, 1933 Deutscher Meister im Halbschwergewicht (vgl. Jüdische Allgemeine). Einen Monat später wurde Seelig am Vorabend eines Kampfes von der SA antisemitisch bedroht. Die Boxlegende floh nach Paris und von dort in die USA.
Erstmals öffentliches Fest der Jüdischen Gemeinde abgesagt
Mitte Dezember 2017 sagte die Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen aus Sicherheitsgründen ihre Feier mit dem öffentlichen Lichterzünden ab, erstmals seit 1945 (vgl. Rheinische Post). Und Ende 2017 hielt Brück für „Die Rechte“ im Dortmunder Stadtrat eine antisemitische Rede; Brück und sein Gefolge auf der Rathaustribüne wurden von Dortmunds Oberbürgermeister des Saales verwiesen.
In diesem Jahr setzten sich die antisemitischen, bewusst Angst evozierenden öffentlichen Inszenierungen von Dortmunds „Die Rechte“ in noch verschärftem Ausmaß fort: Im April 2018 marschierten 600 Neonazis mit antisemitischen und gewaltauffordernden Losungen zum „Straßenkampf“ durch das Zentrum Dortmunds (vgl. Blick nach rechts)
Auf der Bühne prangte, weithin sichtbar, ein überdimensionales Transparent mit dem Konterfei der ehemaligen iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad und dem zur Handlung auffordernden Schriftzug „The world without Zionism“. Vor dem Transparent traten u.a. die Dortmunder Brück und Sascha Krolzig als Redner auf. Krolzig war im Februar 2018 wegen Beleidigung und Volksverhetzung zu sechs Monaten Haft verurteilt worden (vgl. Störungsmelder)
Im Mai 2018, anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung Israels, inszenierten die Dortmunder Neonazis unter der Losung „Der Staat Israel ist unser Unglück“ – eine billige Abwandlung einer Parole des Antisemiten Treitschke – ihren Vernichtungswunsch öffentlich und ungestraft (vgl. BTN)
Nun ist die in Dortmund immer wieder öffentlich in Szene gesetzte Botschaft an die jungen Neonazis gleich dreimal hintereinander in die Tat umgesetzt worden. Opfer war ein junger jüdischer Bürger Dortmunds, der nicht bereits war, sich einschüchtern zu lassen.