Die SSS - Image ist alles

Sachsens Innenminister hat die militante Nazigruppe Skinheads Sächsische Schweiz verboten.

Von Heike Kleffner

Der Hamburger Sturm ist es, Blood & Honour ist es, und die NPD könnte es auch bald sein: eine vom Staat verbotene rechtsextreme Organisation. Vorige Woche traf es die Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). Am Donnerstag hat der sächsische Innenminister Klaus Hardraht (CDU) die Neonazigruppierung verboten. Da “sich Zweck und Tätigkeit der SSS gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten”, so Hardrath, seien die Voraussetzungen für ein Verbot nach dem Vereinsgesetz erfüllt.

Auch der Nationale Widerstand Pirna (NWP), der als Nachfolgeorganisation der SSS gilt, wurde verboten. “Wir sind an der Szene dran und werden alle Neugründungsversuche unterbinden”, beeilte sich Hardraht zu versichern. Der NWP war erstmals zu Jahresbeginn auf der Bildfläche erschienen, kurz zuvor hatte die SSS via Internet ihre Auflösung bekannt gegeben, um das Verbot zu umgehen. Damals schon ermittelte die Dresdner Staatsanwaltschft zur Vorbereitung des Verbots gegen 65 SSS-Glatzen nach Paragraf 129 StGB. Nun habe man gegen sechs Männer Anklage wegen der “Bildung einer kriminellen Vereinigung erhoben”, erklärte Claus Bogner, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft, am Donnerstag.

Das Ermittlungsverfahren war allerdings schon im vergangenen Jahr eingeleitet worden. Im Juni 2000 hatten rund 200 Beamte des sächsischen Landeskriminalamtes die Wohnungen von Neonazis in Städten und Gemeinden südöstlich von Dresden durchsucht; Polizeibeamte aus der Region waren von der Aktion weder vorher informiert worden, noch waren sie an den Durchsuchungen beteiligt. Zu eng sind die Verbindungen zwischen der Bevölkerung und den Neonazis.

So wundert es kaum, dass sich die Pirnaer Polizeidirektion zunächst überrascht gab, als bekannt wurde, dass bei den Razzien neben der üblichen Nazi-Propaganda über zwei Kilogramm Sprengstoff sowie Granaten, Gewehre, Pistolen und scharfe Zündvorrichtungen gefunden worden waren. Schließlich habe man sich nur wenige Monate zuvor mit den Anführern der SSS an einen Tisch gesetzt, wo diese versprachen, sich an die Gesetze zu halten.

AnitifaschstInnen kritisierten die polizeilichen Maßnahmen deswegen zu Recht als Imagepflege. So konnte die rund 120 Mitglieder zählende Neonazi-Gruppe ihre Aktivitäten auch nach der Polizeiaktion fortsetzen; noch im Dezember organisierte sie eine Wintersonnwendfeier in Sachsen mit 250 Teilnehmern.

Derartige Veranstaltungen beweisen den hohen Organisationsgrad der Gruppe. Seit ihrer Gründung 1997 durch ehemalige Mitglieder der verbotenen Wiking-Jugend konnte sie “über Jahre ungestört eine rechte Hegemonie in der Region aufbauen”, sagt der PDS-Landtagsabgeordnete Falk Neubert. Nicht zuletzt “weil sie teilweise auf schweigende Zustimmung und auf Rückhalt in den Dorfgemeinschaften bauen konnte”.

In Pirna zum Beispiel, der größten Stadt der Region, war SSS-Gründer Thomas Sattelberg als Sozialarbeiter bei der Arbeiterwohlfahrt angestellt, ein weiteres SSS-Mitglied arbeitete bei der örtlichen Sparkasse. Viele SSSler sind Söhne von Kaufleuten, von Polizei- und Justizbeamten oder von Kommunalpolitikern. So fand das LKA bei der Razzia im Juni ausgerechnet auf dem Grundstück eines Gemeinderatsmitglieds des Dorfes Kleingießhübel den Sprengstoff. Der 46jährige Michael Jacobi und seine beiden 18 und 21 Jahre alten Söhne wurden daraufhin in Untersuchungshaft genommen.

Nach einer zweiten Razzia im September begann die Staatsanwaltschaft Dresden auch gegen den 33jährigen Uwe Leichsenring aus Königstein wegen “Unterstützung einer kriminellen Vereinigung” zu ermitteln. Leichsenring ist NPD-Kreisgeschäftsführer der Sächsischen Schweiz und war bei den Kommunalwahlen mit 11,8 Prozent ins Stadtparlament gewählt worden. Nach der letzten Bundestagswahl hatte er sich in einem Brief bei “den Kameraden der SSS und der SSS/AO für die hervorragende Absicherung unserer Veranstaltungen und Infotische” bedankt.

Die SSS hat sich in der Vergangenheit jedoch nicht nur als Saalschutz der NPD hervorgetan. In vielen Städten und Gemeinden war die Gruppierung maßgeblich für den Terror gegen Ausländer und Nicht-Rechte verantwortlich - oft unter den wohlwollenden Blicken der Polizei. “In den vergangenen Jahren ist unser Geschäft siebenmal von Rechten angegriffen worden”, sagt etwa die 19 jährige Recep Sendilmen, deren Familie vor knapp zwei Jahren einen Imbiss-Stand in der Fußgängerzone von Pirna eröffnet hatte. So versammelten sich im Februar letzten Jahres rund 70 Skinheads vor dem Antalya Grill. “Immer wieder schrien sie ihre Parolen 'Ausländer raus' und 'Scheißtürken'“, sagt Recep. “Wir haben die Polizei gerufen und gewartet.” Doch “die Polizei kam einfach nicht”.

Auch am 4. November 2000, als eine größere Gruppe Skinheads am Rande einer Demonstration gegen Rechts vor den Imbiss gezogen war, hielt sich die Polizei im Hintergrund. “Als ich die Glatzen wieder vor unserem Laden sah, waren meine Nerven am Ende”, sagt die 47jährige Selda Sendilmen. Mit einem Axtstiel sei sie “vor die Tür gegangen, um die zu vertreiben”, berichtet sie. Ihre Tochter zeigt einen Artikel aus der Pirnaer Rundschau. Darin wird behauptet, Selda Sendlimen sei mit “einem Dönermesser” auf die Anhänger der rechten Szene losgerannt. Noch immer läuft ein Ermittlungsverfahren gegen Frau Sendilmen.

Es versteht sich fast von selbst, dass zumindest die örtlichen Behörden bisher gegen keinen der Angreifer ermittelt haben. Pirna schützt seine Nazis, da helfen auch keine Verbote. Denn “solange Rechtsextreme Rückhalt in der Bevölkerung finden”, sagt etwa Markus Richter, der Sprecher der Pirnaer Aktion Zivilcourage, “wird sich im Alltag kaum etwas ändern.” Vielmehr befürchtet er, mit dem Verbot der SSS würden “die Themen Rechtsextremismus und Rassismus eher unter den Teppich gekehrt”.

Der Text stammt aus der Wochenzeitung Jungle World vom 11. April 2001

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