Zwischen neuer Nettigkeit und Hitler-Nostalgie

Die NPD bemüht sich bei ihrem Parteitag um ein neues Image. Doch so einfach lässt sich das braune Wesen der Partei nicht übertünchen.

Von Toralf Staud

Freundlich und sympathisch möchte sich die NPD geben, deshalb hängt auf der Bühne des Bundesparteitag in der Kongresshalle von Bamberg auch das riesige Foto einer jungen Frau auf grüner Wiese. Zum traditionellen Einmarsch der Parteiführung hinter Fahnenträgern am Samstagmittag gab es keine Blaskapelle, sondern fast poppige Marschmusik. Aber dann, gleich im ersten Satz, wurde wieder klar, was die NPD für eine Partei ist: Der Chef des Bamberger Kreisverbandes begrüßte die mehr als 200 Delegierten „in einer der schönsten – weil vom alliierten Bombenterror verschonten – Stadt Deutschlands“.

„Sozial geht nur national“ ist das Motto des Parteitags und einer neuen Propaganda-Offensive der NPD. Auf den Info-Tischen der NPD-Landtagsfraktionen aus Dresden und Schwerin liegen Flugblätter zu Hartz IV, gegen Gentechnik und das Rauchverbot in Eckkneipen. Aber bei allem Mühen um Modernität kommt die Partei einfach nicht los von Geschichtsrelativierung und Hitler-Nostalgie – nicht weit vom aktuellen Werbematerial liegen am Stand des Parteiverlags Deutsche Stimme Wehrmachtsbücher mit Titeln wie „Unverwundbarer Ruhm“ oder die Memoiren des Kriegsveteranen Hajo Herrmann als Hörbuch.

Im Moment hat es die NPD besonders nötig, die „großen Traditionen“ und den „Kampfgeist“ „unseres Volkes“ zu beschwören, denn nach einer mehrjährigen Erfolgsphase seit Amtsantritt von Parteichef Udo Voigt 1996 geht es der Partei derzeit nicht besonders gut. Erst letzte Woche verlor die Partei einen Prozess gegen die Bundestagsverwaltung, die nach Mauscheleien im Landesverband Thüringen staatliche Gelder von fast 900.000 Euro einbehalten hatte. Bei den letzten beiden Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen blieben die Ergebnisse mit 0,9 bzw. 1,5 Prozent unter den eigenen Erwartungen. Hinzu kommt, dass Schatzmeister Erwin Kemna seit Monaten in Untersuchungshaft sitzt – die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, mehr als eine halbe Million Euro Parteigelder veruntreut zu haben.

In seiner mehr als einstündigen Rede beschwor deshalb Voigt den Zusammenhalt der Partei – und erklärte alle ihre Schwierigkeiten durch „Angriffe des Staates“ oder die Anwesenheit von US-Besatzungstruppen in Deutschland, das Wirken von V-Leuten des Verfassungsschutzes in der NPD oder die „Feindpropaganda“ der Medien. Trotzdem wurde in Bamberg – erstmals seit vielen Jahren – die Presse für die gesamte Dauer eines Parteitages in den Saal gelassen; lediglich einzelnen, besonders unliebsamen Journalisten verweigerte die NPD den Zutritt. Parteisprecher Klaus Beier sagte, man wolle damit Transparenz und Offenheit signalisieren. Hübscher Nebeneffekt für die Parteiführung: Vor der versammelten „Medienmafia“ werden sich Kritiker am Kurs von Udo Voigt weniger lautstark zu Wort melden – wenn überhaupt.

Mit Verweis auf die anwesenden Journalisten blieb denn auch der Finanzbericht wenig konkret. „Aus Daten- und Kameradenschutz“, hieß es, wolle man keine detaillierten Zahlen und auch keine Namen von Darlehensgebern nennen. Über Jahre war es bei der NPD üblich, dass vermögende Gönner ihr Geld borgten, sich aus Sorge um ihren Ruf aber hinter Treuhändern versteckten und das Geld oft in bar und – wie Voigt sagte – „bei Treffen an Autobahnraststätten“ übergeben wurde.

Zwar stellte sich Udo Voigt ausdrücklich hinter seinen „Freund“ Erwin Kemna. Aber ganz offensichtlich weiß die Partei selbst noch nicht, ob die kreative Buchführung ihres Schatzmeisters wirklich zu ihrem Vorteil geschah oder er wirklich – wie die Staatsanwaltschaft meint – Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet hat. Die gesamten Finanzakten befänden sich, so klagte der Ersatz-Schatzmeister Stefan Köster in seinem Rechenschaftsbericht, nach wie vor bei der nordrhein-westfälischen Polizei, die bei ihrer Durchsuchung der Parteizentrale auch gleich sämtliche Computer, den Schriftverkehr des Parteichefs und alle Adresslisten von Mitgliedern und Interessenten mitgenommen habe.

Der Streit um die Finanzen schaukelte sich schließlich zum einzig brisanten Moment des Parteitages hoch: Udo Pastörs, NPD-Fraktionschef im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, rannte zum Rednerpult, die rechte Hand hoch erhoben, seine Brille wild herumwirbelnd, und empörte sich über das Finanzgebaren des Schatzmeisters. Unter dem Applaus des halben Saales fragte er, wer im Vorstand denn noch dafür Verantwortung trage, dass „Hunderttausende von Euro hin- und hergeschoben werden können“. Das war natürlich ein Frontalangriff auf Udo Voigt, gegen den zu kandidieren Pastörs im Vorfeld des Parteitags angekündigt hatte.

Der Hamburger Anwalt und Millionär Jürgen Rieger sprang dem Vorsitzenden bei und hielt Pastörs vor, das sei aber eben ein „absolut populistischer Beitrag“ gewesen“ – ein eigenwilliger Vorhalt in einer Partei, die stets auf populistische Propaganda setzt. Die beiden verhakelten sich in ein Wortgefecht, bis irgendwann ein Delegierter gar den Abbruch des Parteitags ins Spiel brachte. Man einigte sich, wegen der finanziellen Unregelmäßigkeiten den amtierenden Vorstand erstmal nicht zu entlasten – aber trotzdem einen neuen zu wählen.

Zur Vorsitzendenwahl trat letztlich doch allein der Amtsinhaber an – alle fünf anderen Kandidaten und auch Udo Pastörs zogen in letzter Minute ihre Kandidatur zurück. Udo Voigt erhielt am Ende 199 von 223 abgegebenen Stimmen. Die NPD ist zwar pleite. Aber deshalb stürzt sie noch lange nicht ihren Vorsitzenden – denn schließlich sind an der Finanzmisere genau wie an allen sonstigen Schwierigkeiten „die anderen“ schuld.

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