„Damit ich etwas hinterlasse“ – Stolpersteinverlegung für die Schwestern Elsbeth und Charlotte Friedlaender

Im November 1941 deportierten die Nationalsozialisten die Schwestern Elsbeth und Charlotte Friedlaender . Zwei „Stolpersteine“ erinnern seit dem 17. März an das traurige Schicksal der Frauen.

Von Hannah Frühauf

„Aus dem Leben gerissen“, das sei eine treffende Beschreibung für das Schicksal vieler Juden im Zweiten Weltkrieg, sagt Marc Iven. Er ist Miteigentümer der „Autorenbuchhandlung“ in Berlin-Charlottenburg. Aus dem Leben gerissen wurden etwa die Schwestern Elsbeth und Charlotte Friedlaender denn sie wurden im November 1941 von den Nationalsozialisten abgeholt, direkt aus ihrer Wohnung in der Berliner Camerstraße 10. Die Nazis deportierten die Schwestern in ein Ghetto nach Minsk. Dort verlieren sich ihre Spuren. Heute befindet sich in der Camerstraße 10 die „Autorenbuchhandlung“ – und deren Besitzer sowie weitere Anwohner sorgen nun dafür, dass die Friedlaender-Schwestern nicht in Vergessenheit geraten.

Dabei kooperieren sie mit einem Künstler, der ein Spezialist ist für die Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialisten im Alltag. Am 17. März verlegt der Künstler Gunter Demnig zwei „Stolpersteine“ für die beiden Schwestern. Er setzt die kleinen goldenen Steine in den Boden vor das Haus, in dem die Schwestern lebten. Als besonderer Gast ist Emmanuel Nahshon dabei, der Gesandte der Botschaft des Staates Israel in Berlin. Er hält eine Rede in Gedenken an die beiden Frauen.

Das genaue Schicksal der Schwestern ist unklar

Wenige Details sind über Leben und Schicksal der Schwestern bekannt – diese Lücke versuchen die Organisatoren der Verlegung mit der Lesung einiger ausgewählter Gedichte zu füllen. Die Lesung findet im Anschluss der Verlegung in der „Autorenbuchhandlung“ statt. Gerührt und gespannt hören sich die zahlreich erschienenen Besucher die Gedichte an. Hatten die Schwestern „goldenes“ oder „aschenes“ Haar wie Margarete oder Sulamith aus Paul Celans „Todesfuge“? Und schrieben sie vielleicht während ihrer Gefangenschaft auch heimlich Briefe wie „Lilja“ aus dem Gedicht von Sarah Kirsch?

Einer der Besucher hatte eine ganz besondere Verbindung zu der Veranstaltung. Als er zwölf Jahre alt war, wurde sein Vater aus der Kreutzigerstraße in Berlin-Friedrichshain deportiert. In Gedenken an diesen möchte er dort auch einen „Stolperstein“ verlegen lassen. „Damit ich etwas hinterlasse“ antwortet er auf die Frage, was die Verlegung des Steins für ihn bedeute. Seine Augen füllen sich mit Tränen und er fügt hinzu: „Immer wenn ich in der Philharmonie Anton Bruckner höre, denke ich ganz fest an meinen Vater. Das war sein Lieblingskomponist.“

Keine Routine für den Künstler

Solche Geschichten sind es, die den Künstler Gunter Demnig bewegen, seit den 1990er Jahren „Stolpersteine“ zu verlegen. „Und die Verlegung der Steine ist nie eine Routine für mich - jede Verlegung bedeutet eine neue Situation und die Konfrontation mit einzigartigen Schicksalen“, so Demnig. Der Kölner Künstler möchte mit der Verlegung von „Stolpersteinen“ an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Die „Stolpersteine“ enthalten die biographischen Eckdaten einzelner Personen. Ihr Name, ihr Geburtsjahr, das Datum ihrer Deportation oder der Ort ihrer Ermordung werden in eine Messingplatte eingraviert und von Demnig in den Boden gesetzt. Die Steine werden meist dort verlegt, wo die Menschen gelebt oder gearbeitet haben, bevor sie deportiert beziehungsweise ermordet wurden. Diese Art der Erinnerung ist gefragt. Allein in Berlin beträgt die Wartezeit für die Verlegung eines „Stolpersteins“ bis zu zwei Jahre. Trotz der starken Nachfrage verlegt der Künstler 95 Prozent der Steine persönlich. Es gibt aber auch Ausnahmen. Zum Beispiel überließ er es den Auszubildenden einer Schule für Pflasterer in Bielefeld, „ihre“ Stolpersteine selbst zu verlegen, erzählt Demnig.

Nach etwa einer Stunde löst sich die Veranstaltung auf, die Besucher machen sich nachdenklich auf den Heimweg – zurück blieben zwei kleine glänzende Steine und erinnern daran, dass Elsbeth und Charlotte Friedlaender hier vor 70 Jahren mitten in Berlin im Alter von 52 und 56 Jahren aus dem Leben gerissen wurden.

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