Nach einem verheerenden Brand in Plauen kurz vor Silvester, bei dem Frauen und Kleinkinder lebensbedrohlich verletzt wurden, gab es möglicherweise einen weiteren Brandanschlag. Doch von Antiziganismus und Rassismus will kaum einer sprechen.
Von Kira Ayyadi
Nach dem verheerenden Brandanschlag am 29.Dezember kamen viele der in dem Haus lebenden Roma-Familien in einer Notunterkunft unter. Auf diese Unterkunft gab es möglicherweise einen erneuten Anschlag, von Nachbarn, welche die Roma-Familien am liebsten brennen sehen wollen.
Der Brand 29. Dezember
Bei dem ersten Brandanschlag kurz vor Silvester, wurden 19 Menschen verletzt. Im Keller des Hauses wurde Feuer gelegt, das in der Folge so stark wütete, dass das Gebäude nun unbewohnbar ist. Vor allem Roma-Familien aus der Slowakei und Rumänien lebten hier . Bei dem Feuer erlitten eine Frau und ihr zweijähriger Sohn derart schwere Verbrennungen dass sie „entstellt“ worden sind.
„Lasst die verbrennen“-Rufe
Während zwei zufällig anwesende Schüler (18 und 19 Jahre alt), weitere Plauener und Rettungskräfte alles taten, um die Menschen aus dem brennenden Haus zu befreien, hatten die Gaffer auf der anderen Straßenseite andere Sorgen. „Lasst die verbrennen“ sollen sie, in Begleitung von „Sieg Heil“-Rufen, mehrfach gefordert haben. Gegen zwei der Rassisten wird nun ermittelt, unter anderem da sie auf einen Polizeibeamten losgegangen sind.
Das Motiv: Beziehungstat oder niedere Beweggründe?
Von offizieller Seite heißt es, dass ein 35-jähriger Deutscher, der bis Oktober 2017 selbst in dem Haus gewohnt hat, tatverdächtig sei, den Brand gelegt zu haben. Der Grund soll ein Streit mit seinem ehemaligen Vermieter gewesen sein. Der Beschuldigte sitzt derweil in Untersuchungshaft. Während die offizielle Version also lautet, es handele sich um eine Beziehungstat eines Einzelnen, die keinen rassistischen und antiziganistischen Hintergrund hat, sprechen die ehemaligen Hausbewohner von mehreren Täter_innen, wie Kathrin Krahl, Mitarbeiterin im Projekt „Romarespekt“, gegenüber Belltower.News berichtet.
Sie war am vergangenen Donnerstag, dem 11. Januar, vor Ort, um den Betroffenen Beistand zu leisten. Sie erzählt von zutiefst verängstigten und verstörten Menschen, die nicht mehr schlafen können. Nach dem großen Brand kamen Anwohner und klauten den Roma-Familien die letzten Habseligkeiten, die nicht verbrannt waren. „Das rassistische Umfeld in Plauen hat den betroffenen Roma-Familien also wortwörtlich noch das letzte Hemd geklaut“, so Krahl.
Versuchter Brandanschlag am 9. Januar?
Es ist wenig verwunderlich, dass sich die Roma und Romnija in Plauen nicht mehr sicher fühlen, besonders nach einem möglicherweise weiteren versuchten Brandanschlag auf eine Unterkunft am Dienstag, den 09. Januar: Im Keller eines Hauses, in dem viele Roma-Familien (hauptsächlich Frauen und Kinder) nach dem großen Brand vor Silvester untergebracht waren, hantierten drei Männer im Keller mit einer weißen Flasche. Als sie entdeckt wurden, seien sie weggelaufen.
Laut Ines Leonhardt, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Zwickau, gebe es hier keine Hinweise auf versuchte Brandstiftung. „Ein Ermittlungsverfahren wurde daher nicht eingeleitet.“ Dabei waren die Personen im Keller den Roma bereits im Umfeld des Brands am 29. Dezember aufgefallen. Leonhardt versicherte uns gegenüber, dass für beide Vorfälle Zeugen mit einem slowakischen Übersetzer vernommen wurden,aber:, „Für die Beteiligung mehrerer Personen an der Brandstiftung vom 29.12. gibt es derzeit keine konkreten Hinweise“. Der 35-jährige Tatverdächtige habe noch nicht gestanden, dennoch schließen die Ermittlungsbehörden eine antiziganistische Motivation aus. Auch in einer Presseerklärung der Stadt Plauen wird mit keinem Wort auf das rassistische und antiziganistische Umfeld eingegangen. Ganz zu Recht bedankt sich die Stadt jedoch bei den zahlreichen Bürger_innen die den Betroffenen helfen.
Eingeschüchterte Roma in Plauen
„Das wichtigste“, meint Kathrin Krahl, sei nun „Unterstützung für die Roma anzubieten, auch in den Muttersprachen, romanes, slowakisch und rumänisch.“ Außerdem müsse die Gesundheitsfürsorge aufrechterhalten werden und die Wohnungssituation dringend verbessert werden. Krahl erzählt von den unhaltbaren Zuständen unter denen die Roma untergebracht sind: „Diese Wohnungen, in denen die Betroffenen in Plauen leben, sind es nicht wert Wohnungen genannt zu werden.“ Krahl versteht nicht, wieso solche Unterkünfte überhaupt am Wohnungsmarkt angeboten werden . Besonders wegen des großen Wohnungsleerstand in Plauen – nahezu jede sechste Wohnung ist unbewohnt – sei es unverständlich, dass die Familien in solchen unzumutbaren Behausungen untergebracht sind.
Struktureller Antiziganismus in Plauen
Was auch immer bei den Ermittlungen herauskommen wird, die Vorfälle in Plauen zeigen einmal mehr den strukturellen Antiziganismus in unserer Gesellschaft. Warum haben überregionale Medien kaum über diesen Vorfall berichtet, bei dem sogar Kleinkinder lebensgefährlich verletzt wurden? Vielleicht weil sich das alles in einem sogenannten „Problemstadtteil“ ereignet? Dabei müsste es doch eigentlich irrelevant sein, in welchem Umfeld Rassismus geschieht. Sich auf äußere Umstände zu berufen, ist nichts Weiteres als Relativierung.
Das Umfeld, das seine Nachbarn verbrennen sehen will, muss als das bezeichnet werden was es ist: antiziganistisch und rassistisch. Die Vorfälle in Plauen zeigt einmal mehr extrem, aber exemplarisch, die Herabwürdigung, mit der viele Roma auch heute immer noch in Deutschland behandelt werden.
Titelbild: Flickr / Andreas Levers / CC BY-NC 2.0