Ausgezeichnet: DFB ehrt Konfliktmanagerin gegen Rassismus auf dem Fußballplatz

Wenn Rassismus auf dem Fußballplatz hervorbricht, brauchen Trainer und Spieler Unterstützung. Diese Hilfe bekommen sie von der Psychologin und Sportwissenschaftlerin Angelika Ribler, die bei der Sportjugend Hessen für mehr Miteinander aktiv ist. Sie hat mit ihrem Team inzwischen 14.000 Trainer, Spieler, Funktionäre und Eltern geschult hat und wurde dafür jetzt vom DFB mit dem Julius-Hirsch-Ehrenpreis ausgezeichnet.

Von Nevruz Karadas

Seit knapp zwei Jahrzehnten ist Angelika Ribler, Referentin für Jugend- und Sportpolitik bei der Sportjugend Hessen, im Kampf gegen Rechtsextremismus engagiert. Momentan tritt sie vor allem in ihren beiden Hauptprojekten für ein respektvolles Miteinander ein: „Interkulturelles Konfliktmanagement im Fußball“, das die Sportjugend in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Fußball-Verband (HFV) betreibt, und „Mobile Interventionsteams gegen Rechtsextremismus im Sport“. Für ihr Engagement wurde sie in der vergangenen Woche vom Deutschen Fußballbund (DFB) mit dem Julius-Hirsch-Ehrenpreis ausgezeichnet.

Mit Aufklärungsarbeit gegen rassistische Vorurteile aus der Mitte der Gesellschaft

„Seit ich im Geschichtsunterricht die ersten Berichte über den Holocaust gehört habe, wusste ich, dass ich zukünftig alles mir Mögliche unternehmen werde, damit solche menschenverachteten Ungerechtigkeiten nicht noch einmal eintreten“, sagt Ribler. Im Gespräch mit der Sportpolitik-Referentin wird schnell deutlich, dass für sie der Einsatz für den Abbau von rassistisch motivierten Konflikten im Sport und in der Gesellschaft eine Herzensangelegenheit ist. In ihrer Arbeit gegen Rechtsextremismus ist es Ribler wichtig, nicht nur gegen den offen nach außen getragenen Rechtsextremismus vorzugehen, sondern auch Konzepte zu entwickeln gegen die ablehnenden oder rassistischen Haltungen gegenüber MigrantInnen bei Personen, die nicht dem rechten Rand zuzuordnen sind. Aktuell zeige die Diskussion um Thilo Sarrazin, wie verbreitet rassistische Einstellungen auch in der Mitte der Gesellschaft seien, so Ribler im Interview – in etlichen vertraulichen Situationen musste sie sich bereits anhören, dass die rassistischen Äußerungen von NPD- Vertretern gar nicht so falsch seien. „Allerdings, und dies ist die positive Nachricht, kann die NPD die besorgniserregende Einstellung in der Mitte der Gesellschaft nicht in Wahlerfolge umsetzen“, konstatiert Ribler.

Für ein friedvolles Miteinander müssen alle reden: Spieler, Trainer, Eltern

Rassistischen Vorurteilen versucht Ribler unter anderem mit Bildungsarbeit entgegenzuwirken. So werden in den von ihr geführten oder koordinierten Schulungen nicht nur beteiligte Spieler, Fußballtrainer und Schiedsrichter, sondern auch die Eltern und ZuschauerInnen angesprochen. Im Rahmen des Projekts „Interkulturelles Konfliktmanagement im Fußball“ finden jedes Jahr rund 100 Veranstaltungen statt. Das Angebot reicht von Trainerschulungen zum Thema „Umgang mit interkulturellen Konflikten“ über soziale Trainings mit Jugendmannschaften bis zu Elternabenden. Bei diesen Begegnungen haben Menschen mit und ohne Migrationshintergrund die Möglichkeit, ihre Ängste und Erfahrungen auszusprechen und mit Hilfe von Mediatoren wie Angelika Ribler Lösungsansätze zu entwickeln.

Kam es bereits zu Konflikten, enden die Workshops meist mit einer schriftlichen Vereinbahrung der Beteiligten, in der sie festhalten, was sie im Umgang miteinander verbessern und für welche Ziele sie sich zukünftig einsetzen möchten. Nach der Auffassung der Sport-Referentin ist es bei der Annährung von Mehrheitsgesellschaft und ethnischen Minderheiten äußerst wichtig, dass die Sportvereine nach innen und außen artikulieren, dass rechtsextreme Einstellungen und rassistische Äußerungen in ihren Vereinen nicht erwünscht sind. Es gälte hingegen eine Kultur der Anerkennung von Vielfalt und Gleichwertigkeit zu fördern.

Harte Strafen von Sportgerichten für Spieler aus Migrantensportvereinen

Ein Punkt, an dem sich zu arbeiten lohnt, ist die relativ hohe Zahl der Sportgerichtsverurteilungen gegenüber Spielern mit Migrationshintergrund. Die Sportgerichte bräuchten in der Beurteilung und im Umgang mit interkulturellen Konflikten professionelle Unterstützung, betont Ribler. Vor allem im Umgang mit Migrantensportvereinen, die im HFV 5 Prozent der Fußballvereine ausmachen, seien die Sportgerichte oftmals überfordert – und nicht nur sie.

So werde die Selbstorganisation von Migranten in eigenen Vereinen von den oftmals Fußball-Funktionsträgern ohne Migrationshintergrund als Integrationsverweigerung und Ghettobildung bewertet. Darüber hinaus zeige eine Projektstudie, die in diesem Jahr durch Judith Scherer und Martin Winand vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld vorgenommen wurde, dass Spieler mit Migrationshintergrund a) überproportional häufig von den Sportgerichten verurteilt werden und b) für dasselbe Vergehen im Vergleich zu (herkunfts-)deutschen Spielern härter bestraft werden. Die Bewertung der Daten sei jedoch nicht so eindeutig, wie dies auf den ersten Blick erschiene, so Ribler. So könne man zum einen den Sportgerichten und Schiedsrichtern nicht einfach diskriminierendes oder gar rassistisches Verhalten vorwerfen und zum anderen die migrantischen Fußballer nicht einfach zu gewalttätigen Spielern abstempeln. Als ausgebildete Sportmediatorin versuche Ribler hingegen als „neutrale Dritte“ die unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten miteinander in Kontakt zu bringen und die Kommunikation miteinander und nicht übereinander zu fördern.

Sport ist nicht automatisch integrativ

Ribler weiß aus Erfahrung, dass die Kommunikation über die „interkulturellen“ Konflikte und ihre jeweilige Deutung die Stimmung auf dem Platz nochmals ordentlich anheizen kann. Spieler mit Migrationshintergrund reagieren aus Wut über tatsächliche oder so wahrgenommene Ungerechtigkeiten häufig mit Ablehnung und Aggressivität gegenüber deutschen Fußballer und Funktionär ohne Migrationshintergrund. Um diesen Teufelskreis zu unterbrechen, arbeitet Ribler mit Sportgerichten zusammen und trainiert die Verantwortlichen in ihrer interkulturellen Sensibilität: „Beide Seiten müssen lernen, offener aufeinander zuzugehen. Wenn Vorurteile und Vorverurteilungen auf dem Sportplatz nicht abnehmen, lässt die Integrationsfähigkeit des Sports nach“, sagt Angelika Ribler, „und das wäre eine Last für alle Sportbegeisterten.“ Der Schieflage auf dem Spielfeld kann mit Aufklärungsarbeit und Respekt begegnet werden - davon ist Ribler überzeugt.

DFB investiert in Integration

Dass es auf dem Sportplatz Nachholbedarf in puncto interkultureller Konfliktberatung gibt, hat auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erkannt. Deshalb würdigt der DFB mit dem Julius-Hirsch-Preis Personen, Initiativen und Vereine, die sich „beispielhaft und unübersehbar für die Unverletzbarkeit der Würde des Menschen und gegen Antisemitismus und Rassismus, für die Vielfalt aller Menschen und für Verständigung und gegen Ausgrenzung von Menschen“ einsetzen.
In diesem Jahr ist Angelika Ribler eine der PreisträgerInnen. In seiner Laudatio würdigte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Dr. Thomas Bach, das außergewöhnlich erfolgreiche und mutige Engagement von Angelika Ribler in ihrem Wirken gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Gewalt. Bis heute hat die engagierte Sportreferentin gemeinsam mit ihrem Team in Workshops 14.000 Trainer, Spieler und Schiedsrichter geschult. Auch die jährlich 120-140 jungen Menschen, die in den hessischen Sportvereinen ihr freiwilliges soziales Jahr absolvieren, sensibilisiert Angelika Ribler für die Gefahren, die durch Rechtsextreme in den Gemeinden und auch in Sportvereinen selbst entstehen.

Besondere Aufmerksamkeit und Würdigung durch Dr. Thomas Bach erfuhr zudem die Beratungstätigkeit von Angelika Ribler im Rahmen des Projektes „Mobile Interventionsteams gegen Rechtsextremismus im Sport“ der Sportjugend Hessen. Hier geht es um die Stärkung von Bürgerinitiativen und Sportvereinen in Gemeinden, in den Rechtsextreme ihr Unwesen treiben. Ein erfolgreicher Ansatz, um breite demokratische Bündnisse vor Ort zu schmieden, sind für Ribler Sport- und Kulturveranstaltungen, wie kürzlich in Echzell im Kreis Wetterau. „Wir haben uns über die große Resonanz gefreut, es kamen 900 Gäste zum unserem Festival unter dem Motto „Gemeinsam gegen Rechtsaußen“, resümiert Ribler. Das zivilgesellschaftliche Engagement im Wetterau-Kreis liegt der Sportwissenschaftlerin so am Herzen, dass sie das Preisgeld in Höhe von Euro 5000.- je zur Hälfte der Echzeller Bürgerinitiative „Grätsche gegen Rechtsaußen“ und der Antifaschistischen Bildungsinitiative e.V. zukommen lassen will. Sie selbst arbeitet derweil schon an neuen Projektideen für das kommende Jahr.

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| Fachbereich der Sportjugend Hessen gegen Rechtsextremismus
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