Logos der neonazistischen Bruderschaft "Brigade 8".
Screenshot vk.com

"Brigade 8" und "Midgards Wächter": Neonazis im Rocker-Style

Vergangene Woche veröffentlichte der Verfassungsschutz Schleswig-Holstein seinen Jahresbericht für 2013. Eine zentrale Erkenntnis: Neonazis kopieren zunehmend Verhaltensweisen und Codes der Rocker-Szene. Bereits im vergangenen Jahr wiesen lokale Beratungsstellen und antifaschistische Recherchegruppen auf diesen Trend hin. So wird die neonazistische Bruderschaft „Brigade 8“ von Schleswig aus geleitet. Die Nazi-Rocker von „Midgards Wächter“ haben ihr Clubhaus im nordfriesischen Langenhorn. Den Neonazis liegt der martialische Rocker-Style und die strengen Hierarchien der Motorradclubs. Sie treiben die Vernetzung in Norddeutschland voran.

Von Oscar Winter

Christian M. aus Schleswig ist ein umtriebiger Mann. Der Unternehmer vertreibt nicht nur Kleidung und besucht Nazi-Aufmärsche, er ist auch Präsident der Bruderschaft „Brigade 8“ – so nennt er sich jedenfalls selbst auf seinem Profil im „VK-Netzwerk“. Das Erscheinungsbild, das die Gruppe pflegt, ist eindeutig an die Rocker-Szene angelehnt. Es gibt eine Uniformierung durch Lederkutten, Aufnäher und martialische Logos. Letztere haben allerdings bei genauerem Hinsehen auch mit der Symbolik der rechten Szene viel gemein. Schon der Name „Brigade 8“, deren Kürzel sich Christian M. auf den Hals hat tätowieren lassen, nimmt eindeutig Bezug auf das  verbotene Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“. „28“ steht im Szenecode für „BH“, also den 2. und 8. Buchstaben im Alphabet. Vermischt man Ziffern und Buchstaben, erhält man „B8“ – wie auch auf M.s Hals zu lesen ist. Auch der Totenschädel, der das Logo von „Brigade 8“ ziert, weist große Ähnlichkeiten mit dem der „Waffen-SS“ auf.

„Ausbluten lassen die Sau…“

Die Kleidung, die Christian M. vertreibt, orientiert sich von der Machart her an gängigen Szenemarken. Viele der von ihm vertriebenen Produkte sind mit einem Totenkopf mit Stahlhelm und einem Galgenstrick bedruckt. Nachdem er zunächst bei der Marke „Nordic War Clothing & Streetwar Company“  auch „Brigade 8“-Merchandise bewarb, ist er mittlerweile vorsichtiger geworden – vielleicht in Folge der Veröffentlichungen über die Bruderschaft im vergangenen Jahr. Die Internetseite von „Nordic War Clothing“ ist mittlerweile inaktiv. Stattdessen vertreibt er nun die Marke „Kamikaze 187 Gangwear“ über die Firma „Colour Mafia Clothing & Streetwar Company“. Unter den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma wird aber nach wie vor „Nordic War Clothing“ genannt. Postings von Neonazis auf der Facebook-Seite der Firma zeigen, dass Christian M.s Vertrieb vor allem in der Neonazi-Szene seine festen Fans hat. Auch auf seinem eigenen Facebook-Profil zeigt Christian M. eindeutig, wessen Geistes Kind er ist. Neben antisemitischen Beschimpfungen gegen Marc Zuckerberg finden sich auch mehr oder minder unverhohlene Aufrufe zu Straftaten. Mit Bezug auf eine Öffentlichkeitsfahndung der Polizei wegen sexueller Nötigung einer Minderjährigen schreibt M. über den Täter: „Messer in den Hals und Ausbluten lassen die Sau...“. Inzwischen ist Christian M. für seinen Versand offenbar auf der Suche nach einem geeigneten Ladenlokal im Raum Schleswig.

Im Norden gut vernetzt

M. ist eigentlich kein Rocker. Bevor er 2012 auf der Neonazi-Demo „Tag der deutschen Zukunft“ in Hamburg erstmals mit Mitgliedern der Bruderschaft in Erscheinung trat, wurde im aus Antifa-Kreisen nachgesagt im Umfeld der Aktionsgruppe „Nationale Sozialisten Angeln“ aktiv gewesen zu sein. Diese bediente klassische Nazi-Themen, gedachte etwa dem Todestag von Rudolf Hess, oder forderte auf ihrer Internetseite: „Jetzt oder nie, Nationalen Sozialismus erkämpfen! Mit allen Mitteln.“ Dementsprechend ist es wenig überraschend, dass M. mit Mitgliedern lokaler Neonazi- Zusammenhänge gut vernetzt ist - zum Beispiel mit Maik M. Der ist ein wichtiger Akteur  der Neonazi-Szene aus Schleswig-Bollingstedt, und trat beispielsweise am 31.03.2012 bei einem von NPD und „Freien Nationalisten“ ausgerichteten Trauermarsch in Plön in Erscheinung. Darüber hinaus ist Maik M. mit NPD-Kadern wie Arne Kaehne aus Nordfriesland oder dem „TddZ“-Organisator Dieter Riefling aus Hildesheim gut verknüpft.

Gauleiter statt „Presidents“

Maik M., der unter dem Label „Ink & Skull“ auch schwarze Sonnen und besagten Waffen-SS- Totenschädel tätowiert, verfügt über weitere Kontakte ins „Brigade 8“-Spektrum, die zeigen, dass die Gruppe mitnichten ausschließlich in Schleswig aktiv ist. Hier wäre vor allem Marc J. zu nennen, ein Neonazi aus Barsinghausen bei Hannover, der sich etwa bei einem Rechtsrock-Konzert in Nienhagen in „Brigade 8“-Kutte zeigte und Mitglied des niedersächsischen Chapters der Bruderschaft ist. J. selbst stammt weniger aus dem Dunstkreis der „Freien Kräfte“ als aus der subkulturellen Rechtsrockszene. Auch die Aufteilung in lokale „Chapter“ hat sich die „Brigade 8“ bei den etablierten Motorradclubs (MC’s) abgeguckt. Im Gegensatz zu diesen firmiert der Anführer eines Chapters allerdings nicht unter dem Namen „President“, sondern trägt den Namen „Gauleiter“ – eine unzweideutige Übernahme der Terminologie des Dritten Reiches.

Boneheads und Rechtsrockbusiness

Neben Chaptern in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen verfügt die „Brigade 8“ auch über eine Ortsgruppe in Bremen. Diese verfügt über eine gute Vernetzung mit der örtlichen Rechtsrockszene. Dies dürfte auch erklären, warum die Bremer Boneheadkapelle „Legion Germania“ der Brigade ein Lied widmete. Eine geplante „Open House Party“ des Bremer Chapters wurde im vergangenen Jahr von der Polizei verhindert, weil dort „die nationalsozialistische Ideologie“ beworben werden sollte. Neonazis aus dem Bremer „Brigade 8“-Umfeld, unter anderem Lars H.aus Loxstedt, Kai L. aus Kirchseelte, sowie der Hammerskin Robert L., waren an Versuchen beteiligt, den Tod von Daniel S. aus Kirchweyhe für die rechte Szene zu instrumentalisieren. Hierzu nahmen sie an rechten Mahnwachen teil, die vor allem die Herkunft des Mannes thematisierten, der Daniel S. nach einem Streit tödlich verletzte. Bei den Mahnwachen sollte die lokale Bevölkerung durch rassistische Hetze aufgestachelt werden - die Unternehmung misslang allerdings.

„Midgards Wächter“ sind eng mit der Rechtsrock-Szene verknüpft

„Brigade 8“ ist aber nicht die einzige neonazistische Bruderschaft, die in Norddeutschland aktiv ist. Auch die Gruppe „Midgards Wächter“ um den ehemaligen „Kraftschlag“- Schlagzeuger Holger Ingwersen ist vor allem in Nordfriesland aktiv. Über „Kraftschlag“ gibt es hier Kontakte in die skandinavische „Blood & Honour“-Szene. Laut Antifa-Recherchen haben sie sich einen ehemaligen Bunker im nordfriesischen Langenhorn als Clubhaus angemietet. Die Vernetzung zur örtlichen Neonazi-Szene funktioniert hier ebenfalls. So findet sich auch Maik M. auf den Freundeslisten diverser mutmaßlicher Mitglieder der „Bruderschaft Midgards Wächter“. Mit jemandem wie Ingwersen als Präsidenten ist es wenig überraschend, dass auch Kontakte zur norddeutschen Rechtsrockszene bestehen. Auf einem „Balladenabend“ trat unter anderem der neonazistische Liedermacher „Raunijar“, mit bürgerlichem Namen Lars Hildebrandt, auf.

Gutes Geschäft mit Rockermimikry

Darüber warum ausgerechnet im hohen Norden die Rockermimikry bei Neonazis so beliebt ist, lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise diente die fast vollständige Durchsetzung mit Neonazis der Neumünsteraner Ortsgruppe der Rocker von „Bandidos MC“ als Ansporn und Inspiration. Grundsätzlich wirkt der Rocker-Habitus als Mobilisierungsangebot für Neonazis, die weder von Nazi-Parteien wie der NPD noch von autonomen Nazistrukturen erreicht werden. Gleichzeitig dürfte auch das Geschäftliche eine Rolle spielen, wie die oben geschilderten Beispiele verdeutlichen. Die Nazirocker haben sich an der Schnittstelle diverser subkultureller Geldtöpfe positioniert: Kleidungsvertrieb und Merchandise, Rechtsrockveranstaltungen und Tattoostudios. Beim Geschäftlichen hört der Spaß aber auch auf. „Brigade 8“ und „Midgards Wächter“ betonen, keine „echten“ „MC’s“ zu sein. Zu groß ist die Angst, von etablierten Rockergruppen als Konkurrenz wahrgenommen zu werden – mit allen möglichen Konsequenzen.

 

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